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Wirtschaft: Ein Schluck Heimat

Tannenzäpfle-Bier ist zum Kultgetränk geworden. Und die Badische Brauerei so profitabel wie nie

Berlin - Normalerweise hat Birgit, das Schwarzwaldmädel auf dem Tannenzäpfle-Etikett, ein kantiges Gesicht, umrahmt von einer blauen Haube und einem halben Dutzend Tannenzapfen. Aber weil das Pils der Rothaus-Brauerei aus dem Schwarzwald dieses Jahr 50 Jahre alt wird, lächelt – wie schon im Jahr 1956 – die andere Birgit mit den weicheren Gesichtszügen und den rosigen Wangen von der Flasche. Sie lässt noch mehr das Gefühl von Geborgenheit und Heimatliebe aufkommen – zwei Faktoren, die wesentlich zu der Erfolgsgeschichte der Badischen Staatsbrauerei beigetragen haben. Das meint zumindest Thomas Schäuble, der Vorstandsvorsitzende der Brauerei.

Birgit Kraft nennen Tannenzäpfle-Fans die Frontfrau des Schwarzwälder Exportschlagers. „Das kommt von ,Bier gibt Kraft’“, sagt Schäuble. Kraft gibt das Bier auch seiner Brauerei, die heute eine der profitabelsten der Branche ist.

Als das Tannenzäpfle-Bier 1966 seinen zehnten Geburtstag feierte, wurden gerade mal 87 000 Hektoliter Bier abgesetzt. Damals war das Rothaus-Bier nur in seiner Stammregion zwischen Freiburg, Lörrach und Konstanz bekannt. 1991 waren es schon 330 000 Hektoliter, als auch der Rest von Baden-Württemberg Gefallen an dem Traditionsbier fand. Und heute wird Tannenzäpfle von Großstädtern in der ganzen Republik getrunken. 917 000 Hektoliter Bier hat die Brauerei im vergangenen Jahr insgesamt abgesetzt.

Das badische Bier hat inzwischen Kultstatus erreicht. „Vor 15 Jahren gab es gerade mal zwei Bars in Berlin, in denen Tannenzäpfle ausgeschenkt wurde“, sagt der Berliner Getränkegroßhändler Angelo Ambrosetti. „Heute sind es über 100.“

Dass das Rothaus-Bier aus Grafenhausen am Schluchsee in den vergangenen Jahren zum Modegetränk avanciert ist, kann sich Schäuble nur so erklären: „Wie ein roter Faden zieht sich bei unserem Erscheinungsbild die Schönheit des Schwarzwaldes, die Liebe zur Natur und zur Heimat, aber auch die Geborgenheit in einer verrückt gewordenen Welt durch“, sagt der ehemalige baden-württembergische Innenminister und Bruder von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble. Auch Trendforscherin Stefanie Bierbaum vermutet, dass hinter dem Tannenzäpfle-Kult die Sehnsucht nach Heimat und der guten, alten Zeit steckt. „Perfect Past“ nennen Trendforscher dieses Phänomen. „Man konsumiert ein Stück Vergangenheit, erinnert sich an sie und auch an die eigenen Wurzeln.“

Trotz bundesweiter Beliebtheit sind die Wachstumspläne für das Bier begrenzt. „Wir wollen die Schwarzwaldbrauerei bleiben“, sagte Schäuble. Biertrinker seien eben sehr emotional, was ihr Lieblingsbier anbelangt. Für die Zukunft plant er daher keine großen Sprünge.

Auch den baden-württembergischen Finanzminister freut es, dass das Tannenzäpfle ein Kultbier geworden ist. Die Rothaus-Brauerei gehört nämlich zu 100 Prozent dem Land Baden-Württemberg. Jährlich zahlt der 226-Mann-Betrieb eine satte Dividende an seinen Eigentümer: Wie schon die Jahre davor waren es auch 2005 wieder 17 Millionen Euro. Und mit einem Umsatz von 86,5 Millionen sowie einem Gewinn vor Steuern von über 30 Millionen Euro lässt die Umsatzrendite der Brauerei von über 30 Prozent so manchen Konkurrenten neidisch werden. „Diese Umsatzrendite hat meines Wissens niemand“, sagt Thomas Schäuble.

Grund dafür sei, dass alle Investitionen aus der eigenen Kasse finanziert würden. Rothaus sei ein gutes Beispiel dafür, wie wirtschaftlich ein Staatsbetrieb arbeiten könne. Er betont aber auch: „Wir sind so erfolgreich, weil wir nicht von einem Ministerium geführt werden, weil das Land nicht in den Betrieb eingreift.“ Schon seit 1922 ist das von dem Benediktinerkloster St. Biasien im Jahre 1791 gegründete und 1806 an das Großherzogtum Baden übergebene Unternehmen eine Aktiengesellschaft.

Linda Behringer

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