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Wirtschaft: Die zweite Chance

2500 Jugendliche sollen doch noch Lehrstellen erhalten. Dafür legen sich die Berliner Kammern ins Zeug

Berlin - „Stellen als Bäcker kann ich Ihnen auf jeden Fall anbieten, beim Konditor sieht es eher schlecht aus“, antwortet Gabriela Wegner, Berufsberaterin der Arbeitsagentur Berlin, als Klaus Wowereit fragt, ob es denn noch offene Lehrstellen für diese Berufe gebe. Der Regierende Bürgermeister besuchte am Dienstag eine Nachvermittlungsaktion für Jugendliche ohne Ausbildungsplatz. Die Arbeitsagenturen, die Handwerkskammer (HWK) und die Industrie- und Handelskammer (IHK) haben dafür 2500 junge Menschen eingeladen, die in dem bereits begonnenen Ausbildungsjahr ohne Lehrstelle geblieben sind. Die Aktion läuft noch bis Donnerstag.

Auch Madline S. hat noch keine Lehrstelle. Die 17-Jährige hat auf ihrem Realschulzeugnis viele Zweien und Dreien. Zehnmal bewarb sie sich in diesem Jahr erfolglos um eine Stelle als Einzelhandelskauffrau. Das Problem ist eine Prüfungszensur in Mathematik. Hier hat sie eine Fünf. „Gerade im Einzelhandel ist so etwas ein großer Schwachpunkt, das muss Ihnen bewusst sein“, sagt Henning Paulmann, Ausbildungsberater bei der Handwerkskammer. „Mathe war nicht mein Ding“, sagt Madline leise.

Dann wendet sich der Berater ihren Stärken zu. Madline hat in einem Praktikum bei der Supermarktkette Wal-Mart gute Leistungen gezeigt. Ein Jahr mit berufsvorbereitenden Maßnahmen liegt hinter ihr. „Das sind Pfunde, mit denen Sie wuchern müssen“, sagt Paulmann. Schließlich kommt er auf ihren Lebenslauf zu sprechen. Darunter fehlt die Unterschrift. Ein Minuspunkt. Ein weiterer Kritikpunkt sind die angegebenen Hobbys: „Fahrradfahren, Schwimmen und Musik“ klänge viel zu unpersönlich, meint Paulmann. „Die Nachvermittlungsaktion ist in erster Linie dafür da, dass wir den Jugendlichen noch einmal spezielle Angebote mitgeben können, die nicht öffentlich ausgeschrieben sind“, erklärt Berufsberaterin Wegner. In diesem Jahr haben die Kammern mehr als 400 Ausbildungsplätze bei Berliner Betrieben eingeworben, dazu mehr als 300 Stellen für Einstiegsqualifikationen, also bezahlte Praktika mit der Option auf eine Lehrstelle.

„Aber wir geben den Jugendlichen auch noch Bewerbungstipps mit“, sagt Wegner weiter. Madline erhält am Ende der Beratung zwei Adressen, bei denen eine Bewerbung aussichtsreich sein könnte.

Handwerkskammerpräsident Stephan Schwarz zieht eine positive Bilanz. Im vergangenen Jahr seien mit 5000 Jugendlichen rund doppelt so viele eingeladen worden wie in diesem Jahr, sagt Schwarz. Das deute auf eine Entspannung auf dem Lehrstellenmarkt hin. Auch dass wie in den vergangenen Jahren nur etwa 35 Prozent der Eingeladenen erscheinen, vermiest Schwarz nicht die Laune. „Die Chance, dass wir bei den rund 800 angebotenen Plätzen dann wirklich jeden vermitteln, der zu uns kommt, ist groß.“

Redseliger als Klaus Wowereit sollten die Bewerber in der Nachvermittlungsaktion allerdings sein. „Er war weder bereit, mir seinen Schulabschluss zu nennen, noch seinen Notendurchschnitt“, sagt Wegner. A. Wragge/Y. El-Sharif

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