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Wirtschaft: Die USA hat sie erneut angehoben, doch hierzulande wartet man auf den eigentlichen Aufschwung (Leitartikel)

Die Leitzinsen in den Vereinigten Staaten sind zum zweiten Mal in diesem Jahr angehoben worden. Das berührt uns auch in Europa.

Die Leitzinsen in den Vereinigten Staaten sind zum zweiten Mal in diesem Jahr angehoben worden. Das berührt uns auch in Europa. Die internationale Zinslandschaft hat sich verändert, und es ist zu fragen, ob man gut daran täte, dem amerikanischen Schritt zu folgen.

Geld wird in den USA also nochmals um ein viertel Prozent teurer. Das entspricht den Erwartungen. Die Märkte haben deshalb bisher kaum reagiert. Was erwartet wird, ist immer schon in den Kursen berücksichtigt. Die Motive dafür, die Zinsen zu erhöhen und damit Geld teurer zu machen, sind in den USA die gleichen wie in Deutschland: Kampf für Geldwertstabilität und gegen die Inflation. Kaum etwas ängstigt die Bürger so wie die Entwertung ihrer Ersparnisse. Die Erfahrungen aus der Weltwirtschaftskrise mit der galoppierenden Inflation wirken noch immer nach.

In den letzten Jahren waren die Amerikaner mit ihrem "way" der Geldpolitik auffallend erfolgreich: Wachstum bei geringer Inflation. Das ist keine Garantie dafür, dass dies anhält. Aber die ausgewiesene Preissteigerungsrate ist weiterhin niedrig. Das Wachstum hat sich im zweiten Quartal deutlich abgeschwächt. Aber Engpässe am Arbeitsmarkt und steigende Energiepreise gelten für die Notenbank als Alarmzeichen. Im Grunde aber zielt der jüngste Schritt weniger darauf, die aufregend lebendige amerikanische Wirtschaft zu bremsen. Alan Greenspan möchte die überschäumenden Aktienbörsen deckeln. Er befürchtet, diese Blase könnte platzen.

Zweifel sind angebracht, ob die Euphorie der Börsianer mit diesem Zinsschritt nachhaltig gestört wird. Aber es ist nicht ausgeschlossen, daß die amerikanische Wirtschaft nach mehr als neun Wachstumsjahren mitten in einer Phase der Verlangsamung durch die Zinsanhebung nun zu stark gebremst wird. Es ist deshalb auch doppelt fraglich, ob die Europäische Zentralbank sich dem amerikanischen Zinsschritt anschließen sollte. Anders als in den USA warten wir in Europa noch immer auf den eigentlichen Aufschwung. Die jüngsten Kommentare der Bundesbank lassen zumindest die Hoffnung wachsen, dass die lange Wirtschaftsflaute in Deutschland nun endlich beendet ist. Die langfristigen Zinsen sind auch in den europäischen Ländern wieder auf dem Weg nach oben.

Heute muss der Rat der Europäischen Zentralbank bei seiner ersten Sitzung nach der Sommerpause darüber entscheiden, ob er auch die Leitzinsen erhöht. Er steht dabei nicht unter einem besonderen politischen Druck, anders als die Bundesbank, als sie von Oskar Lafontaine zur Zinssenkung "überredet" werden sollte und sich in ihrer Unabhängigkeit bedroht fühlte. Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank ist im Maastricht-Vertrag formal gut abgesichert. Sie ist nicht dem Druck einer einzigen - ihrer - Regierung ausgesetzt. Unter ihrem Präsidenten Wim Duisenberg wird sie vermutlich "amerikanischer" agieren als die Bundesbank. Aber mit der Unabhängigkeit ist auch das Risiko von Irrtümern verbunden. Vor fünf Jahren hat die Deutsche Bundesbank nach einer zu großzügigen Tarifrunde mit einer kräftigen Leitzinserhöhung die mühsam auf Erholung gestimmte deutsche Wirtschaft förmlich "ausgebremst". Der Dämpfer für das Wachstum in Europa wirkt noch heute nach. Es ist zu wünschen, dass die Europäische Zentralbank einen solchen Fehler, wie ihn die Bundesbank damals machte, nicht wiederholt. Der deutschen Wirtschaft und den meisten europäischen Nachbarländern täte eine weitere Zinsanhebung in einer Phase, in der die Konjunktur gerade wieder langsam an Fahrt gewinnt, nicht gut.

Heik Afheldt

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