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Wirtschaft: DieBerliner Wirtschaft bleibt vorerst Schlußlicht bei den Wachstumsraten

Der Zusammenbruch der Industrie trifft die Region mit voller WuchtVON BARBARA GILLMANNSeit 1991 haben sich die Industriearbeitsplätze in Berlin halbiert.ImWestteil der Stadt ist die Arbeitslosenquote inzwischen noch höher als imOstteil.

Der Zusammenbruch der Industrie trifft die Region mit voller WuchtVON BARBARA GILLMANN

Seit 1991 haben sich die Industriearbeitsplätze in Berlin halbiert.ImWestteil der Stadt ist die Arbeitslosenquote inzwischen noch höher als imOstteil.Aufwärts wird es mit der Wirtschaft in der Hauptstadt auch indiesem Jahr nicht gehen: Die Industrie- und Handelskammer erwartet beimWachstum "allenfalls eine schwarze Null".Damit bleibt Berlin Schlußlicht:Im vergangenen Jahr betrug das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts in ganzDeutschland immerhin noch 1,4 Prozent, im Westen 1,3, im Osten 2,0 - inBerlin waren es minus 0,7 Prozent.Damit setzt sich ein Trend fort: Seit Jahren liegen die Wachstumsraten imWestteil Berlins unter denen der alten Bundesländer insgesamt, und die desOstteils unter dem Wert der neuen Länder.Ganz anders im NachbarlandBrandenburg: Dort legte die Wirtschaft 1996 um 3,1 Prozent zu - derSpitzenplatz unter den neuen Ländern.Relativ gesehen wurden auch diemeisten Gewerbe in Brandenburg angemeldet.Auch die Wirtschaftsleistung proErwerbstätigem von 47 346 DM wurde im Osten nicht überboten.Wie großjedoch der Nachholbedarf immer noch ist, zeigt der Vergleich mit demWesten: Dort waren es mit 98 600 DM durchschnittlich gut doppelt soviel.In absoluten Zahlen schneidet hier Berlin nicht ganz so schlecht ab: imOstteil waren es mit 58 800 DM deutlich mehr als im Nachbarland, derWestteil liegt mit 94 000 DM knapp unter dem Schnitt der alten Länder.DieArbeitslosenquoten sind in der gesamten Region besorgniserregend hoch: Amhöchsten ist sie in Brandenburg mit 18,8 Prozent.In Berlin sind es imWestteil 17,6, im Ostteil 16,2 Prozent.Der Westteil liegt vor allemdeshalb zurück, weil nach wie vor viele Arbeitskräfte aus dem Ostteil undBrandenburg in den Westteil pendeln.Um keinen Unmut zu schüren, ist diesaber in der Berliner Politik öffentlich kein Thema.Die Berliner Wirtschaft hat einen dramatischen Verlust vonIndustriearbeitsplätzen hinter sich: Seit 1991 hat sich ihre Zahl von 256000 auf 130 000 fast halbiert.Jetzt sind es nur noch gut zehn Prozent derinsgesamt 1,2 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.Alleinin der Elektrotechnik ging die Zahl der Mitarbeiter um 57 Prozent auf jetztnoch 38 000 zurück.Und die Talsohle ist noch nicht erreicht: Für diesesJahr wird ein Verlust von weiteren 10 000 bis 30 000 Arbeitsplätzen in derIndustrie erwartet.Viele Unternehmen schließen, wandern nach Brandenburg ab oder sogar nachWestdeutschland.Die Dienstleister sind noch lange nicht in der Lage, dieLücke zu füllen.Doch es gibt einige helle Stellen am düsteren BerlinerKonjunkturhimmel: Die Hoffnung gilt vor allem der Verkehrstechnik, derUmwelttechnik, der Medizintechnik sowie der Informations- undKommunikationstechnik, beispielsweise der Filmproduktion.Über die ganze Breite ist die Berliner Wirtschaft jedoch von einem"außerordentlich bedenklichen" Mangel an Innovationsbereitschaft geprägt,bescheinigte ihr jüngst das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung.Mangelnde Dynamik zeigt sich auch an der geringen Nachfrage nach dem neuenMeisterbafög: Statt der erwarteten 5000 haben bislang erst 850 Geselleneinen Antrag gestellt.Als ein Grund gilt das Chaos in der Verwaltung: Die ersten Antragstellermußten ein halbes Jahr auf ihr Geld warten.Womit wir beim schlechtenVerhältnis zwischen der Berliner Wirtschaft und ihren Politikern wären.DieUnternehmer fühlen sich unverstanden und durch zu hohe Abgaben gegängelt,die Regierung sei den Anforderungen im Nach-Wende-Berlin nicht gewachsen.In der Tat ist die Berliner Politik vor allem mit dem Gezänk in der großenKoalition und mit der Finanzkrise beschäftigt.Das Publikum nimmt diegegenseitigen öffentlichen Beschimpfungen schon nicht mehr ernst.Für Brandenburg gilt wie für alle neuen Länder, daß der Aufschwung 1996einen kräftigen Dämpfer bekam.Vor Jahresfrist war man noch überzeugt, daßbei der Beschäftigung die Trendwende geschafft sei, seit 1994 war die Zahlder Erwerbstätigen gestiegen.Doch 1996 kam der Einbruch: Im Mittel warenweniger Menschen in Arbeit als 1993.Sorgenkind ist nach wie vor die Industrie: Sie bietet lediglich 92 000 voninsgesamt knapp 900 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten einenJob.Das liegt hauptsächlich am massiven Rückgang im Bergbau, der dieBelegschaften wie schon im Vorjahr um ein Drittel abgebaut hat.Auch infast allen anderen Industriezweigen ging die Zahl der Arbeitsplätze 1996zurück.Eine Ausnahme bilden die Gebrauchsgüterproduzenten: Dort ging derUmsatz um 33 Prozent in die Höhe, die Beschäftigung konnte immerhin umzweieinhalb Prozent ausgebaut werden.Doch die Aussichten für die gesamte Industrie sind schlecht: DerAuftragseingang lag Ende 1996 um fast neun Prozent unter dem Vorjahr.Vorallem für die Bauwirtschaft steht weitere Schrumpfung an.Für alle Bereichegilt das Fehlen eines breiten Fundaments im Mittelstand.Insgesamt ist dieIndustrie also weit davon entfernt, eine tragende Säule derWirtschaftsentwicklung zu sein.Die Dienstleistungen sind immerhin imAufbau.Im Gegenzug sinkt die Bedeutung des Staates bei der Beschäftigung.Nach den jüngsten Zahlen liegt sein Anteil aber immer noch um ein Fünftelüber dem West-Standard.

BARBARA GILLMANN

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