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Wirtschaft: Die Mutter der Messen in Schwierigkeiten

LEIPZIG ."Da mußte schon einmal ein richtiger Wind durchs Gemäuer fegen, mit Reförmchen hätten sich die eingeschliffenen Gewohnheiten nicht aufbrechen lassen", sinniert eine Mitarbeiterin der Leipziger Messe bei einem kleinen Presse-Imbiß.

LEIPZIG ."Da mußte schon einmal ein richtiger Wind durchs Gemäuer fegen, mit Reförmchen hätten sich die eingeschliffenen Gewohnheiten nicht aufbrechen lassen", sinniert eine Mitarbeiterin der Leipziger Messe bei einem kleinen Presse-Imbiß.Es sind Abschieds-Häppchen, die zum Ende der Ära Cornelia Wohlfarth gereicht werden, die an diesem Tag ihren Schreibtisch ausräumt und den Chefsessel für einen unbestimmten Nachfolger freimacht.

Die bei Potsdam geborene Rechtsanwältin war, von der Verlagsgruppe Handelsblatt kommend, 1991 an die Pleiße geholt worden.Damals war die Grundsatzentscheidung bereits gefallen, die einstige Pflichtveranstaltung für den Ost-West-Handel aus der DDR-Zeit völlig umzukrempeln.Doch was mit dem Neubau des Geländes hervorragend klappte, blieb bei der inhaltlichen Neuausrichtung weit hinter den damaligen Erwartungen zurück.Währenddessen kamen die Kosten beim Mehrfachen dessen an, was damals die Prognosen besagten.Daß der Wandel von der Universalmesse zu reichlich zwei Dutzend Branchenmessen auf heftigen Widerstand der mächtigen Konkurrenz zwischen Berlin, Düsseldorf und München stoßen werde, wußte Wohlfarth.Allerdings unterschätzte sie offenbar den Wert der "Connections" zu einflußreichen Industrieverbänden und Wirtschaftskapitänen.So mühte sich "die Mutter der Messen", wie die Leipziger ihre schon 1165 aus der Taufe gehobenen Handelsplatz gern titulieren, unermüdlich und vergeblich, eine internationale Messe oder wenigstens eine nationale Leitveranstaltung unter die gigantische gläserne Tonne zu holen.Auch mit den Neuentwicklungen lief es nicht, wie gewünscht."Eine neue Messe großzuziehen, benötigt mindestens fünf Jahre", erklärt Unternehmenssprecher Alfred Böswald und liegt damit sicher nicht falsch.Immerhin kann er wenigstens auch auf eine Reihe hoffnungsvoller Messekinder wie die Geobit oder die Denkmalmesse verweisen.Doch sind auch diese Veranstaltungen noch immer von bescheidener Größe, und das Wachstum ist zäh.Zudem: Mittlerweile sind bereits sieben Jahre verstrichen, was nun den Gesellschaftern wohl den Kragen platzen ließ.

Die Ursache hierfür liegt nicht allein an der Messe Leipzig, sondern auch an der Schieflage des mitteldeutschen Wirtschaftsraumes.Die Industriedichte ist so gering wie in Portugal.Und was an Firmen vorhanden ist, zählt entweder zum kapitalschwachen jungen Mittelstand oder zur Produktionsfiliale eines westdeutschen Unternehmens.Deren Entscheider in Stuttgart oder Hamburg fahren schließlich schon immer zur Messe nach Essen, Köln oder Nürnberg.Spätestens als vor gut einem Jahr ruchbar wurde, bei der Messe häuften sich die Schulden zu dreistelligen Millionenbeträgen, wuchs der Druck auf die Chefetage.Zwar hielten der damalige Oberbürgermeister Leipzigs, Hinrich Lehmann-Grube und Sachsens Regierungschef Kurt Biedenkopf noch schützend die Hände über die Geschäftsführung und verlängerten den Vertrag auch für Cornelia Wohlfarth um weitere drei Jahre.Doch hinter den Kulissen wurde auf ein neues Konzept gedrängt.Der härtere Kurs aus Dresden, den Aufsichtsratsmitglied und Wirtschaftsminister Kajo Schommer jedoch mehrfach mit Versicherungen zu relativieren versuchte - "wir stehen selbstverständlich zum Messeplatz Leipzig" -, hatte bereits vor einigen Wochen zum Ausscheiden von Pressesprecher Huber und zu einem Beinahe-Absprung von Geschäftsführer Josef Rahmen geführt.Der hatte sich schon bei der Konkurrenz in Stuttgart beworben, was von Wohlfarth damals lediglich "zur Kenntnis genommen" worden sei.Besonders arg jedoch, so berichten Insider, habe es zwischen Wohlfarth und Geschäftsführer Wolfgang Bildstein geknirscht, der statt der "Marktoffensive" einen radikalen Schrumpfungskurs favorisiert hatte.Im Aufsichtsrat, dem unter anderen Finanzminister Milbradt und der neue Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee angehören, heißt es, die Messe solle "künftig auch aggressiv in bereits besetzte Themenfelder anderer Messen eindringen".Das freilich dürfte ohne weitere Gelder und ohne einen neuen Chef mit besten Kontakten zur Wirtschaft nicht möglich sein.Für die zusätzlichen Mittel signalisierten Schommer und Tiefensee bereits, daß sie für ein stimmiges Konzept noch einmal tief in die leeren Taschen greifen wollen.Dabei hängt Tiefensee die Trauben hoch: "Wir erwarten, daß Internationalität, und die Rolle als Ost-West-Drehscheibe und als wichtigster Wirtschaftsfaktor der Region von dieser Messegesellschaft erreicht werden."

MANFRED SCHULZE

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