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Diskriminierung: Eine halbe Million Euro für Gerechtigkeit

Eine Versicherungsverkäuferin verklagt ihre Chefs wegen Diskriminierung auf hohen Schadenersatz. Sie soll nach einer Schwangerschaft von ihrem Arbeitnehmer deutlich schlechter gestellt worden sein.

Berlin - Sule Eisele will nicht mehr Opfer sein. Die 38-Jährige hat deshalb einen Schritt gemacht, den sonst nicht viele gehen – und ihren Arbeitgeber verklagt. Der Grund: Sule Eisele fühlt sich in zweifacher Hinsicht diskriminiert – aufgrund ihres Geschlechts und ihrer Herkunft. Denn Eisele ist zwar Deutsche, aber türkischer Abstammung. Eine halbe Million Euro Schadenersatz und Schmerzensgeld soll Eiseles Arbeitgeber, die R+V Versicherung, nun zahlen. Am gestrigen Montag trafen sich die beiden Parteien erstmals vor Gericht in Wiesbaden. Der Gütetermin scheiterte jedoch.

Doch die Fakten sprächen für sich, sagen Eiseles Anwälte. Demnach soll die Versicherungsverkäuferin nach einer Schwangerschaft im vergangenen Jahr zunächst daran gehindert worden sein, möglichst rasch an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren. Nach dem Mutterschutz sei sie dazu gedrängt worden, Elternzeit zu nehmen, was aber nicht ihrer Planung entsprochen habe. Dann, bei ihrer Rückkehr an den alten Arbeitsplatz, soll Eisele wesentlich schlechtere Arbeitsbedingungen vorgefunden haben als vorher. „So weit würde man bei anderen nie gehen“, sagt Eisele. Darüber hinaus klagt Eisele wegen ethnischer Diskriminierung. Sie ist davon überzeugt, dass ihre türkische Herkunft in dem Fall ebenfalls eine Rolle spielte. Mit der Schadenersatzforderung will sie ihre erlittenen wirtschaftlichen Nachteile ausgleichen, die sich unter anderem aus der strukturell schlechteren Bezahlung von Frauen gegenüber ihren männlichen Kollegen ergebe.

Die Klägerin und ihre Anwälte stützen sich auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das seit August 2006 in Kraft ist und vor Benachteiligungen wegen des Geschlechts, der Herkunft, der sexuellen Identität, der Religion oder einer Behinderung schützen soll. Das Gesetz war schon vor seiner Einführung stark umstritten, weil Wirtschaftsverbände und Unternehmen befürchteten, dass es zum Missbrauch verleite.

Die von Eisele geforderte Höhe der Entschädigung von 500 000 Euro ist für deutsche Verhältnisse tatsächlich ungewöhnlich: Eiseles Rechtsanwalt Klaus Michael Alenfelder, der zugleich Präsident der Deutschen Gesellschaft für Antidiskriminierungsrecht ist, macht jedoch folgende Rechnung auf: Die hohe Entschädigungssumme in ihrem Fall besteht insbesondere aus dem materiellen Schaden. Auf 433 000 Euro summiert sich danach allein die Benachteiligung beim Gehalt gegenüber ihren männlichen Kollegen. Die Lohndifferenz ergebe sich aus einer fundierten Schätzung des sonst bei R+V üblichen Gehalts, erklärt Alenfelder.

Die Versicherung hat sich bislang öffentlich nicht zu dem Fall äußern wollen. Eisele geht davon aus, dass sich der Prozess noch sehr lange hinziehen kann. „Die Gegenseite lehnt jede Art der Einsicht ab. Dabei ist es doch das kleine Einmaleins des Arbeitsrechts, dass eine Frau nach ihrem Mutterschutz an ihren alten Arbeitsplatz zurückkehren kann“, sagt sie. „Zur Not ziehen wir bis vor den Europäischen Gerichtshof.“ Ob es wirklich so weit kommen muss, wird der nächste Termin zeigen. Am 8. Mai trifft man sich vor dem Kammergericht in Wiesbaden. mit HB

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