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Wirtschaft: Eichel muss für das Defizit alleine geradestehen

Unionsländer wollen sich nicht an eventuellen Strafen wegen des Bruchs des Stabilitätspaktes beteiligen – ihre Etats seien in Ordnung

Berlin – Die Bundesländer stehen nach der Steuerschätzung in diesem Jahr besser da als der Bund. Der Grund: Sie haben zum Teil vorsichtiger kalkuliert oder schon früher zusätzliche Sparmaßnahmen umgesetzt. Da nun aber wegen der höheren Neuverschuldung ein Konflikt mit der EU-Kommission wegen Nichteinhaltung des Stabilitätspaktes samt Strafzahlung droht, streiten Bund und Länder über die Folgen. Die Länder wollen im Fall des Falles nicht zahlen.

Der Stabilitätspakt schreibt vor, dass die jährliche Neuverschuldung nicht über drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes steigen darf. Die amtliche Steuerschätzung hatte ergeben, dass der Staat bis 2007 mit 61 Milliarden Euro weniger Steuern auskommen muss als geplant. Auf den Bund entfallen dabei gut 40 Milliarden, auf die Länder gut 28 Milliarden.

Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) hatte nicht ausgeschlossen, dass Deutschland auch 2005 die europäische Defizitgrenze reißen wird. Das wäre das vierte Mal in Folge. Gegen Deutschland läuft bereits seit vergangenem Jahr ein so genanntes Defizitverfahren, bei dem auch Milliardenstrafen auferlegt werden können. Damit es dazu kommt, muss eine Mehrheit der europäischen Finanzminister einem entsprechenden Vorschlag der Kommission zustimmen. Im vergangenen Herbst waren Berlin und Paris wirtschaftspolitischen Auflagen entkommen, weil ihre Kollegen im Ministerrat gegen die Kommission gestimmt hatten. Bleibt Deutschland aber langfristig der größte Haushaltssünder, könnte sich die Mehrheit ändern. Die Kommission wird erst im Juni zum deutschen Haushalt Stellung nehmen, wenn Eichel seinen Etat aufgestellt hat, sagte eine Kommissionssprecherin dem Tagesspiegel. Stelle man einen erneuten Verstoß fest, werde die Kommission weitere Schritte im Defizitverfahren gehen.

In die Defizitberechnung fließen die Schulden von Bund, Ländern und Kommunen ein. Die Unionsländer Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen wollen sich nicht an Strafzahlungen an Brüssel beteiligen. Sie sind der Ansicht, der Bund trage die alleinige Verantwortung für die Haushaltslöcher. Bayerns Staatskanzleichef Erwin Huber (CSU) sagte, das Defizit Bayerns liege bei nur 1,5 Prozent. Damit schaffe sein Land Verschuldungsspielraum für andere. Schleswig-Holsteins Finanzminister Ralf Stegner (SPD) sagte dem Tagesspiegel, es sei in der Tat schwierig für die Länder, solche Zahlungen aufzubringen. Doch wer wie die Unionsländer im Bundesrat Obstruktion betreibe und Maßnahmen verhindere, die das Defizit verringern würden, könne solche Forderungen nicht erheben. Bremens Bürgermeister Henning Scherf (SPD) sagte dieser Zeitung, es sei jetzt „keine Zeit für Schwarze-Peter-Spiele“. Mit Strafzahlungen, die letztlich Ausdruck der Haushaltsnot seien, würden die Länder aber noch weiter „in die Not geschubst“. Laut Scherf sollen sich Bund und Länder gemeinsam darum bemühen, mit Brüssel einen Ausweg aus dem Dilemma zu suchen.Auch andere EU-Länder hätten ähnliche Etatprobleme wie Deutschland. Für 2004 sieht die Lage in den Ländern weniger schlecht aus als für den Bund. Während seine Länderkollegen insgesamt mit einem Minus von zwei Milliarden Euro zu rechnen haben, muss Eichel ein Loch von 8,3 Milliarden allein an Steuerausfällen stopfen. Dazu kommen Ausfälle, weil etwa die Steueramnestie weit weniger Mittel einbringt als erhofft. Dies wurde in einigen Ländern dagegen schon berücksichtigt. Niedersachsen etwa hat gar keine Einnahmen aus der Steueramnestie veranschlagt. Auch Berlin gehörte zu den vorsichtigen Ländern. Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) sieht daher keine Notwendigkeit zur Nachbesserung des Etats. Für 2004 ergibt sich sogar ein Steuerplus von 14 Millionen gegenüber der bisherigen Planung. Sachsen hat im Januar „Haushaltsbewirtschaftungsmaßnahmen" eingeleitet. „Hätten wir nicht gehandelt, stünden wir jetzt vor demselben finanzpolitischen Scherbenhaufen wie der Bund", sagte Finanzminister Horst Metz (CDU).

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