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Wirtschaft: DIW-Chef wehrt sich

Nach Ausschluss von Konjunkturgutachten soll Minister Glos seine Entscheidung begründen

Berlin - Nach dem Ausschluss des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) von den Konjunkturprognosen für die Bundesregierung hat der Präsident des Hauses, Klaus Zimmermann, massive Vorwürfe gegen das Bundeswirtschaftsministerium erhoben. „Die Entscheidung von Minister Michael Glos ist falsch“, sagte er dem Tagesspiegel. Es gebe eine Kampagne von „Menschen gleicher wirtschaftspolitischer Grundüberzeugung“ in mehreren Institutionen, die dem DIW gegenüber kritisch eingestellt seien. Diese Leute säßen auch im Ministerium und hätten dafür gesorgt, dass das DIW den Zuschlag nicht bekommen habe.

Am Montag hatte das Ministerium bekannt gegeben, dass die Frühjahrs- und die Herbstgutachten in den kommenden drei Jahren von vier Instituten und Arbeitsgemeinschaften erstellt werden sollen. Das Berliner DIW ist nicht dabei. In einer ersten Stellungnahme hatte Zimmermann von einer „linkskeynesianischen Kampagne“ gesprochen, die gegen den Reformprozess am DIW laufe und die Entscheidung beeinflusst habe.

Dafür erntete er am Dienstag Unverständnis. Die frühere Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn, Mitglied im Kuratorium des DIW, sagte auf Anfrage, sie könne Zimmermanns erste Reaktion „nicht nachvollziehen“. Sich auf eine solche verschwörungstheoretische Ebene zu begeben, „steht einem Forschungsinstitut nicht gut zu Gesicht“.

Auch unter DIW-Mitarbeitern gab es Kritik an Zimmermann. Betriebsrat Bernd Bibra sagte, über die Vermutung in der Presseerklärung sei er „nicht glücklich. Die schadet eher, als dass sie uns nützt“. Andere DIW-Mitarbeiter, die anonym bleiben wollten, zeigten sich irritiert über den Kampagnenvorwurf und über die Entscheidung des Ministeriums. Von einem „GAU“, dem größten anzunehmenden Unfall, war die Rede. Mit der Entscheidung habe niemand gerechnet. „Das Geburtshaus der Konjunkturforschung wird ausgeschlossen“, klagte ein Mitarbeiter, nach dessen Einschätzung die Konjunkturabteilung zu schwach besetzt sei. „Die schreiben Aufsätze, können aber keine Konjunkturgutachten machen.“

Kuratoriumsmitglied Bulmahn forderte eine Aufwertung der Konjunkturforschung als „wichtige Abteilung mit entsprechender Personalintensität“. Das DIW brauche eine „starke empirische Forschung als Schlüssel für erfolgreiche Wirtschaftsforschung“. Das Institut könne „auch einmal zu den Verlierern gehören“, sagte Bulmahn, betonte aber dabei die Einmaligkeit. Das Land Berlin, das auch im Kuratorium des DIW vertreten ist, äußerte sich ähnlich. Es müsse bei einem solchen Prozess auch Verlierer geben, sagte ein Sprecher von Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD). „Wir haben keinen Anlass, an der Qualität des DIW zu zweifeln.“

Zimmermann wies die Kritik zurück. An seiner Formulierung habe er nichts zu korrigieren. In der öffentlichen Diskussion werde mit keinem Haus so kritisch umgegangen wie mit seinem Institut. Zimmermann forderte vom Wirtschaftsministerium, die Entscheidung gegen sein Haus zu begründen. „Wir fordern glasklare Transparenz. Ich will wissen, wie diese Entscheidung zustande kam und wie die offizielle Begründung dafür lautet“, sagte er. Bei einer sauberen Grundlage gebe es „kein Problem“. Anderenfalls werde das DIW juristische Schritte prüfen.

Kritik an der Arbeit der Konjunkturabteilung, wie sie aus anderen Häusern gekommen war, wies Zimmermann zurück. Sie habe zuletzt weitaus mehr Fachartikel publiziert als die Konkurrenz. Veröffentlichungen gelten – neben Beratungsaufträgen aus der Politik – als Qualitätsparameter für die Arbeit der Institute. Führende Wissenschaftler bei DIW-Konkurrenten sagten allerdings, diese Rechnung sei „grob falsch“ und nicht nachvollziehbar.

Das DIW wurde 1925 als „Institut für Konjunkturforschung“ gegründet und später umbenannt. Vor wenigen Tagen zog es aus Dahlem nach Mitte. Dieser Schritt soll das Haus näher an die Entscheidungsträger in Politik und Verbänden bringen. Zudem gründete das DIW eine Beratungsfirma, die mit Aufträgen aus der Privatwirtschaft Geld verdienen soll.

Zur Zukunft der Konjunkturforschung am DIW sagte Zimmermann, die Entscheidung sei ein „schwerer Rückschlag“ für die Abteilung, nicht aber für das gesamte Institut. Es gingen Mittel verloren, die vier Forscherstellen oder einem Drittel der Abteilung entsprächen. Man werde sehen, wie dies aufzufangen sei, etwa durch die verstärkte Einwerbung von Drittmitteln. „Wir haben nicht vor, die Konjunkturabteilung zu schließen.“

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