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Wirtschaft: Die Schranke bleibt unten

Der Schutz der EU-Bauern bremst die Öffnung der Märkte – dabei würde vor allem Deutschland profitieren

Die reichsten und größten Landwirte profitieren am meisten: Der britische Thronfolger Prinz Charles, manch europäischer Agrarminister und selbst Konzerne wie Nestlé oder BASF bekommen die höchsten Summen aus dem Topf der Europäischen Agrarpolitik überwiesen. Mit diesem Befund macht die Nichtregierungsorganisation Oxfam Kampagne für den Freihandel – und gegen die Agrarpolitik. Zölle auf Fleisch oder Zucker aus Entwicklungsländern und Subventionen schützen die europäischen Bauern – und bringen viele Entwicklungsländer um wichtige Einkommen. Die Oxfam-Kampagne erhöht immerhin den Reformdruck.

Jedoch noch nicht genug. Denn der Schutz der europäischen Bauern ist die Hauptbremse bei den derzeit laufenden Verhandlungen um die weitere Liberalisierung des Welthandels. Auf der Ministerkonferenz am 13. Dezember in Hongkong soll es eigentlich eine grundsätzliche Einigung geben, damit bis Ende nächsten Jahres die Details für einen Abschluss der neunten Handelsrunde –der „Doha-Runde“ (siehe Kasten) –ausgearbeitet werden können. Aber im Moment sieht es schlecht aus. Die Europäer bieten an, ihre Zölle im Schnitt um 46 Prozent zu senken. Das ist aber weder den USA noch der Gruppe von Schwellenländern um Brasilien und Indien herum genug. Die USA sind bereit, die Zölle um 55 bis zu 80 Prozent zu senken. Ein weiterer Konfliktpunkt: Die USA und die Europäer wollen, dass Länder wie Indien und Brasilien ihre Märkte für Dienstleistungen und Industriegüter stärker öffnen. Denn davon würde die Exportindustrie der entwickelten Länder enorm profitieren.

Seit vergangener Woche ist die Diskussion festgefahren. EU-Handelskommissar Peter Mandelson, der für die EU die Verhandlungen führt, hat schon jetzt die Erwartungen an das Treffen in Hongkong gedämpft: „Wir werden nicht den Grad von Fortschritt erreichen, den wir uns erhofft hatten“, sagte er. Auch Agrarkommissarin Mariann Fischer-Boel ist skeptisch: „Es wird Fortschritte geben in Hongkong, aber das wird nicht das Ende des Weges sein“, sagte sie dem Tagesspiegel (siehe Interview). Mandelson und Fischer-Boel sind durch die EU-Mitgliedstaaten in ihrem Verhandlungsspielraum eingeengt. Länder wie Frankreich wehren sich vehement dagegen, dass die Zölle gesenkt werden, um ihre starke Bauernlobby nicht zu verschrecken. Der französische Präsident Jacques Chirac hat bereits mit seinem Veto gedroht.

Dabei würden nicht nur die Entwicklungsländer von einer weiteren Marktöffnung profitieren. Eine Studie der Weltbank hat ausgerechnet, dass die vollständige Liberalisierung des Welthandels bis 2015 jedes Jahr 300 Milliarden Dollar freisetzen könnte. Etwa 45 Prozent davon kämen den Entwicklungsländern zugute, schreiben die Autoren.

In der EU wäre vor allem die deutsche Wirtschaft Nutznießer, weil sie so stark durch den Export getrieben wird. Nicht nur von Industriegütern, sondern auch zunehmend von Dienstleistungen. „Wenn wir Aufzüge exportieren, dann können wir auch die Wartung der Aufzüge mitliefern“, sagt Guido Glania vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Auch vom zollfreien Import von Dienstleistungen wie Software aus Indien könne die deutsche Wirtschaft profitieren.

Die Vertreter der deutschen Unternehmen appellieren deshalb an die Handelsblöcke, eine Einigung zu erreichen. „Vom Erfolg der laufenden WTO-Verhandlungsrunde hängt ein Schub für Wachstum und Beschäftigung auch in Deutschland ab“, sagte Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) dem Tagesspiegel. BDI-Präsident Jürgen Thumann kritisierte Mandelson: „Ich halte nichts davon, die Ambitionen jetzt herunterzuschrauben. Hongkong ist vielleicht die letzte Chance, die Runde einen entscheidenden Schritt nach vorne zu bringen. Die wichtigsten Akteure müssen sich jetzt bewegen“. Und der Präsident des Bundesverbandes für Groß- und Außenhandel (BGA), Anton Börner, fordert ebenfalls mehr Zugeständnisse seitens der Europäer. „Agrar darf nicht der Bremsklotz für die weitere Liberalisierung des Welthandels werden. Wenn Mandelson bereits jetzt von einem Scheitern der Konferenz spricht, so ist dies schädlich“.

Den WTO-Mitgliedern bleibt nur noch bis Ende 2007, um sich zu einigen. Denn dann läuft die Handelsvollmacht der US-Regierung aus, die ihr vom Kongress erteilt wurde.

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