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Ein Unternehmen gründen: Auf den Geschmack gekommen

Sie wollen eine Firma, haben Spaß an der Sache oder verwirklichen sich einen Lebenstraum: Berliner Gründer erzählen, warum sie sich neben ihrem Vollzeitjob selbstständig gemacht haben.

Der Tag hat nur 24 Stunden. Manchmal ist das ein Problem für Manuel Niazi. Ein großer Teil dieser Stunden ist seinem „täglichen Schwarzbrot“ gewidmet, um das sich sein Vollzeitjob dreht: Kaviar. Der 26-Jährige ist Einkaufsleiter einer internationalen Firma, die den teuren Fischrogen vertreibt. „Ich habe gerade zu wenig Zeit im Leben. Privat komme ich zu nichts“, sagt Niazi. Denn nach Feierabend und am Wochenende geht die Arbeit fast immer gleich weiter für ihn – mit einer ganz anderen Art Essen.

Niazi backt australische Pasteten und verkauft sie auf Märkten in Berlin. Die würzigen, gefüllten Teigtaschen, die er bei einer Australienreise kennengelernt hat, sind sozusagen das Sahnehäubchen auf seinem beruflichen Dasein. Anfang des Jahres hat er mit seinem Freund Tammo Mamedi die Firma „Pies & Love“ gegründet – nebenberuflich. „Ich fand Essen schon immer spannend und ich wollte schon immer eine eigene Firma haben.“

Gleich ins kalte Wasser zu springen und den gut bezahlten Vollzeitjob dafür aufgeben – das kam aber nicht für ihn infrage: Ihm gefiel es, zum Start seines Unternehmens „ein sicheres Standbein“ zu haben. „Ich will erstmal zweigleisig fahren – und dann irgendwann umschwenken.“

Gründung mit Sicherheitsnetz – damit liegt Niazi im Trend: In ihrem Bericht „Gründungsmonitor 2014“ verkündet die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW): „Boom im Nebenerwerb, Tiefstand im Vollerwerb.“ Laut KfW stieg im Jahr 2013 die Anzahl der Gründer in Deutschland um 12 Prozent auf 868 000. „Das Plus ist auf deutlich mehr Nebenerwerbsgründer zurückzuführen“, heißt es im Bericht. 562 000 solcher Gründungen verzeichnet die KfW für 2013 – rund 100 000 mehr als im Jahr zuvor. Fürs kommende Jahr sagt die KfW voraus, dass sich der Trend fortsetzt.

Das Risiko ist geringer

Auch bei der IHK Berlin lassen sich immer mehr Gründer im Nebenerwerb beraten. „Der Hauptaspekt dabei ist, dass man weich fällt, wenn es nicht läuft,“ sagt Frauke Eustermann, die bei der IHK Gründer berät. „Einigen geht es dabei vor allem um die finanzielle Absicherung und das geringere Risiko. Andere wollen erst einmal ausprobieren, ob ihre Firmenidee läuft – oder ob es ihnen überhaupt liegt, selbstständig zu sein. Das ist nicht für jeden das Passende“, sagt Eustermann. Im Großen und Ganzen gehe es bei den Beratungen um die gleichen Themen wie bei anderen Gründungen: „Läuft die Firmenidee und wie bringe ich meine Produkte an den Markt.“ Wer nebenberuflich gründe, müsse aber auf einiges achten: Er muss die Krankenkasse und den Arbeitgeber informieren und in seinem Arbeitsvertrag nachsehen, ob darin etwas zu dem Thema steht. „Der Arbeitgeber kann so etwas verbieten.“ Etwa, wenn die Gründung zur Konkurrenz für ihn werden könnte. „Oder wenn die Arbeitsleistung nachlässt“, sagt Eustermann.

Manuel Niazis Arbeitgeber ist mit seinen Gründungsaktivitäten einverstanden „weil ich meinen Job glücklicherweise ganz gut mache“, sagt Niazi grinsend. „Ich habe aber auch Glück gehabt und einen guten Chef erwischt.“ Er profitiert beim Aufbau seiner Firma von den Kontakten zu Einkaufsleitern von Großhandelsfirmen und Spitzenköchen, die er durch seinen Job als Einkaufsleiter hat – ist aber kein Konkurrent für seinen Chef: „Es ist ja ein ganz anderes Produkt, aber eben auch aus der Gastroszene. Deshalb ist es ein Vorteil, dass ich schon in der gehobenen Gastronomie zuhause bin.“

Das Lokal läuft inzwischen bestens

Wenn Christian Gierke (Name geändert) über seinen Arbeitgeber und seine Gründung spricht, klingt das ganz anders. Er ist Beamter in einer Behörde – und hat nebenberuflich gemeinsam mit seiner Frau ein Restaurant zur Miete übernommen, das vom Vorbesitzer etwas „heruntergewirtschaftet“ war. Er hat sich von seinem Arbeitgeber zwar ohne weiteres eine „Nebentätigkeitsgenehmigung“ dafür ausstellen lassen. Er möchte aber nicht, dass seine Kollegen und Vorgesetzten seinen Namen in diesem Zusammenhang in der Zeitung lesen. Es könne da negative Reaktionen oder sogar Konsequenzen geben, sagt der Mittfünfziger, ein sehr vorsichtiger, bedächtiger Mensch. Und doch sagt er, er habe sein ganzes Erwachsenenleben lang diese Idee gehabt: Mit 50 aus dem sicheren Leben aussteigen: „Ich wollte eigentlich immer gern selbstständig sein.“ Das hat er geschafft, den sicheren Job mag er jetzt aber doch nicht aufgeben – obwohl sein Lokal inzwischen bestens läuft. Zurzeit kümmert sich seine Frau um den Service, Einkäufe und die Kreation neuer Gerichte. Er ist für die Buchhaltung zuständig und hilft abends beim Service. 10 000 Euro Ablöse zahlte er fürs karge Inventar. 15 000 Euro gab er für neue Kühlgeräte und eine Abluftanlage aus. Nicht alle schaffen so etwas wie er ohne finanzielle Unterstützung von außen. Nebenerwerbsgründer hätten oft Schwierigkeiten, Kredite von Banken zu bekommen, warnt die IHK.

Manuel Niazi (links) und Tammo Mamedi haben aus australischen Pasteten ein Geschäftsmodell gemacht.
Manuel Niazi (links) und Tammo Mamedi haben aus australischen Pasteten ein Geschäftsmodell gemacht.

© Lukas Wohner

Kirsten Remstädt fing ihre Nebenerwerbsgründung eine Nummer kleiner an: Mit ihrer Freundin Daniela Herzig stellt sie Pesto her und verkauft es auf Märkten – anfangs kochten sie in der Küche eines Kindergartens, nämlich dann, wenn der Raum nicht gebraucht wurde. Erst später kam ein kleiner Laden hinzu.

Nachdem die beiden 2005 ihre Firma „Pestodealer“ gegründet hatten, war die Arbeitswoche von Kirsten Remstädt mehrere Jahre lang noch überfüllter als die von Manuel Niazi heute: Sie hatte einen Fulltime-Job als Marketingleiterin eines Obst- und Gemüseproduzenten in Spanien. „Zum Glück konnte ich manchmal von zuhause aus arbeiten“, sagt die heute 43-Jährige. Auch ihre Mitgründerin Daniela Herzig hatte einen Vollzeitjob nebenbei – bei Amnesty International.

Warum macht man so etwas – übervolle Terminkalender mit einer Gründung noch voller machen? „Da war dieser lustige Abend, an dem wir die tolle Idee hatten, besseres Pesto als das, was es im Supermarkt gibt, herzustellen“, versucht Remstädt zu erklären. „Und es ist doch schön, ein zweites Standbein zu haben.“ Und das Pesto sollte eine Art Gegengewicht zum Marketing sein: „Marketing kann einen schnell zum Abheben bringen, Pesto ist etwas Reales, Handfestes.“

Inzwischen machen Marketing und Pesto jeweils die Hälfte ihres Berufslebens aus. Als Marketingexpertin arbeitet sie freiberuflich und projektbezogen. „Das ist wesentlich besser als der Fulltimejob. Damit war es schwierig, allem gerecht zu werden.“ Ihr Büro ist genau gegenüber von ihrem Pestogeschäft in Charlottenburg.

Manuel Niazi will auch in naher Zukunft etwas ändern: In einem Jahr soll „Love & Pies“ der Vollzeitjob werden.

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