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Das Ei, wie man es kennt

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Eine runde Sache: Das Ei ist besser als sein Ruf

Das Ei gibt mehr als ein Rätsel auf - und immer wieder Anlass zu Diskussionen. Trotzdem bleibt es dick im Geschäft - nicht nur an Ostern.

Von Maris Hubschmid

Das Ei ist das Sinnbild der Perfektion: Ein gleichmäßiger, glatter, in sich abgeschlossener Gegenstand. Vollkommen, weil in seinem Kern alles so angelegt ist, dass aus der totalen Ruhe ein Leben entsteht. Immer häufiger ist das Ei in jüngster Vergangenheit aber auch Ei des Anstoßes: Ob Dioxin-Skandal oder Cholesterin-Hysterie, falsche Kennzeichnungen oder Schockfotos aus Hühnerställen – so manches hat am Image des Eis gekratzt.

Dem Absatz hat das nicht geschadet. 218 Eier verspeisten die Deutschen zuletzt pro Kopf im Jahr. Rund 18 Milliarden Stück waren das 2013 insgesamt, ein Volumen von mehr als einer Million Tonnen. „Der Verbrauch liegt seit Jahren auf einem sehr hohen Niveau“, sagt Florian Anthes vom Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG). Das Ei ist ein zentrales Lebensmittel in unserer Gesellschaft, nicht nur dank Senfeiern, Spätzle und Bratkartoffeln mit Spiegelei.

Allerlei Mythen

Dabei ranken sich um das Ei auch allerlei Mythen: Noch immer meinen viele, zu viele Eier seien ungesund. Das ist inzwischen wissenschaftlich widerlegt. Der regelmäßige Verzehr von Eiern stellt keinen Anschlag auf unser Herz-Kreislauf-System dar. Zwar hat das Ei einen hohen Cholesteringehalt, das Cholesterin in Lebensmitteln hat anders als Fett jedoch kaum merkliche Auswirkungen auf den Cholesterinspiegel im Blut. Im Gegenteil, Eier helfen sogar beim Abnehmen. Beim Genuss von mindestens fünf Frühstückseiern pro Woche konnten Testpersonen während einer Diät mehr Fett verlieren als Teilnehmer, die ein Brötchen mit gleichem Brennwert aßen. Ein durchschnittliches Ei wiegt 60 Gramm, enthält Vitamine und Spurenelemente und etwa sieben Gramm Proteine. Die sorgen für ein Sättigungsgefühl und verhindern, dass bei verringerter Kalorienzufuhr Muskeln abgebaut werden.

Braune Eier bevorzugt

Ein anderer weit verbreiteter Irrtum ist, dass braune Hühner braune Eier legen. Die Farbe der Eier hat nichts mit dem Gefieder zu tun. Wahr ist, dass deutsche Verbraucher braune Eier bevorzugen, wohl, weil sie damit eine naturnahe Haltung assoziieren, wie Ernährungspsychologen vermuten. In den Tagen vor Ostern gleichwohl steigt die Nachfrage nach weißen Eiern drastisch an, weil diese sich besser färben und bemalen lassen. Die Bauern versuchen, so zu planen, dass die Hauptlegephase der Hennen, die weiße Eier legen, in die Osterzeit fällt.

2010 wurde in Deutschland als erstem EU-Land die klassische Käfighaltung abgeschafft. Die Produktion brach daraufhin merklich ein. Im Jahr des Verbots wurden in Deutschland 10,7 Milliarden Eier erzeugt, inzwischen sind es wieder mehr als 13 Milliarden. 2012 folgte die ganze EU. Falsch ist aber die Annahme, dass es seitdem keine Eier mehr aus Käfighaltung gibt. Die sogenannte Kleingruppenhaltung ist noch erlaubt, wo jedem Tier im Käfig etwa der Platz von anderthalb Din A4-Seiten zur Verfügung steht.

Die Produzentin.

© Anatolii - Fotolia

Käfigeier gibt es auch noch

In anderen Ländern existieren auch nach wie vor Legebatterien. Geahndet wird die Missachtung des Gesetzes noch nicht überall, kritisiert der Tierschutzbund. Weil die Nachfrage in Deutschland größer ist als das Angebot, gelangen Käfigeier auch zu uns. Mit 43,2 Millionen Legehennen ist Deutschland einer der größten Eierproduzenten Europas. „Trotzdem muss rund ein Drittel dessen, was wir konsumieren, aus dem Ausland importiert werden“, sagt Anthes vom Geflügelverband. Vor allem aus den Niederlanden, wo dreimal so viele Eier erzeugt wie gebraucht werden. Demnächst vielleicht auch aus der Ukraine, weil die EU-Kommission beschlossen hat, deren Wirtschaft zu unterstützen, fürchtet der Bundesverband Deutsches Ei. In der Ukraine ist die konventionelle Käfighaltung noch erlaubt. „Solche Eier landen aber nicht im Supermarkt, sondern gehen in die verarbeitende Industrie“, sagt Anthes vom ZDG. Jedes zweite in Deutschland verspeiste Ei kommt in Form von Lebensmitteln wie Nudeln, Eiscreme oder Mayonnaise in die Haushalte. Und für Eierprodukte gibt es anders als für rohe Eier keine Kennzeichnungspflicht. „Selbst die gekochten und gefärbten Eier, die in Supermärkten angeboten werden, gelten als verarbeitet und müssen nicht gekennzeichnet werden“, warnt Andreas Winkler von der Verbraucherorganisation Foodwatch. Diese Eier stammten – sofern nicht anders ausgewiesen – fast immer aus Käfighaltung. Allerdings stellen auch immer mehr Hersteller um: Das Unternehmen Campbell’s Deutschland etwa, das zum Beispiel die Erasco- Eintöpfe herstellt, hat im vergangenen Jahr die Lieferanten gewechselt. Bei Nestlé verwendet man bereits seit 2011 Eier aus Bodenhaltung – allerdings nur für den deutschen Markt. Hierzulande ist das Bewusstsein für die Umstände, unter denen Eier erzeugt werden, besonders stark gewachsen: Mehr als die Hälfte aller Deutschen kaufen schon häufig Bio-Eier, zeigt die Statistik des Landwirtschaftsministeriums, mehr als ein Drittel davon sogar ausschließlich. Das Ei ist damit das meistgekaufte Bioprodukt. Die große Mehrheit der Eier, die wir in Deutschland verzehren, kommt jedoch aus Bodenhaltung – mehr als 60 Prozent. Das war vor wenigen Jahren noch ganz anders.

Hochleistungstier Huhn

Und wie steht es um das Huhn? Das ist in den zurückliegenden Jahrzehnten zum wahren Hochleistungstier mutiert. Heutzutage legt die durchschnittliche Henne bis zu 56 Wochen lang fast täglich ein Ei. 14 bis 18 Tage hält es durch. Dann gönnt es sich einen Tag Pause. Von Natur aus legt ein Huhn nur so viele Eier, wie es mit seinem Körper bedecken kann. Nur, weil der Mensch die Eier wegschnappt, wird nachgelegt. Durch spezielle Züchtung schafft eine moderne Legehenne so bis zu 320 Eier im Jahr.

Die Züchtung bedingt aber auch ein ethisches Problem: Die Hennen verwerten ihr Futter vor allem für die Eierproduktion und setzen nur wenig Fleisch an. Ihre männlichen Nachkommen taugen deshalb nicht als Masthähnchen und müssen sterben. Allein in Deutschland sind das 40 Millionen Küken pro Jahr.

Nicht alles kommt vom Biohof

Auch in Biobetrieben. Und da offenbart sich ein weiteres Missverständnis im Bezug auf Huhn und Ei: Nicht jedes Bio-Ei kommt vom Bauernhofidyll. Die meisten Bio-Eier werden industriell produziert, mit bis zu 10 000 Hühnern pro Betrieb, wo das Füttern von Maschinen erledigt wird. 3000 Hühner pro Herde erlaubt die EG Öko-Verordnung. „Bio“ bezieht sich hauptsächlich auf den Platz pro Tier und die Qualität der Futtermittel. So kündigten jüngst die Eierbauern an, bald auch gentechnisch veränderten Soja einzusetzen, weil der herkömmliche knapp wird. Für Freilandhaltung darf dieses Futter verwendet werden. In Öko-Haltung nicht.

Forscher tüfteln an Möglichkeiten, bereits im Ei zu erkennen, ob ein Küken männlich oder weiblich wird, um nur die Eier ausbrüten zu lassen, die weiblich sind. Andere züchten neue Hühnerrassen, die sich sowohl als Eier-, als auch als Fleischlieferanten eignen sollen. Noch liegt das Ergebnis in beiden Bereichen jedoch deutlich unter dem Standard.

Harter Preiskampf

In Brandenburg hält das Ökodorf Brodowin solche Hühner: Das Fleisch der Hähnchen gibt es im eigenen Hofladen zu kaufen. Die nach Demeter-Richtlinien erzeugten Eier sind unter der Marke Alnatura in zehn Berliner Läden erhältlich. „Bei uns werden die Hühner in mobilen Ställen auf Rädern gehalten“, erläutert Bauer Ludolf von Maltzan. Die zieht der Landwirt immer dann an einen neuen Platz, wenn das Gras abgefressen ist. Vier „Alnatura Origin Eier“ kosten 1,99 Euro. Bei Aldi gibt es zehn aus Bodenhaltung für die Hälfte. Darüber aber sind auch die Nicht-Öko-Bauern nicht glücklich: Wegen des Preiskampfs der Discounter lagen die Eierpreise im März ganze acht Prozent unter Vorjahresniveau. Viel Geld für Mensch und Tier, so viel ist klar, bleibt da nicht.

Versorgung gesichert

Nicht einmal zu Ostern gab es in diesem Jahr Preiserhöhungen. Die Nachfrage nach Eiern steigt dann traditionell um zehn Prozent. Die Bauern sind darauf vorbereitet. „Vor den Feiertagen geben wir weniger Eier an die verarbeitende Industrie ab“, heißt es beim Bundesverband Deutsches Ei. Die Versorgung der Privathaushalte ist also gesichert. Außerdem gilt: Jeder hat das Recht, Hühner im eigenen Garten zu halten. 20 Hennen und ein Hahn sind erlaubt. Nachbarn können allerdings fordern, dass Hähne zwischen 19 und acht Uhr schalldicht weggesperrt werden. Und ein einzelnes Huhn ist einsam. Mindestens drei sollten es schon sein.

Was aber könnte vollkommener sein als das Ei eines glücklichen Huhns, das man selber aus dem Stroh geangelt hat.

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