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Wirtschaft: „Die Unternehmer müssen das Land voranbringen“

Maschinenbaupräsident Dieter Brucklacher über die Perspektiven der Industrie, Arbeitsplatzverlagerung und Sozialpartnerschaft

Herr Brucklacher, der deutsche Maschinenbau ist weltweit führend und die Auftragslage verspricht auch ein gutes Jahr 2005. Ging es der Branche jemals besser?

Wir befinden uns auf einem soliden Wachstumskurs und werden in diesem Jahr voraussichtlich um fünf Prozent zulegen. Für das kommende Jahr gehen wir von drei Prozent aus.

Warum nicht mehr?

Es gibt Unsicherheiten. Dazu gehören die Rohstoffpreise und der Wechselkurs des Euro zum Dollar. Deshalb sind wir mit unserer Prognose vorsichtig. Doch auch drei Prozent Steigerung in 2005 ausgehend vom hohen Niveau im laufenden Jahr können sich sehen lassen.

In 18 von 33 Fachbereichen dominieren deutsche Maschinenbauer den Weltmarkt. Warum reden wir eigentlich ständig über die Schwächen unserer Industrie?

Wir sind in der Tat Weltmarktführer in vielen Bereichen. Dabei stehen den 864000 Beschäftigten bei Maschinenbauern hier zu Lande aber auch etwa 270000 Arbeitsplätze gegenüber, die deutsche Maschinenbauer inzwischen im Ausland geschaffen haben.

Aus Kostengründen?

Nicht nur. Ein Hauptmotiv für die Errichtung von Produktions- und Vertriebsgesellschaften war die Marktnähe. Wir sind aber heute in einer Situation, in der unsere Vorteile – Qualität, Innovation und Service – nicht mehr ausreichen. Wir stehen unter einem enormen Preisdruck, und deshalb haben wir die Diskussion über die Verlagerung von Arbeitsplätzen aus Kostengründen: Bei bestimmten Produkten sind wir mit einer Produktion in Deutschland nicht wettbewerbsfähig.

Die höchsten Löhne in Deutschland werden in der baden-württembergischen Metallindustrie bezahlt, trotzdem sind die dortigen Maschinenbauer einzigartig erfolgreich. Wie passt das zusammen?

Das liegt mit an der Struktur unserer Unternehmen. Der Maschinen- und Werkzeugbau ist eine mittelständische Industrie, geprägt von Familienunternehmen. Hier wird sehr flexibel gearbeitet und nachhaltig gedacht. Auf Grund des Engagements der Unternehmer und im Zusammenwirken mit den hochqualifizierten und motivierten Mitarbeitern sind wir in der Lage, dem Wettbewerb standzuhalten. Aber unser Vorsprung sinkt.

Sie haben mal gesagt, die Mitarbeiter sollten Spaß an der Arbeit haben. Kann das funktionieren, wenn die Leute ständig lesen und hören, sie seien zu teuer und arbeiteten zu wenig?

Ich weiß sehr wohl, dass unsere Mitarbeiter das wertvollste Betriebskapital sind. Die Fähigkeiten und die Arbeit der Mitarbeiter haben uns dahin gebracht, wo wir heute sind – an die Weltspitze.

Ihre Firma ist in der Holzbearbeitung Weltmarktführer, trotzdem sollen Ihre Mitarbeiter für den gleichen Lohn länger arbeiten.

Wir müssen unsere Zukunft sichern, indem wir unsere Leistung erhöhen und unsere Ressourcen effizienter und länger nutzen. Das schließt die Mitarbeiter mit ein. Wir haben es immer stärker mit neuen Wettbewerbern auch aus Billiglohnländern zu tun, weshalb wir Aufträge im erheblichen Umfang verlieren. Allein wegen des Preises. Mit mehr Leistung, zum Beispiel durch längere Arbeit, werden wir wettbewerbsfähiger und können mit einer anderen Preiskalkulation Aufträge reinholen, die wir sonst an Wettbewerber verlieren.

Gibt es dafür Belege?

Ja. Wir haben bei Leitz 1997 ein Bündnis für Arbeit abgeschlossen, um in einer konjunkturell schwierigen Zeit keine Arbeitsplätze abbauen zu müssen. Dabei haben wir die Arbeitsplätze garantiert, die Ausbildungsquote über zehn Prozent gehalten und Azubis übernommen.

Und was haben Sie bekommen?

Die Mitarbeiter haben 70 Arbeitsstunden im Jahr dafür eingebracht. Wir haben im Jahr 2000 versucht, das Bündnis zu verlängern, aber die IG Metall hat nicht mitgespielt. Immerhin war es so, dass wir nach den drei Bündnisjahren 150 Arbeitsplätze mehr hatten. Seitdem müssen wir sehen, dass wir die Produkte dort herstellen, wo das rentabel möglich ist, und das ist an unseren ausländischen Standorten eher gewährleistet.

Dabei gehört zu den vorrangigen Aufgaben eines Unternehmers, so haben Sie mal gesagt, die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.

Ich bin der Meinung, dass Unternehmer nicht nur Ertrag erwirtschaften sollen, sondern auch gesellschaftliche Verantwortung tragen. Dazu gehört ein Beitrag zur Lösung der Beschäftigungskrise.

Aber wie?

Es wird nicht möglich sein, alle Produkte auch künftig in Deutschland zu produzieren. Aber wir müssen versuchen, durch Innovation möglichst viel an neuen Produkten einzuführen, damit wir das, was wir an unsere Wettbewerber verlieren, zumindest ausgleichen können. Wir sind in einem Reorganisationsprozess unserer Gesellschaft, und dieser Prozess wird von Menschen beeinflusst, indem sie etwas tun oder etwas unterlassen. Für mich persönlich heißt das, alles zu tun, um unsere Industrie zu stärken.

Bekommen wir bessere Bedingungen für Beschäftigung, wenn der Einfluss der Gewerkschaften reduziert wird?

Wir brauchen handlungsfähige Gewerkschaften. Doch wir haben das Problem, dass die IG Metall die Wettbewerbsbedingungen, die uns von außen aufgezwungen werden, noch nicht zur Kenntnis genommen hat und sich deshalb schwer tut bei der Stärkung des Standorts.

Sind Sie deshalb der Meinung, dass die Mitbestimmung „mehr schadet als nutzt“?

Die Mitbestimmung gehört auf den Prüfstand, aber das Hauptproblem ist die Fremdbestimmung. Wir erleben immer wieder, dass die Gewerkschaft von außen Sanierungsmaßnahmen blockiert, auf die sich die Betriebsparteien bereits geeinigt haben. Das kann so weit gehen, dass die Firma Insolvenz anmelden muss. Wenn es darum geht, die Arbeitswelt im Unternehmen zu bestimmen, müssen Geschäftsleitungen und Belegschaften mehr Freiheiten bekommen. Sie müssen Vereinbarungen auch ohne Zustimmung der Tarifparteien treffen können, damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit gewährleistet bleibt.

Die Schutzfunktion des Flächentarifs ginge dabei verloren.

Wir brauchen den Flächentarif als Dach, unter dem die Mindestbedingungen für alle geregelt sind. Aber Abweichungen, die notwendig sind, müssen möglich sein, so zum Beispiel bei der Arbeitszeit. Dabei geht es übrigens nicht um eine generelle Verlängerung der Arbeitszeit; das sollte vielmehr in jedem Unternehmen mit der Belegschaft geklärt werden.

Viele Gewerkschafter meinen, dass es den Firmen nur um eine höhere Rendite zu Lasten der Beschäftigten geht.

Ich habe den Eindruck, dass es viele Unternehmer gibt, die eine weit höhere Rendite erzielen könnten, wenn es ihnen nicht auch darum ginge, Arbeitsplätze in Deutschland zu halten. Aber das wird kaum wahrgenommen. Wir haben ein Informations- und Kommunikationsproblem. Ich sehe mit Sorge den Verfall von Autorität der großen Organisationen in den letzten Jahren: Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, Unternehmen. Auch wegen des Umgangs miteinander haben alle an Vertrauen verloren.

Hat sich das deutsche Modell der Sozialpartnerschaft überlebt?

Nein, Sozialpartnerschaft ist noch zeitgemäß. Unsere Gesellschaft braucht Gemeinsinn und Bürgersinn. Wir können nicht auf Werten aufbauen, bei denen sich jeder im Vordergrund sieht. Um den Wohlstand zu sichern, müssen wir uns bei den Innovationen unseren Wettbewerbsvorteil sichern. Bildung, Ausbildung und Weiterbildung ist deshalb ein Schlüsselfaktor. Das Bildungssystem muss lebenslanges Lernen ermöglichen, damit unsere Mitarbeiter auch im höheren Alter arbeitsmarktfähig sind.

Da sind aber auch die Unternehmer gefordert.

Ja. Wir brauchen natürlich bessere Rahmenbedingungen durch die Politik. Aber ich bin zutiefst überzeugt, dass unser Land im Wesentlichen von den Unternehmern voranzubringen ist.

Das Gespräch führte Alfons Frese.

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