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Flaute. Damit Griechenlands Wirtschaft bald wieder im Aufwind ist, berät die EU weiter über Möglichkeiten und Einsatz von Finanzhilfen.

© dpa

Griechenland: Ein neuer Marshallplan

Griechenland kämpft nicht nur mit einer Schuldenkrise. Die EU will Athen helfen, die Wirtschaft anzukurbeln. Doch die Investitionsbedingungen sind schlecht.

Athen - Streiks und Ausschreitungen, Proteste und Politikverdrossenheit: der strikte Sparkurs, den die EU Griechenland aufzwingt, stößt bei der Bevölkerung auf wachsenden Widerstand. Die Menschen bringen Opfer, aber sie sehen keine Perspektive – die Wirtschaft rutscht immer tiefer in die Krise. Jetzt sucht die Europäische Union nach Wegen, die Konjunktur anzukurbeln.

Griechenland kämpft nicht nur mit einer Schuldenkrise. Das Land steckt auch in der schwersten Rezession seit Ende des zweiten Weltkriegs. Um 4,5 Prozent schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im vergangenen Jahr, für 2011 erwartet Finanzminister Evangelos Venizelos ein Minus von 3,9 Prozent. Der Konjunkturabsturz ist eine Folge der Sparpolitik: um fast elf Milliarden Euro hat die Regierung im vergangenen Jahr das Haushaltsdefizit reduziert, und bis 2015 will sie weitere 28,4 Milliarden einsparen oder zusätzlich als Steuern kassieren. Das entspricht einer Konsolidierungsleistung von 17 Prozent des diesjährigen BIP. Wer einem Wirtschaftskreislauf in so kurzer Zeit so viel Geld entzieht, riskiert den Kollaps – in Form von immer mehr Firmenpleiten und steigenden Arbeitslosenzahlen. Die Erwerbslosenquote unter griechischen Jugendlichen beträgt bereits 42,5 Prozent.

Endlich scheint man jetzt auch in der EU zu erkennen, welche ökonomischen und sozialen Gefahren in dieser Politik liegen. Man denkt deshalb darüber nach, das Konsolidierungsprogramm, das bisher sehr einseitig auf Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen fokussiert ist, durch Wachstumsimpulse zu ergänzen. Viele Fachleute fordern seit Monaten eine Art Marshallplan für Griechenland – in Anlehnung an das Wiederaufbauprogramm, das die USA zwischen 1948 für die kriegsgeschädigte Wirtschaft Westeuropas auflegten. Es ging auf den damaligen US-Außenminister George C. Marshall zurück.

Die EU könnte dabei eine Schlüsselrolle spielen. Ministerpräsident Giorgos Papandreou bat am Wochenende in einem Brief an Kommissionspräsident José Manuel Barroso, EU-Fördermittel für Griechenland beschleunigt freizugeben. In der Finanzierungsperiode 2007-2013 sind für Griechenland in den großen Förderfonds der EU – dem Regionalfonds, dem Sozialfonds und dem Kohäsionsfonds – 20,2 Milliarden Euro vorgesehen. Davon sind 15,3 Milliarden noch nicht abgerufen, vor allem, weil Griechenland wegen der desolaten Finanzlage den geforderten Eigenanteil, der bis zu 50 Prozent ausmacht, nicht aufbringen kann. Jetzt wird erwogen, diese Selbstbeteiligung zu reduzieren oder anderweitig zu finanzieren. Diese Gelder könnten in Infrastrukturprojekte, wie den Bau von Straßen, Seehäfen und Flugplätzen, fließen und würden so unmittelbar helfen, Arbeitsplätze zu sichern. Profitieren könnte auf diese Weise auch der Tourismus. Er ist eine der wichtigsten Säulen der griechischen Wirtschaft. Jeder fünfte Arbeitsplatz hängt am Fremdenverkehr.

Aber Griechenland braucht neben Fördermitteln auch private Investitionen. Viel Potenzial bietet der Energiesektor: „Vor allem bei den erneuerbaren Energien hat das Land große Möglichkeiten“, sagt Martin Knapp, Geschäftsführer der Deutsch-Griechischen Industrie- und Handelskammer in Athen. „Auch die Pharmabranche, die Informationstechnologie und der Logistiksektor sind aussichtsreiche Wirtschaftszweige“, sagt Knapp. Ein weiterer Sektor mit großen Chancen ist die Umwelttechnologie. Vor allem Abfallmanagement und Recycling stecken in Griechenland noch in den Kinderschuhen.

Wenn Griechenland mehr ausländische Investitionen will, muss es allerdings die nötigen Rahmenbedingungen schaffen. Dazu gehören vor allem vereinfachte und beschleunigte Genehmigungsverfahren, Rechtssicherheit, eine kalkulierbare Steuerpolitik und die Bekämpfung der Korruption. Premier Papandreou hat all das immer wieder angekündigt, aber nennenswerte Fortschritte sind bisher nicht zu erkennen – im Gegenteil.

Die Weltbank untersucht jedes Jahr die Investitions- und Geschäftsbedingungen in den Ländern der Erde. „Doing Business“ heißt die Studie. 2010 lag Griechenland unter 183 bewerteten Ländern auf einem wenig ehrenvollen Rang 97. In diesem Jahr rutschte das Land sogar noch weiter ab, auf Platz 109. Damit rangiert Griechenland sogar hinter Staaten wie Paraguay, Jemen oder Papua-Neuguinea.

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