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Trübe Aussichten. Im Februar protestierten die Mitarbeiter von First Solar gegen die Kürzung der Solarförderung. Als Ausdruck ihres Protestes hängten sie dieses - wütende - Sonnensymbol auf ein Photovoltaikmodul. Jetzt kündigte der US-Konzern First Solar an, sein Werk in Deutschland zu schließen. 1200 Mitarbeiter in Frankfurt (Oder) verlieren ihren Job.

© dpa

First Solar schließt deutsches Werk: Die sonnigen Jahre sind vorbei

Die Solarfirmen in Deutschland sind nicht innovativ genug, sagen Experten. Die Industrie kritisiert die Förderpolitik der Bundesregierung.

Solar Millennium, Solon, Q-Cells und nun First Solar – die Liste der Solarfirmen, die in die Insolvenz gehen oder ihre Produktion hierzulande aufgeben, wird immer länger. „Diese Entwicklung ist leider Folge der wirtschaftspolitischen Fehler der Bundesregierung“, meint Klaus Kröpelin von der Vereinigung Solarregion Berlin-Brandenburg. „Wenn so überhastet entscheidende Rahmenbedingungen für die Solarwirtschaft geändert werden, brauchen wir uns über derartige Reaktionen nicht wundern.“

Der US-Konzern First Solar begründet seine Entscheidung, die Produktion in Frankfurt an der Oder mit 1200 Mitarbeitern im Oktober zu schließen, wie berichtet mit der Kürzung der Solarförderung. Marktbeobachter zweifeln indes an dieser Argumentation. „Die Solarbranche ist schon im vergangenen Jahr in Schwierigkeiten geraten“, sagte Jochen Diekmann vom DIW Berlin dem Tagesspiegel. Die neuen Förderbedingungen führten nun dazu, „dass sich der Trend verstärkt“.

In den vergangenen Jahren lebte die Solarindustrie von einer enormen Nachfrage, die deutlich das Angebot übertraf. Doch inzwischen liegt die Produktionskapazität weltweit bei mehr als 25 Gigawatt. „Das ist etwa doppelt so viel wie die Nachfrage“, sagt Wolfgang Hummel vom Berliner Zentrum für Solarmarktforschung. In der Folge bekommen die Unternehmen Probleme, die zu teuer sind oder Qualitätsprobleme haben. So haben etwa die von First Solar produzierten Dünnschicht-Module einen geringeren Wirkungsgrad als die Silizium-Module der chinesischen Konkurrenz – doch der Preis ist inzwischen annähernd der gleiche, weil Silizium deutlich günstiger wurde. Mithin entschieden sich die Kunden für die Konkurrenz: „Von den großen Solarparks, die 2011 in Brandenburg gebaut wurden, hat nur einer bei First Solar eingekauft“, sagt Hummel.

Anders als China hat Deutschland seine Solarförderung am Klimaschutz und nicht industriepolitisch ausgerichtet. So wird die Einspeisung von Solarstrom gefördert, nicht etwa die Produktion der Module. In der Folge haben auch ausländische Hersteller – vor allem die Chinesen – von der Förderung durch das Erneuerbare Energien Gesetz profitiert. Umgekehrt werfen die deutschen Hersteller China vor, seine Solarindustrie in unfairer Weise durch billige Kredite zu unterstützen.

Doch dafür gebe es keine harten Belege, sagt Diekmann vom DIW. „Ich halte es auch nicht für sinnvoll, wenn Deutschland nun in ein Subventionswettrennen einsteigen würde.“ Auch Hummel ist überzeugt, dass eine direkte Förderung der deutschen Solarindustrie nicht sinnvoll ist. „Da würden wir als David gegen Goliath antreten“, sagt er und plädiert für eine engere Kooperation der Firmen. „Der Solarmarkt ist extrem zersplittert.“ Etwa so, als wenn es hierzulande 30 Autohersteller gebe. Die über Deutschland verteilten Cluster müssten viel enger zusammenarbeiten. „Es macht keinen Sinn, dass jeder nach einer eigenen Lösung sucht, wenn man mit weltweit agierenden Großkonzernen konkurriert“, sagt der Berliner Solarmarktexperte.

Die IG Metall macht sich derweil Sorgen, „ob das deutsche Solarcluster künftig noch groß genug sein wird, um in der Welt mitspielen zu können“. Sören Niemann-Findeisen aus dem Gewerkschaftsvorstand plädiert für ein „Nothilfeprogramm“ und für die Umstellung der Förderung. Um „Waffengleichheit mit den Chinesen“ zu bekommen, müsste mehr Geld in Forschung und Entwicklung, in den Erhalt industrieller Standorte und in die Exportförderung gesteckt werden. Niemann-Findeisen zufolge stellen die Chinesen ihrer Solarindustrie einen hohen zweistelligen Milliardenbetrag in Dollar zur Verfügung, damit Kapazitäten aufgebaut und industrielle Kompetenz entwickelt wird. Für die Probleme deutscher Firmen nennt Niemann-Findeisen zwei Faktoren. Neben der deutlich gesunkenen Nachfrage nach deren Produkten auch die Börsenabhängigkeit. Im vergangenen Jahrzehnt sei der Großteil der hiesigen Unternehmen den Finanzierungsweg über die Börse gegangen. Nun, in der Krise, sei es schwer, frisches Geld zu beschaffen. Und wenn Investoren ihr Geld zurück wollten, könne das, wie bei Q-Cells, zur Insolvenz führen. Alles in allem seien die Unternehmen jetzt nicht flüssig genug, um die Krise zu überstehen. Deshalb plädiert Niemann-Findeisen ebenso wie Olivier Höbel, IG-Metall-Chef von Berlin, Brandenburg und Sachsen, für ein „Nothilfeprogramm“: Maßnahmen von Bund und Ländern, um die industrielle Substanz zu retten. Für Höbel ist die Situation in Brandenburg „dramatisch“. Die Länder sollten die von der Bundesregierung beschlossene Förderkürzung im Bundesrat kippen. Ferner seien „Netzwerke für Innovation zu knüpfen, denn wir sind zu wenig innovativ“, sagte Höbel auf Anfrage.

Um die Solarindustrie dauerhaft zu etablieren, sei die Zusammenarbeit mit regionalen Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen unverzichtbar. Die Forschungs- und Entwicklungsquote „ist mit 2,5 Prozent viel zu gering“, kritisierte der Metaller auch die Firmen, die zudem Investitionen „in die industrielle Prozesskompetenz versäumt haben“.

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