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Wirtschaft: Die Statistik liefert nur Momentaufnahmen

Die Arbeitsmarkt-Zahlen gelten nur an einem Stichtag / Verfügbarkeit entscheidet über ZählungVON CHRISTIAN OMERZU DÜSSELDORF.An den an diesem Donnerstag offiziell vorgelegten Arbeitslosenzahlen für Februar dürften sich erneut Kritiker reiben.

Die Arbeitsmarkt-Zahlen gelten nur an einem Stichtag / Verfügbarkeit entscheidet über ZählungVON CHRISTIAN OMERZU DÜSSELDORF.An den an diesem Donnerstag offiziell vorgelegten Arbeitslosenzahlen für Februar dürften sich erneut Kritiker reiben.Die Zahl unterzeichne die Wirklichkeit, hieß es schon vor einem Monat.Unterschwellig wird von einer geschönten Zählweise gesprochen.Ein solcher Vorwurf geht jedoch in die falsche Richtung.Die Zählweise für die Arbeitslosenstatistik wird weder laufend, noch willkürlich geändert, und sie ist systematisch begründet, was Vergleiche mit der Vergangenheit erlaubt.Dabei muß auch berücksichtigt werden, daß die Arbeitsmarktstatistik nur die Momentaufnahme an einem (regelmäßigen) Stichtag ist.Seit 1986 ist die Zählweise der Arbeitslosen unverändert.Der Schlüsselbegriff dafür, wer am Zähltag um den 25.eines Monats als Arbeitsloser registriert wird, lautet "Verfügbarkeit".Dies scheint logisch, da die Arbeitslosenzahl spiegelbildlich den Mangel an geeigneten Arbeitsplätzen in der entsprechenden regionalen und wirtschaftssektoralen Verteilung signalisiert.Gezählt als Arbeitsloser wird also nur, wer am Tag X tatsächlich für die (Wieder-)Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung verfügbar ist.Die Nichtverfügbarkeit kann unterschiedliche Ursachen haben.Die Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit gruppiert nach den Kategorien "nicht wollen" und "nicht können".Zum Beispiel müssen 58-jährige und ältere Bezieher von Arbeitslosengeld nicht mehr arbeitsbereit sein, ohne deshalb Leistungsansprüche zu verlieren oder Sperrzeiten zu riskieren.Die Betroffenen können dies freiwillig entscheiden.Eingeführt wurde diese Regelung im Jahr 1986, um den gleichzeitig propagierten Vorruhestand zu unterstützen.Die Regelung war aber befristet - und ist dies heute noch, jetzt bis Ende des Jahres 2000.Im neuen Sozialgesetzbuch SGB III, Nachfolger des Arbeitsförderungsgesetzes, sind diese Fälle in Paragraph 428 geregelt.Zugenommen hat ihre Bedeutung seit dem vergangenen Jahr in Ostdeutschland, sozusagen als Ersatzregelung für das auslaufende Altersübergangsgeld, deren Bezieher ja auch nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.Im Januar 1998 ordnete die BA insgesamt 207 000 Personen dieser Kategorie zu, darunter 95 500 in den neuen Ländern.Unter "nicht wollen" fallen auch diejenigen, die sich beim Arbeitsamt melden müßten, dies aber unentschuldigt und unbegründet nicht tun.Wer der regelmäßigen Meldepflicht als Leistungsempfänger nicht nachkommt, verliert vorübergehend den Geldanspruch und Rentenbeitragszahlung.Wer ohne Leistungsbezieher zu sein die Rückmeldung versäumt, riskiert die Berücksichtigung der Arbeitslosenzeit bei der Rentenberechnung.Beide Fälle werden zum Stichtag nicht als arbeitslos, da nicht verfügbar, eingestuft.Unter die Kategorie "nicht können" fallen alle vorübergehend krankgemeldete Personen (Paragraph 126 SGB III) und die Erwerbsunfähigen (Paragraph 125 SGB III).Im Januar dieses Jahres waren rund 100 000 Personen am Stichtag als krank (ab-)gemeldet und 25 000 als erwerbsunfähig und damit ebenfalls als nichtverfügbar eingestuft.Sofern sie Arbeitslosengeld bekommen, werden sie aber weiter als Leistungsempfänger gezählt, Kranke auch als Arbeitssuchende.Wer sich nach einem Zähltag arbeitslos meldet, vor dem nächsten Zähltag krank wird und auch noch einen neuen Job erhält, fällt aus der Bestandstatistik der Arbeitslosen ganz heraus, wird jedoch bei Zu- und Abgängen (hier sogar zweimal) erfaßt.Ähnliches geschieht bei Langzeitarbeitslosen, wenn sie vor Ablauf eines Jahres krank gemeldet sind oder kurzzeitige Jobs bekommen.So können auf eine einzige Person gleich mehrere Arbeitslosenfälle in einem Jahr entfallen.Die Wirklichkeit wird damit zwar nicht geschönt, jedoch bildet die Systematik der offiziellen Zählweise nur sehr bedingt die personenbezogene Langzeitarbeitslosigkeit ab.ELGA LEHARI (HB)Zerrissen - Dokumentarfilm am Mittwoch 22.15 Uhr auf B 1Vieles sieht man eben immer erst im Nachherein.Eine ebenso simple wie ernüchternde Erkenntnis, zu der Autor und Regisseur Uwe Gooß am Schluß seines einstündigen Dokumentarfilms "Zerrissen" (heute, 22 Uhr 15, B1) gelangt.Mike K., ehemaliger Punk aus Düsseldorf, dessen Lebensweg Gooß filmisch nachzeichnet, blieb diese Erkenntnis versagt.Er starb im Alter von 23 Jahren an einer Überdosis Heroin."Sein Ende hätte auch meins sein können", sagt Gooß, der den Ausstieg aus der Szene schaffte.Jahre danach begibt er sich Jahre auf eine posthume Spurensuche, die die MedienWerkstatt Linden Hannover in Zusammenarbeit mit dem Sender Freies Berlin (SFB) und dem Westdeutschen Rundfunk (WDR) produzierte.Mikes Punk-Karriere begann im Umfeld des "Ratinger Hofs" in Düsseldorf, dem Zentrum der dortigen Punkszene.Mikes Familie, seine inzwischen verstorbene Freundin Heike und Campino von den "Toten Hosen", der Mike aus der Punkszene kannte, sprechen über den Versuch des Jungen, aus der scheinbaren Normalität auszubrechen.Cool sein, frei sein, Spaß am Leben haben.Zerrissene Jeans, Nieten-Lederjacke und Punkfriseur als Antwort auf das Familiäre, das Alltägliche.Ein Leben pur, wie Mike es nannte, und doch stets auf der Suche nach Anerkennung.Mikes Stiefvater steht dem neuen Leben seines Sohnes mit Unverständnis gegenüber.Dennoch unterstützt er ihn finanziell weiter.Die Mutter versucht verzweifelt, den Kontakt zu ihrem Sohn nicht ganz zu verlieren.Ihn vielleicht eines Tages aus der Szene herauszuholen.Mikes Weg führt in schließlich von Düsseldorf nach Berlin.Alte Videoaufnahmen zeigen ihn in seiner eigenen Punkkneipe "Chaos" in Kreuzberg.Alkoholexzesse und Drogen vernebeln den Blick auf die Realität.Gewalt und Randale als Spiel."Wir stecken tief drin", sagt ein ehemaliger Freund, "aber wir waren nie ernsthaft dabei.Es war ein Joke." Ein fataler Irrglaube.Erst als die Familie nach Freiburg umzieht, scheint Mike der Ausstieg zu gelingen.Er kehrt Berlin den Rücken, lebt nach dem Entzug lange Zeit clean bei den Eltern in Freiburg."Und doch blieb ihm immer das Gefühl, nicht gut genut zu sein", heißt es im Film.Ein Gefühl, das Mike mit einer Überdosis verstummen ließ.

CHRISTIAN OMERZU

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