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Wirtschaft: Die Uhrmacher arbeiten wieder

In Glashütte im Erzgebirge kommt der wichtigste Wirtschaftszweig langsam wieder auf die Beine

Glashütte. Eine Frau deutet auf ein Haus, das keine Türen mehr hat: „Da drinnen habe ich bis vor zwei Wochen gearbeitet." Die örtliche IHK spricht von einer „Katastrophe für die Wirtschaft in Glashütte“, aber auch davon, „dass die Uhrenindustrie dort stark und gesund ist und deshalb der gesamten Region wieder auf die Beine helfen wird." Hört man den Chef des Uhrenherstellers Mühle Glashütte GmbH, Hans-Jürgen Mühle, dann mag man das sogar glauben. Der Mann strahlt einen ungeheuren Optimismus aus. Es ist ein Gemütszustand, der sich wie Trotz über die ganze Region verbreitet hat: „Der Wiederaufbau ist in vollem Gange. Wir schaffen das." Inzwischen sind ein Teil der Straßen und Telefonleitungen wieder benutzbar, und vor allem die Uhrenfabriken, mit Abstand die größten Arbeitgeber, haben die Produktion wieder aufgenommen. Und so kehrt mit den mehr als 500 Feinmechanikern und Uhrmachern langsam auch das öffentliche Leben zurück ins enge Tal der Müglitz.

Es ist genau 16.32 Uhr, als am vorvergangenen Montag das Rückhaltebecken der Prießnitz oberhalb von Glashütte bricht. Die meisten Angestellten der Mühle Glashütte GmbH haben die kleine, aber feine Uhrenmanufaktur am Rande der 3000 Einwohner zählenden Ortschaft nach einer Vorwarnung des Bürgermeisters bereits gegen 13 Uhr verlassen und sind schon daheim, als sich die Flut über den Marktplatz ergießt und binnen weniger Augenblicke Autos und Bäume wie Spielzeug vor sich her treibt. Dann rast die Walze aus Geröll und Schlamm weiter bis zum Bahnhof, wo sie sich mit dem Hochwasser der Müglitz vereinigt und in dem Tal Häuser, Garagen und die Eisenbahnstrecke zwischen Altenberg und Heidenau zerstört. Nacheinander fielen Strom und Telefon aus, es gab kein Trinkwasser mehr, keine einzige Straße raus aus dem Ort, der 30 Kilometer südlich von Dresden im östlichen Erzgebirge liegt, war noch befahrbar. Glashütte und die bekannten Uhrenmanufakturen waren von der Außenwelt abgeschnitten.

Zusammen mit seinem Sohn übernachtete Mühle im Betrieb, verlagerte Teile der Produktion in trockene Bereiche und bewachte anschließend seine teuren Uhren, weil die Alarmanlage ja nicht mehr lief. „Wir haben nicht geschlafen, nur gearbeitet und gebetet, dass wir und unsere Nachbarn überleben“, erinnert sich Mühle. Die Nachbarn, dazu zählen auch die Betriebe Glashütte Original und Lange & Söhne, die alle zusammen neben einem Uhren-Museum und zahlreichen Zulieferbetrieben die so genannte Uhrenmeile bilden, mussten wie Mühle die Produktion für Tage unterbrechen. Mitarbeiter hatten keine Chance, die Firmen zu erreichen. Bei Lange musste die Geschäftsleitung wertvolle Kollektionen in den Tresoren zurücklassen – es blieb keine Zeit mehr sie herauszunehmen, so schnell wälzte sich der Schlamm durch das Dorf. Die Angestellte einer Uhrenfabrik sagt: „Gerade hatten wir alles hergerichtet und jetzt sieht es so aus wie nach einem Krieg." Peter Brors (HB)

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