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Wirtschaft: Eichels Steuerpläne gehen in Rauch auf

Statt 4,5 Milliarden werden Raucher nur zwei Milliarden Euro mehr an Tabaksteuer zahlen – sagt die Industrie

Berlin (brö/fo). Die geplante Erhöhung der Tabaksteuer um einen Euro pro Zigarettenpackung wird der Bundesregierung nach Einschätzung der Tabakindustrie deutlich weniger Geld einbringen als erhofft. Außerdem seien die Arbeitsplätze der Branche in Deutschland bedroht. Ökonomen befürworteten dagegen den Steuerplan, kritisierten aber die Gesundheitspolitik der Koalition.

Die Zigarettenindustrie befürchtet schwerwiegende Folgen für Umsatz und Beschäftigung der Branche in Deutschland. Auch die Einnahmeerwartungen seien vollkommen illusorisch, sagte Wolfgang Oberrecht, Geschäftsführer des Verbandes der Cigarettenindustrie (VdC), dem Tagesspiegel. Allenfalls zwei Milliarden Euro statt der kalkulierten 4,5 Milliarden werde der Fiskus mehr kassieren, weil der Markt um 20 bis 30 Prozent einbrechen werde.

In diesem Jahr werden Raucher gut 14 Milliarden Euro Tabak sowie 3,4 Milliarden Euro Mehrwertsteuer an den Bund zahlen. Auf jede Zigarette erhebt der Staat zehn Cent Steuern. Die großen Hersteller Philip Morris, Reemtsma, BAT oder Reynolds Tobacco gehörten zudem zu den großen Gewerbesteuerzahlern in den Gemeinden, sagt Oberrecht. Mit Sicherheit würden die Hersteller nun verstärkt prüfen, die Produktion ins Ausland zu verlagern. Eine konkrete Prognose wollte er nicht abgeben. Die Zigarettenindustrie beschäftigt in Deutschland direkt 10 000 Mitarbeiter. Hinzu kommen Jobs in Landwirtschaft, Handel und Automatenindustrie, insgesamt seien 100 000 Menschen betroffen.

Auch das Münchner Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung befürchtet Absatzeinbußen. Sie dürften deutlich stärker ausfallen als bei der letzten Steuererhöhung Anfang 2003, weil die Erhöhung so drastisch sei, sagte Ifo-Steuerexperte Rüdiger Parsche.

Zunehmen wird dem Verband VdC zufolge auch der Import billiger Zigaretten – legal wie illegal. Auf den Kanarischen Inseln kostet eine Packung im Schnitt 1,80 Euro, in Polen rund zwei Euro. Die geplante Steuererhöhung wird der Branche zufolge in Deutschland zu Preisen von 4,50 Euro pro Schachtel führen. Die Importe, prognostiziert Oberrecht, werden „dramatisch zunehmen“. Er verweist auf Erfahrungen in Großbritannien, wo eine Schachtel sieben Euro koste. Die Hälfte des Marktes werde inzwischen durch Einfuhren abgedeckt. Diese Gefahr sieht der Verband auch für Deutschland – hier stammten schon 15 Prozent des Bedarfs aus Schwarzhandel und steuerfreien Importen.

Gesundheitsökonomen begrüßten derweil die Steuererhöhung. 2001 habe das Rauchen volkswirtschaftlich gesehen Kosten von 18,83 Milliarden Euro verursacht, hat der Ulmer Professor Reiner Leidl ausgerechnet. 13,67 Milliarden seien auf das Konto von Arbeitsausfällen gegangen. In dem Jahr hat das Steueraufkommen dagegen nur bei 12,1 Milliarden Euro gelegen. Friedrich Wilhelm Schwartz, Mitglied im Sachverständigenrat für das Gesundheitswesen, sagte, höhere Steuern könnten vor allem Jugendliche vom Rauchen abhalten und so langfristig die Behandlungskosten senken. Allerdings nannte er die rot-grüne Gesundheitspolitik „inkonsistent“. Schwartz: „Es passt nicht zusammen, wenn die Regierung einerseits Steuern erhöht und Geld für Prävention ausgibt und andererseits in Brüssel gegen das Tabakwerbeverbot der EU vorgeht.“

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