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Wirtschaft: "Die nächste Rentenerhöhung ist nicht gefährdet"

Viele Rentner sind verunsichert.Könnte Bundesarbeitsminister Riester Rentenerhöhungen einfach so von den Nettolöhnen abkoppeln?

Viele Rentner sind verunsichert.Könnte Bundesarbeitsminister Riester Rentenerhöhungen einfach so von den Nettolöhnen abkoppeln? Darüber sprach Heike Jahberg mit Klaus Michaelis, Geschäftsführer der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte.

TAGESSPIEGEL: Kann der Arbeitsminister einfach beschließen, Rentenerhöhungen nicht mehr an die Nettolöhne zu binden?

MICHAELIS: Die Anpassungsformel ist im Gesetz festgeschrieben.Darin steht: Zum 1.Juli eines Jahres müssen die Renten angepaßt werden, und die Erhöhung orientiert sich an der Entwicklung der Nettolöhne im Vorjahr.

TAGESSPIEGEL: Aber Herr Riester möchte diesen Automatismus ja gerne ändern.

MICHAELIS: Lassen Sie mich eines klarstellen: Der Vorschlag von Herrn Riester könnte sich nur auf die Zukunft beziehen.Die Nettolöhne des Jahres 1998 sind nicht berührt, und damit ist auch die Rentenerhöhung zum 1.Juli dieses Jahres sicher.

TAGESSPIEGEL: Aber vielleicht schon die Rentenerhöhung zum 1.Juli 2000? Oder ist das Gegenstand der großen Rentenreform, die die Regierung plant?

MICHAELIS: In der Koalitionsvereinbarung steht, daß man in diesem Jahr eine große Strukturreform erarbeiten will, die zum 1.Januar 2001 in Kraft treten soll.Natürlich könnte man in diesem Zusammenhang auch die Anpassungsformel ändern.Herr Riester möchte ja sicherstellen, daß nicht familienpolitische Entscheidungen und Steueränderungen, die Arbeitnehmer entlasten sollen, ohne weiteres nach der Anpassungsformel an die Rentner weitergegeben werden.

TAGESSPIEGEL: Immer mehr Menschen befürchten, daß sie zwar viel Geld in die Rentenkassen einzahlen, aber später wenig oder gar nichts zurückbekommen.Kann der Gesetzgeber einfach den Rotstift ansetzen?

MICHAELIS: Verfassungsrechtlich gesehen ist es so, daß die Rentenanwartschaften, die man durch die Beitragszahlung erwirbt, als Eigentum geschützt sind.Diese Anwartschaften müssen später, im Rentenalter, erfüllt werden.

TAGESSPIEGEL: Das heißt, ich bekomme eine Rente.

MICHAELIS: Ja.Der Eigentumsschutz erfaßt aber nicht ohne weiteres die Dynamik der Rentenanpassungen.

TAGESSPIEGEL: Also habe ich Anspruch auf eine Rente, aber nicht auf eine Rente in bestimmter Höhe ...

MICHAELIS: Das ist prinzipiell richtig, denn die Rente orientiert sich nicht nur an der Höhe der eingezahlten Beiträge, sondern auch an der allgemeinen Lohnentwicklung.Bei steigenden Löhnen werden auch die Renten angehoben.

TAGESSPIEGEL: Lohnt es sich überhaupt, in die Rentenkassen einzuzahlen?

MICHAELIS: Es wird immer behauptet, es gäbe ein Mißverhältnis zwischen dem, was man einzahlt, und dem, was man herausbekommt.Das stimmt aber nicht: Bei den Neurentnern im letzten Jahr liegt die Rendite zwischen 5 und 7 Prozent.Das kann sich sehen lassen.Aber auch die Jüngeren, die erst im Jahr 2020 in Rente gehen, müssen sich keine Sorgen machen.Nach unseren derzeitigen Hochrechnungen liegt die Rendite auch dann noch zwischen 3 und 4 Prozent.Und Sie können davon ausgehen, daß die Rendite sogar noch weiter steigt, wenn am 1.April der Beitragssatz zur Rentenversicherung um 0,8 Prozentpunkte sinkt.

TAGESSPIEGEL: Wäre ein Wechsel zu einer steuerfinanzierten Grundrente mit der Verfassung vereinbar?

MICHAELIS: Nur dann, wenn alle Ansprüche, die heute durch die Beitragszahlung begründet sind, erfüllt werden.Aber dann müßte der Steuerzahler für die 350 Mrd.DM Rentenzahlungen im Jahr aufkommen.

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