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Wirtschaft: Dosenpfand: Kleine Brauer ziehen in den Dosenkrieg

Die Passanten an der Münchner Nobelmeile Maximilianstraße wirkten verstört. "Da hat einer geheiratet," vermutete ein Einheimischer mit Blick auf die Kette von Bierdosen, die ein Lastwagen scheppernd hinter sich her zieht.

Die Passanten an der Münchner Nobelmeile Maximilianstraße wirkten verstört. "Da hat einer geheiratet," vermutete ein Einheimischer mit Blick auf die Kette von Bierdosen, die ein Lastwagen scheppernd hinter sich her zieht. Weit gefehlt. Mit dem über 100 Getränke-Lkw langen Konvoi, der sich vergangene Woche durch Münchens Zentrum quälte, machten mittelständische Brauer der bayerischen Landesregierung unüberhörbar klar, dass sie sich dem geplanten Dosenpfand nicht verweigern soll. Ministerpräsident Edmund Stoiber und seine Regierung dürften das umstrittene Zwangspfand im Bundesrat nicht zu Fall bringen, forderte der Präsident der mittelständischen Brauer, Hans Schinner.

Die Mittelständler, als deren Lobby sich die CSU sonst versteht, reagierten äußerst gereizt auf die Dosen-Philosophie der bayerischen Regierungspartei. "Der Stoiber ist doch eindeutig geschmiert worden von der Dosenindustrie," wetterte der Chef der Hohentanner Schlossbrauerei, Klaus Rauchenecker. Doch längst nicht alle Brauer finden die Dosenbepfandung gut. Große Braukonzerne wehren sich vehement gegen die Pläne von Bundesumweltminister Jürgen Trittin. Der will ab 2002 für Bier- und Wasserdosen 50 Pfennig Zwangspfand erheben, um quasi per Abschreckung den Anteil von Mehrwegverpackungen im Getränkehandel wieder auf die in der Verpackungsverordnung vorgesehenen 72 Prozent zu bringen.

Ohne Pfand 30 000 Stellen weniger

In dieser Frage geht ein Riss durch die Branche. Trittins Vorlage weise große Lücken auf und könne gegenteilige Effekte zum Schaden von Mehrwegflaschen haben, warnt einerseits der bayerische Brauerbund. Andererseits muss ein Verbandssprecher einräumen, dass bei der Trittin-freundlichen Demo auch eigene Mitglieder mitmarschiert seien. Das liege aber an mangelhafter Information einzelner Brauer und nicht an echten Meinungsverschiedenheiten. Angeblich ist der Verband aber erst auf massiven Druck Münchner Großbrauereien zu seiner Trittin-kritischen Haltung gelangt.

Ohne Einführung des Dosenpfands stünden allein in Bayern 30 000 Arbeitsplätze auf dem Spiel, hatte Verbandspräsident Gerhard Ohneis erst vor gut zwei Wochen gewarnt. Natürlich habe man auf die Haltung des Brauerbunds eingewirkt, räumte indessen Axel Meermann als Chef der führenden Münchner Paulaner-Brauerei ein. Er sei zwar gegen Dosen, weil sie als exklusives Instrument für Dumpingangebote dienen, die das Bier-Image schädigen. Trittins Strategie sei aber falsch, weil daraus ein "Verkaufsförderprogramm für die Dose" resultiere. Denn der Lebensmittelhandel wolle keine zwei Mehrwegsysteme und werde deshalb Flaschenbier auslisten.

Große gegen kleine Brauer

Der Bundesverband mittelständischer Privatbrauereien in Limburg hat eine andere Meinung. "Beim Zwangspfand gehen die Interessen von großen Bierkonzernen und kleinen Brauern eklatant auseinander", stellt Geschäftsführer Roland Demleitner klar. Die Großen seien aus seiner Sicht diejenigen, die mit Billigofferten von einem halben Liter Dosenbier zu 49 Pfennig den Preiskrieg anheizten. Kleine Brauereien würden dagegen kaum in Dosen abfüllen, hätten zusammen mit dem Handel in den vergangenen Jahren drei bis fünf Milliarden Mark in den Aufbau eines Mehrwegsystems investiert und würden deshalb besonders unter dem Dumping aus der Dose leiden.

So wird aus dem jahrelangen Bierkrieg nun ein Dosenkrieg. Dabei hätte die Bierbranche positive Impulse dringend nötig. Zwar trinkt außer Tschechen und Iren weiterhin niemand mehr Gerstensaft als die Deutschen. Allerdings ist der heimische Pro-Kopf-Verbrauch seit Jahren rückläufig. Im Vorjahr sank er um zwei Maß auf 125,5 Liter Bier pro Bundesbürger. Seit 1995 sank der Branchenumsatz von 20 auf 18 Milliarden Mark. Weil der schrumpfenden Nachfrage ein fast unvermindertes Angebot gegenübersteht, sprechen Experten von 30 bis 40 Prozent Überkapazität. Die Folge: Verdrängungswettbewerb und Preisdumping.

Erschwerend kommt dazu, dass der deutsche Biermarkt wie kein zweiter zersplittert ist. Von den 1270 Brauern, die zusammen 4000 Biermarken herstellen sind 737 Kleinbetriebe mit weniger als 5000 Hektolitern Ausstoß. Diese lokalen Größen verteidigen eisern den engen Heimmarkt. Oft sei das nur möglich, weil sie von der Substanz leben, sagte der Geschäftsführer des Deutschen Brauer-Bunds, Hans-Jörg Bosch. Er ist skeptisch, ob das Bierdumping mit einem Zurückdrängen der Dose in den Griff zu bekommen ist. "Flaschenbier wird ebenfalls zu Schleuderpreisen angeboten." Die Biertrinker könnten den Dosenstreit durch ihr Kaufverhalten entscheiden. Ein Münchner Biergartengast macht den Anfang. "Ich kenne nur Fisch in Dosen, in Bayern trinkt man Bier aus dem Krug."

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