zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Ein dummer, kleiner Übersetzungsfehler

Wie eine chinesische Nachrichtenagentur vergangene Woche die Devisenmärkte in Aufruhr versetzte

Normalerweise schreibt Guan Xiangdong über Reise- und Tourismusthemen. Doch als die Journalistin des Nachrichtendienstes „China News Service“ am vergangenen Wochenende Dienst hatte, verfasste sie einen Artikel über Devisenmärkte. Sie schrieb über die Folgen einer möglichen Aufwertung der chinesischen Währung. Ihre Informationen bezog sie aus verschiedenen Artikeln und Kommentaren von Hongkonger Regionalzeitungen.

Der Zeitungsbericht wirbelte vier Tage später die internationalen Devisenmärkte durcheinander – und damit einen Markt, der täglich eine Billion Dollar bewegt. Der Kurs des US-Dollar sackte nach unten, während Devisenhändler und Fondsmanager von Singapur bis Stockholm panisch zum Telefonhörer griffen und hastig E-Mails verschickten.

Dass die Journalistin eines obskuren, halboffiziellen chinesischen Nachrichtendienstes solch ein Chaos auslösen kann, sagt viel über die Qualität chinesischer Medien. Der Vorfall zeigt aber auch, welche Nervosität an den Kapitalmärkten herrscht. Die USA drängen China seit langem, seine Währung aufzuwerten.

Was die Journalistin Guan am vergangenen Wochenende in ihren Computer tippte, wurde auch auf der englischen Website von „People’s Daily“ übernommen, dem Sprachrohr der Kommunistischen Partei. Allerdings war bei der Übersetzung von Guans Bericht ins Englische etwas schief gelaufen – der Inhalt war nun ein ganz anderer: Jetzt war auf einmal in dem Artikel zu lesen, China werde in der kommenden Woche den Yuan aufwerten. Der brisante Bericht gelangte auch auf den Bildschirm der Nachrichtenagentur Bloomberg – und verbreitete sich so rund um die Welt.

Die Bloomberg-Meldung „hat die Märkte wirklich in helle Aufruhr versetzt“, sagt Claudio Piron von der US-Bank J.P. Morgan. Als die Meldung über den Ticker lief, saß Piron, der Bankexperte für asiatische Währungen, gerade am Handelstisch in Singapur. Die Händler stießen sofort den Dollar ab und kauften jede asiatische Währung, der sie habhaft werden konnten – vor allem Yen, und Singapur-Dollar. Dann, als Bloomberg und die Nachrichtenagentur Reuters Zweifel an dem Zeitungsbericht vermeldeten, wollten die Händler ebenso schnell Dollar zurückkaufen.

Die Journalistin Guan ist über den von ihr ausgelösten Tumult verblüfft. „Ich verstehe nicht, warum das so eine große Sache wurde“, sagt sie. Sie habe doch nur Texte verschiedener Hongkonger Zeitungen über die Folgen einer Yuan-Aufwertung für die Finanzmärkte zusammengeschrieben. Allerdings gab sie nicht die Zeitungen als Quelle an, sondern schrieb nur vage von „Beobachtern“. Sauberer Journalismus war das sicher nicht. Doch was später mit ihrem Zeitungsbericht geschah, ist Guan nicht anzulasten: Die Online-Ausgabe von „People’s Daily“ bekam den Artikel in die Finger und ließ ihn außer Haus ins Englische übersetzen. Nach der Übersetzung las sich der Artikel ganz anders: China habe beschlossen, den Yuan im kommenden Monat um 1,26 Prozent und in den kommenden 12 Monaten um 6,03 Prozent aufzuwerten, stand da nun. Der Bericht erwähnte den „China News Service“ nicht als Quelle.

Am Mittwochmorgen wurden Londoner Bloomberg-Mitarbeiter auf den „People’s Daily“-Artikel aufmerksam. Er weckte sofort Bloombergs Interesse. Denn gleich im ersten Satz stand eine sensationelle Nachricht: China stehe kurz davor, die zugelassene Handelsspanne des Yuan auszuweiten und damit die Währung aufzuwerten. Das werde Peking nach einem Treffen von chinesischen und US-amerikanischen Regierungsvertretern bekannt geben.

Bloomberg schickte die Nachricht in die Welt. Man habe vorher die chinesische Zentralbank angerufen, die Bank habe aber eine Stellungnahme abgelehnt, sagt ein Bloomberg-Mitarbeiter. Da die Zeitung „People’s Daily“ als Sprachrohr der chinesischen Regierung gilt, hätte sich Bloomberg trotz der fehlenden Bestätigung zur Herausgabe der Nachricht entschlossen.

Als die Meldung über den Bloomberg-Ticker liefen, war der Tag für die Devisenhändler in Asien fast zu Ende, während der europäische Handel gerade erst begann. Die Nachricht rüttelte die Märkte auf. Über den Lautsprecher alarmierte das Stockholmer Wertpapierhaus Hagstromer&Qviberg die Mitarbeiter. Der Leiter des chinesischen Wertpapiergeschäfts der Firma, Frederic Cho, suchte hektisch den „People’s Daily-Artikel“ im Internet und rief Bekannte in Asien an. „Es machte für mich keinen Sinn“, sagt er. Welche Zentralbank würde eine Woche vorher ankündigen, dass sie die Währung aufwerten wird – und das mit genauen Zahlen?

Auch in Schanghai herrschte Verwirrung. „Das ist sehr seltsam“ sei sein erster Gedanke gewesen, sagte der ChinaChefvolkswirt der britischen Standard Chartered Bank, Stephen Green. Er griff sofort zum Telefonhörer und rief die chinesischen Behörden an. Sein ResearchTeam stöberte schließlich die englische Übersetzung und den chinesischen Original-Artikel auf und reimte sich die Geschichte zusammen. Sofort gab Stephen Green Entwarnung und erklärte, es habe sich um eine Falschmeldung gehandelt.

Da aber waren die Devisenmärkte schon in Bewegung geraten. Die Spekulation um eine Aufwertung des Yuan hatte die Kurse an den europäischen Märkten in die Höhe schnellen lassen. Fünf Minuten nach Herausgabe der Bloomberg-Meldung seien rund zwei Milliarden Dollar gehandelt worden waren, sagt Piron von J.P. Morgan.

Für den Aufruhr und den Ärger bat „People’s Daily“ schließlich um Entschuldigung. „Es tut uns sehr leid, dass die Übersetzung nicht korrekt war“, sagte ein Journalist, der lieber nicht mit Namen genannt werden will. „Die Schuld liegt bei uns“. Doch er rügte auch den „China News Service“: „Auch dessen Journalistin ist zu kritisieren. Sie hat zu viele vage Angaben in ihrem Artikel gemacht und damit unsere falsche Übersetzung mitverursacht.“

Andrew Browne

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false