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Dienstleistungsgewerkschaft: Verdi verliert Mitglieder

Trotz sinkender Beiträge hat die Gewerkschaft Verdi ihre Finanzen im Griff. In diesem Jahr rechnet sie erstmals seit Jahren mit einem leichten Überschuss. Sorge machen der Gewerkschaft einzelne Gruppen wie Lokführer, die separat Verhandlungen führen.

Berlin - Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi verliert weiter Mitglieder, kommt aber bei der Sanierung der Finanzen voran. Im vergangenen Jahr gab es erstmals seit Jahren mit 4,9 Millionen Euro wieder einen Haushaltsüberschuss, und auch 2007 erwartet Finanzvorstand Gerd Herzberg ein „leichtes Plus“. „Die Haushaltskonsolidierung ist gelungen“, sagte Herzberg, der auch stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft ist, dem Tagesspiegel. Dabei sei „die Mitgliederentwicklung nach wie vor nicht zufriedenstellend, wir haben den Turnaround noch nicht erreicht“. Die Themen Mitglieder und Finanzen werden auch Gegenstand des Bundeskongresses der Gewerkschaft sein, der am kommenden Wochenende in Leipzig beginnt.

Im vergangenen Jahr nahm Herzberg 415 Millionen Euro an Mitgliedsbeiträgen ein, im laufenden Jahr rechnet er wegen der Austritte nur noch mit knapp 405 Millionen Euro. Die Zahl der Mitglieder hat sich Herzberg zufolge Mitte 2007 auf 2,23 Millionen verringert, alles in allem dürfte Verdi in diesem Jahr knapp drei Prozent verlieren. Bei der IG Metall, der größten deutschen Gewerkschaft, rechnet man in diesem Jahr nur noch mit einem Rückgang um gut ein Prozent auf 2,30 Millionen.

Auf dem einwöchigen Verdi-Kongress in Leipzig, der unter dem Motto „Gerechtigkeit, Würde, Solidarität“ steht, wählen die gut 1000 Delegierten auch einen neuen Vorstand. Unumstritten an der Spitze, stellt sich der Vorsitzende Frank Bsirske zur Wiederwahl. „Bsirskes großes Verdienst ist es, die Flügel einzubinden, es gibt in Verdi keine Flügelkämpfe“, sagte Herzberg über den Vorsitzenden. „Beim Thema gesetzlicher Mindestlohn sind wir gehört worden und sehr weit gekommen“, meinte der Verdi-Vize, der selbst der SPD angehört, über den politischen Einfluss der Gewerkschaft. Er räumte aber auch eine gewisse Nähe zur Linkspartei ein. „Im Spektrum der acht DGB-Gewerkschaften steht Verdi eher links. Das hängt mit den inhaltlichen Positionen zusammen, die wir konsequent vertreten, etwa bei der Ablehnung der Agenda-Politik.“ Dennoch habe Verdi im Verhältnis zur SPD inzwischen „eine sachliche Arbeitsebene gefunden“.

Seit dem Zusammenschluss im Frühjahr 2001 hat Herzberg reichlich Personal abbauen und dabei auch auf die Rücklagen zurückgreifen müssen. Bei der Gründung betrug das Verdi-Vermögen rund 1,5 Milliarden Euro, heute, sechseinhalb Jahre später, sind es einige hundert Millionen weniger. Die IG Metall hat dagegen noch immer knapp 1,5 Milliarden Euro auf der hohen Kante.

Neben den Kosten für den Personalabbau – als Verdi an den Start ging, gab es 4100 Vollzeitstellen, heute sind es noch 2900, darunter 500 in der Bundeszentrale am Berliner Ostbahnhof – haben auch Arbeitskämpfe das Vermögen geschmälert. Der Streik bei der Telekom im Frühjahr hat die Gewerkschaft rund 30 Millionen Euro gekostet. Und im vergangenen Jahr musste Herzberg für den Arbeitskampf im öffentlichen Dienst rund 50 Millionen Euro ausgeben.

Der Verdi-Vize beobachtet mit Sorge, wie einzelne Beschäftigtengruppen, aktuell die Lokführer, im vergangenen Jahr die Ärzte, separate Tarifverhandlungen führen. „Diese Entwicklung beschäftigt uns.“ In der Konsequenz werde Verdi „künftig bestimmten Gruppen, etwa bei Tarifverhandlungen, noch mehr Raum geben. Für spezifische Interessen gilt es, spezifische Lösungen zu finden. Wir werden bei Tarifverhandlungen noch differenzierter vorgehen.“ Alles in allem sei die komplexe Struktur von Verdi mit den 13 Fachbereichen „bestens geeignet, den verschiedenen Gruppen Einfluss zu geben“. Die Großgewerkschaft, unter deren Dach rund 1000 Berufe vertreten sind, habe sich bewährt. „Denn bei Arbeitskämpfen kommt es auf Stärke an, und die leitet sich fast immer aus der Größe der Organisation ab.“

Für die Zukunft wünscht sich Herzberg „neue Formen der Mitgliederansprache“. Der stellvertretende Vorsitzende plädiert dafür, „die Organisation weiterzuentwickeln“, um im Ergebnis zu einer „deutlich besseren Betriebsbetreuung“ zu kommen. Konkret hat er die 86 Bezirke im Blick, quasi die Verdi-Basis. Ferner sollten die Ortsvereine aufgewertet werden, indem sie eigene Haushaltsmittel bekommen. „Man muss in die Betriebe gehen und vor Ort sein.“ Alles in allem sei die Großgewerkschaft, die aus fünf Gewerkschaften gebildet wurde, noch dabei, „aus den alten Kulturen heraus zu einer neuen Kultur zu finden, die auch den neuen Anforderungen gerecht wird“, sagte Herzberg.

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