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Wirtschaft: „Ein Rückschlag für den Umweltstandort Deutschland“

Peter Kurth, Präsident des Verbandes der Entsorgungswirtschaft, kritisiert das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz und hofft auf Brüssel.

Herr Kurth, das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz hat gestern den Bundesrat passiert. Wie zufrieden sind Sie?

Das neue Gesetz ist eine Enttäuschung und ein Rückschlag für den Umweltwirtschaftsstandort Deutschland. Nicht nur unsere Branche ist unzufrieden.

Warum? Ab 2015 soll doch mehr Abfall getrennt, gesammelt und verwertet werden.

Die Zielsetzung des Gesetzes, nämlich die Recyclingquote von heute rund 64 Prozent bis 2020 auf 65 Prozent zu erhöhen, ist – vorsichtig gesagt – sehr bescheiden. Dabei wird der Vorrang des Recyclings vor der Verbrennung, wie es die EU vorschreibt, nicht durchgehalten. Und darüber hinaus schließt das neue Gesetz den Wettbewerb bei der Erfassung von Wertstoffen nahezu aus.

Umweltminister Röttgen spricht von einem „fairen Ausgleich“ zwischen kommunalen und privaten Interessen.

Davon kann keine Rede sein. Private Firmen kommen nur zum Zuge, wenn die Kommunen das gestatten. Im Ergebnis werden kommunalwirtschaftliche Monopole festgeschrieben. Monopole wirtschaften aber in der Regel nicht effizient und kostengünstig. Und das geht dann zulasten der Bürger, die höhere Gebühren zahlen müssen. Im Übrigen waren private Firmen in der Vergangenheit die Innovationstreiber der Recyclingwirtschaft, künftig wird das schwieriger.

Warum?

Zum Beispiel bei Finanzierungsgesprächen: Wenn der mittelständische Wertstoffbetrieb wegen der Privilegierung des kommunalen Betriebs nicht sagen kann, wie er seine Kapazitäten auslastet, bekommt er Probleme mit der Bank. Der Mittelstand gerät so in eine unangenehme Sandwichsituation: Auf der einen Seite kann er die Menge, Qualität und den Preis der Wertstoffe nicht beeinflussen, die gesammelt und verarbeitet werden sollen. Auf der anderen Seite ist er abhängig von den Weltmarktpreisen für Sekundärrohstoffe.

Diese Preise steigen, deshalb sind ja auch alle so scharf auf das Geschäft.

Etwa 13 Prozent der hierzulande verbrauchten Rohstoffe sind Sekundärrohstoffe aus der Recyclingwirtschaft, Tendenz steigend. Es ist aber fraglich, ob der kommunalwirtschaftliche Ansatz hier greift: Städte und Gemeinden sind in der Regel zu klein, um industrielle Aufbereitungs- und Verwertungsanlagen zu bauen und zu betreiben. Eine Anlage wie in Berlin-Hellersdorf, wo Alba die Verpackungen von fünf Millionen Menschen aufbereitet, ist für Kommunen schlicht zu groß.

Kommunen verbrennen lieber den Müll?

Wir befürchten, dass die Verbrennung eher zunehmen wird, da wir enorme Überkapazitäten an Müllverbrennungsanlagen haben. Auch deshalb wird ja derzeit rund ein Drittel der getrennt gesammelten Abfälle nicht wiederverwertet, sondern verbrannt. Dabei fordert die EU ausdrücklich die stoffliche Verwertung.

Dann hoffen Sie auf Hilfe der EU, wenn es um Änderungen am neuen Gesetz geht?

Ja. Brüssel hat sich bereits zweimal skeptisch im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens geäußert. Wir sind optimistisch, mit Hilfe der EU doch noch Veränderungen zu erreichen, die den Wettbewerb nicht ausschließen und damit auch den Recyclingstandort Deutschland nach vorne bringen.

Peter Kurth (51),

war vor seiner Tätigkeit beim Verband unter anderem Vorstandsmitglied der privaten Alba Group und Finanzsenator von Berlin. Mit Kurth sprach Alfons Frese.

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