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Wirtschaft: „Die Rabattschlacht hat klare Grenzen“

Autopräsident Bernd Gottschalk über den Autokanzler, die Dienstwagensteuer und die Konkurrenz der Bahn

Herr Gottschalk, der Widerstand gegen die Dienstwagensteuer scheint sich gelohnt zu haben. Der Finanzausschuss des Bundestages lehnt sie ab.

Wir haben eben gute Argumente. Aber noch ist das Thema nicht erledigt. Im Bundesrat, bei Ministerpräsident Gabriel und vielen anderen finden wir ein offenes Ohr. Es wären ja nicht nur die Hersteller, sondern auch die Zulieferer betroffen. Und es geht nicht primär um Nobelmarken oder um den Wagen des Direktors. Sondern um zwei Millionen Außendienstmitarbeiter und Handelsvertreter. Über 600 000 Firmenwagen werden jedes Jahr neu angeschafft. Bei einer höheren Firmenwagensteuer würden vielleicht nicht weniger Fahrzeuge gekauft, aber eben kleinere und einfacher ausgestattete Autos. Dies würde die Zulieferer voll treffen.

Aber der Finanzminister könnte erhebliche Mehreinnahmen verbuchen.

Das bezweifle ich. Statt 435 Millionen Euro Mehraufkommen dürfte der Finanzminister wohl eher weniger einnehmen. Werden weniger gut ausgestattete Firmenwagen angeschafft – wir rechnen wegen des Rückgangs der Listenpreise mit drei Milliarden Euro Umsatzausfall –, dann sinkt das Mehrwertsteueraufkommen gravierend.

Ist aus dem AutoKanzler Schröder ein Anti-Auto-Kanzler geworden? Der VDA hat doch mit Rot- Grün seit 1998 keine schlechten Erfahrungen gemacht.

Wir haben bei der Regierung und bei der Opposition immer ein gutes Verständnis gefunden. Die Motive für diese Steuererhöhung sind und bleiben uns ein Rätsel. Jeder Politiker muss sich fragen, ob es sinnvoll ist, eine Industrie zu treffen, die sich als konjunkturrobust erwiesen hat und die in den letzten Jahren 130 000 neue Arbeitsplätze geschaffen hat.

Lobbyisten haben derzeit Hochkonjunktur. Konkrete Gegenvorschläge zur Lösung der Finanz- und Wachstumsprobleme sind aber rar. Was schwebt dem VDA-Präsidenten vor?

Klar ist: Schmerzliche Eingriffe sind nicht zu vermeiden. Klug wäre es, die Subventionen pauschal zu kürzen. Damit würde die Belastung gleichmäßig verteilt und es gäbe keine strukturellen Verwerfungen. Das Verständnis für einen solchen Weg wäre größer. Und wir würden an der Ausgabenseite anpacken und uns nicht, wie jetzt, nur auf eine Erhöhung der Einnahmen konzentrieren. Mittel- und langfristig wären Steuersenkungen der beste Weg.

Wie fällt ihre Bilanz für das Jahr 2002 aus?

Dass wir mit unserer Prognose zwischen 3,2 und 3,3 Millionen Zulassungen in diesem Jahr richtig liegen, befriedigt uns nicht. Wir hätten gerne mehr gesehen.

Deutsche Autos waren mit 3,5 Millionen Verkäufen im Ausland gefragt wie selten zuvor. Woran liegt es?

2002 war in der Tat wieder ein Jahr des Exports. Gute, innovative Autos zu bauen, erweist sich als richtiges Konzept. Allerweltstechnik wäre gefährlich für uns. Auch die Sparsamkeit deutscher Modelle wird im Ausland, auch in Nordamerika, honoriert.

Was erwartet uns im nächsten Jahr?

Im Inland müssen wir mit Stagnation rechnen. Obwohl wir eine dritte Modelloffensive starten. Zudem hat sich ein erheblicher Nachholbedarf aufgestaut. Das Durchschnittsalter der Fahrzeuge in Deutschland liegt bei 7,2 Jahren. Anfang der neunziger Jahre waren es nur 6,3 Jahre. Aber auch für Ersatzkäufe muss das Kaufklima stimmen.

Wie sieht es auf dem wichtigen US-Markt aus?

Das hohe Marktvolumen dort wird nicht zu halten sein, zumal die Hersteller in den USA die hohen Rabatte kaum fortschreiben können. Trotzdem ist die Chance nicht schlecht, dass sich die deutschen Hersteller gegen den Trend behaupten. Unsere Modellpalette jedenfalls ist so attraktiv, dass wir nicht jede Verkaufshilfe mitmachen mußten.

Auch hier zu Lande tobt mittlerweile eine Schlacht um Zugaben und Null-Prozent-Finanzierung. Wie lange kann sich die Industrie solche Rabatte noch leisten?

Das Preis-Leistungs-Verhältnis im Autogeschäft war selten so gut wie derzeit. Aber Verkaufsförderung kann immer nur eine vorübergehende Strategie sein. Vor einer Ausweitung solcher Aktionen kann ich nur warnen. Sie kosten Geld und können nur über schmerzhafte Kostensenkungen an anderer Stelle wieder hereingeholt werden. Rationalisierungen sind notwendig. Gefahren für die Beschäftigung sehe ich 2003 aber nicht.

Immer noch fehlt der Diesel-Pkw mit Filter aus deutscher Produktion.

Die Hersteller arbeiten mit Volldampf an dieser Frage. Sie wissen, dass mit der weiteren Emissionsreduzierung die Diesel noch besser und attraktiver gemacht werden, innermotorisch oder mit Filter. Einen Termin kann ich aber nicht nennen.

Die Bahn propagiert ihr neues Preissystem und erhofft sich erheblichen Zulauf. Fürchtet die Automobilindustrie diese Konkurrenz?

Das Preissystem der Bahn soll mehr Kunden anlocken. Allerdings: Viele Menschen müssen sich kurzfristig entscheiden. Darauf ist das neue System nicht geeicht. Für diese Kunden wird das Bahnfahren eher teurer. Ich bezweifle, dass die Bahn damit wirklich mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene bringt. Das Auto ist jederzeit flexibel einsetzbar und kostet auch zu viert belegt nicht mehr.

Wie oft nutzt der Automobil-Präsident Gottschalk die Bahn?

In der Regel dreimal pro Woche. Ich weiß wovon ich rede.

(Er zückt seine Bahn-Netzkarte.)

Ich weiß auch, wie es um die Pünktlichkeit der Züge bestellt ist. Autofahren bleibt ein Zug der Zeit.

Das Gespräch führte Rolf Obertreis.

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