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Hohe Zinsen und steigende Baukosten lähmen den Wohnungsbau in Deutschland.

© dpa/Rolf Vennenbernd/Bearbeitung Tagesspiegel

Drastischer Wohnungsmangel: Wie viel neuen Wohnraum kann der Bund 2024 schaffen?

Vom Ziel der Bundesregierung, 400.000 Wohnungen pro Jahr zu schaffen, ist man hierzulande weit entfernt. Drei Experten erklären, was sie für kommendes Jahr erwarten.

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Bauen ist nicht zuletzt aufgrund der höheren Zinsen sehr viel teurer geworden. Hinzu kamen unter anderem höhere Baukosten und Fachkräftemangel. In der Folge sinke bei gleichzeitig wachsender Nachfrage die Neubauzahlen.

Wie viele Neubauten kann der Bund 2024 schaffen? Drei Fachleute geben dazu ihre Einschätzung ab. Alle Folgen von „3 auf 1“ finden Sie hier.


Giftmix aus stark gestiegenen Bau- und Finanzierungskosten

Der Giftmix aus stark gestiegenen Bau- und Finanzierungskosten hat wie erwartet vor allem im Wohnungsbau seine Spuren hinterlassen. Für 2023 rechnen wir mit einer Fertigstellung von 271.000 Wohneinheiten (WE). Im kommenden Jahr erwarten wir nach derzeitigen Investitionsbedingungen nur noch die Fertigstellungen von 235.000 WE.

Dabei ist der Wohnraumbedarf riesig; es mangelt allein an Aufträgen. So rückt nicht nur das unstrittige Ziel der Ampel von 400.000 WE pro Jahr in weite Ferne. Im Wohnungsbau drohen Kurzarbeit und Beschäftigungsabbau. Deswegen brauchen wir schnellstens Planungssicherheit. Nichts schadet einer Investitionsbranche wie der Bauwirtschaft mehr als unklare und sich ständig ändernde Rahmenbedingungen. Förderstopps lösen Verunsicherung und Attentismus bei den Bauwilligen aus.

Wir fordern daher schnellstens Planungssicherheit, Investitionsanreize, ein Zinsstützungsprogramm beim EH-55-Standard sowie eine Lösung für die Umsetzung der degressiven Abschreibung im Vermittlungsausschuss.


Die Politik hat bislang keine Lösungen auf den Tisch gelegt

Nach vier Jahren mit Fertigstellungszahlen jenseits der Marke von 290.000 Wohneinheiten dürften 2023 nur rund 270.000 Vorhaben abgeschlossen worden sein. Auf diesen Dämpfer werden in den kommenden Jahren weitere folgen. So ist für 2024 von lediglich 225.000 Fertigstellungen auszugehen.

Die Entwicklung der Baugenehmigungen spricht eine deutliche Sprache. In den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres wurden 42 Prozent weniger Wohnungen in neuen Ein- und Zweifamilienhäusern bewilligt als im Vergleichszeitraum des Jahres 2022. Bei den Mehrfamiliengebäuden (einschließlich Wohnheimen) betrug das Minus 26 Prozent. Zusammen mit den übrigen Wohnungsgenehmigungen (z. B. in Bestandsbauten), deren Zahl sich um 6 Prozent verringerte, war bis September 2023 ein Rückgang um insgesamt 32 Prozent zu verzeichnen.

Die Politik hat bislang keine Lösungen auf den Tisch gelegt, die den Wohnungsneubau nach dem Zins- und Baukostenschock in der Breite wieder attraktiv oder rentabel machen würden. Der Versuch, über einen sogenannten Gebäudetyp E Teile der eigentlich gültigen Vorgaben zu umgehen, mutet dabei wie eine politische Bankrotterklärung an. Derweil werden die Herausforderungen für die im Wohnungsbau tätigen Rohbaufirmen 2024 weiter zunehmen, weil die Auftragspolster in den vergangenen Monaten erheblich geschrumpft sind.


Immer weiter abnehmende Wohnungsbauzahlen

Es bewahrheitet sich, wovor wir seit weit mehr als einem Jahr wieder und wieder warnen: Unter den aktuellen politischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen können die sozial orientierten Wohnungsunternehmen nicht mehr in bezahlbaren Wohnungsbau investieren. Statt des Regierungsziels von 400.000 neuen Wohnungen muss mit immer weiter abnehmenden Wohnungsbauzahlen bis zu einer Fertigstellungszahl von nur 200.000 neuen Wohnungen jährlich gerechnet werden.

Wie eine neue Umfrage unter unseren Unternehmen zeigt, verschlimmert sich die Lage weiter: 2024 sind weitere 22 Prozent und 2025 sogar 38 Prozent der bereits eingedampften Neubaupläne nicht realisierbar. Über zwei Drittel der GdW-Wohnungsunternehmen werden in den kommenden beiden Jahren nach gegenwärtiger Lage gar keine Wohnungen mehr errichten können.

Der bezahlbare Wohnungsbau befindet sich im freien Fall. Die Politik muss ihre eigenen Ansprüche endlich mit den bestehenden Möglichkeiten in der Realität zusammenbringen und auf allen staatlichen Ebenen alle Register für bezahlbaren und klimaschonenden Wohnungsbau ziehen. 

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