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Nur vorsichtig optimistisch: Chefökonom Dale mahnt die Branche zu mehr Effizienz und Kosteneinsparungen.

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Chefökonom von BP im Interview: „Die Probleme am Ölmarkt werden andauern“

Spencer Dale, der Chefökonom von BP, spricht über den turbulenten Weltmarkt für Energierohstoffe und die Zukunft des Benzinmotors.

Herr Dale, der Ölmarkt schlittert von Tiefstand zu Tiefstand. Wie lange wird das noch so weitergehen?

Der Nachfrage auf dem Ölmarkt steht ein deutlich zu hohes Angebot gegenüber – was letztendlich vor allem durch den Schieferöl-Boom in den USA begründet ist. Wann sich Angebot und Nachfrage wieder ausbalancieren werden, ist schwer zu sagen. Aber wir beobachten, dass der Markt auf das hohe Angebot und die niedrigen Preise reagiert. Meine Einschätzung ist, dass sich Angebot und Nachfrage bis Ende des Jahres stärker angleichen werden. Die Probleme werden dann aber noch nicht vollständig ausgeräumt sein. Die Millionen von Öl-Barrel, die heute tagtäglich in die Vorratslager wandern, müssen ja erst mal abverkauft werden. Bis das geschehen ist, können weitere zwölf bis 18 Monate vergehen.

Russland und Saudis haben sich auf eine Begrenzung der Fördermengen geeinigt, bringt dieser Schritt etwas?

Es ist zu früh, das zu beurteilen. Die Signifikanz der Entscheidung dürfte geringer gewesen sein als das, was wirklich verkündet wurde. Denn bei den Ländern, die an der Entscheidung beteiligt waren, war eine Erhöhung der Förderquote ohnehin unwahrscheinlich. Bedeutender dürfte das Signal gewesen sein, das durch das Treffen gesendet wurde: dass ein Prozess einiger großer Ölproduzenten in Gang gesetzt wurde, um die Problematik des Überangebots am Markt anzugehen.

Mit einem Ölpreis von knapp über 30 Dollar pro Barrel – welche Gefahren sehen Sie für die Weltkonjunktur?

Da gibt es zwei Seiten. Zunächst wirken sich niedrigere Ölpreise – das zeigt ein Blick in die Vergangenheit – wie eine Steuersenkung für die Öl importierenden Länder aus. Denn wer weniger Geld für Energie ausgibt, kann das Geld für andere Dinge verwenden. Wir sehen aber auch negative Auswirkungen. Vor allem Länder, die stark auf den Ölexport ausgerichtet sind, treffen die niedrigen Preise volkswirtschaftlich hart.

Steckt die Ölindustrie in einer Krise?

Ich würde diesen Begriff so nicht verwenden. Unser „Energy Outlook 2035“ zeigt, dass die gesamte globale Energienachfrage in den kommenden zwanzig Jahren voraussichtlich um ein Drittel ansteigt – und auch die Nachfrage nach Öl und Gas wird signifikant zulegen. Aber es stimmt, wir beobachten derzeit einen drastischen Preisverfall, der die Branche vor Herausforderungen stellt. Die Industrie muss effizienter arbeiten, Kosten müssen eingespart und eine hohe Kapitaldisziplin bei Investitionen eingehalten werden.

Einer ihrer größten Wachstumsmärkte, China, hat derzeit mit einer Wachstumsdelle zu kämpfen. Sehen Sie dort noch große Wachstumschancen?

Die volkswirtschaftlichen Parameter sind positiv. Gemeinsam mit Indien wird China in den kommenden zwanzig Jahren mehr als die Hälfte des Energiewachstums stemmen. Im Vergleich zur Vergangenheit wird China zwar langsamer wachsen, aber es wird weiterhin den größten Anteil am Energiewachstum weltweit ausmachen. Das dürfte sich in zwanzig Jahren ändern – dann werden die Inder China ablösen.

Was ist mit der entwickelten Welt, haben Sie die als Wachstumsmarkt schon abgeschrieben?

Die Energienachfrage in den OECD-Ländern wird in den kommenden zwei Jahrzehnten stabil bleiben. Mit einer höheren Energieeffizienz werden die Volkswirtschaften von Deutschland, Frankreich oder den USA zwar weiterwachsen, die Nachfrage nach Energie aber gleich bleiben. Wir haben berechnet, dass der Energiebedarf der Europäischen Union im Jahr 2035 so hoch liegen wird wie zuletzt 1985 – dabei wird die Wirtschaftskraft um 150 Prozent höher liegen als 50 Jahre zuvor. Das Energiewachstum wird daher in den Nicht-OECD Ländern stattfinden.

Wird diese Marktsättigung auch bei Ihrem Unternehmen Spuren hinterlassen, werden wir demnächst vermehrt Solarfelder und Wasserwerke sehen, die von BP betrieben werden?

Wir prognostizieren, dass fossile Energieträger 2035 immer noch einen Anteil am Primärenergieverbrauch von 80 Prozent haben. Öl und insbesondere Gas werden weiterwachsen. Keine Frage: Die erneuerbaren Energien werden sicherlich mit enormer Geschwindigkeit Marktanteile dazugewinnen, sie haben die höchste Wachstumsrate. Wir gehen davon aus, dass bis 2035 die Erneuerbaren allerdings erst einen Anteil von neun Prozent am gesamten Energiemarkt haben werden – daher werden fossile Energieträger wie Öl und Gas uns noch auf lange Zeit begleiten.

Das Ende des Verbrennungsmotors steht also nicht demnächst bevor?

Es wird kommen, aber noch nicht so schnell. Eine nennenswerte Elektrifizierung des Straßenverkehrs sehe ich erst nach 2035 – was wohl nicht zuletzt auch eine Kostenfrage für die Verbraucher ist. Denn wer sich heute ein Auto kauft, will es zumindest auch noch zehn bis 15 Jahre fahren.

Spencer Dale ist seit 2014 Chefökonom der BP-Gruppe. Zuvor arbeitete der britische Ökonom auf verschiedenen Positionen bei der Bank of England. Das Interview führte Johannes C. Bockenheimer.

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