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Und was kann man werden, mit einem Physik-Studium? Kanzlerin zum Beispiel. Angela Merkel mit Girls' Day-Teilnehmerinnen im Kanzleramt.

© Rainer Jensen / dpa

Girls' Day: Einen Tag schrauben, hobeln, programmieren

Am Donnerstag ist Girls' Day. Deutschlandweit können tausende Schülerinnen für einen Tag "klassische Männerberufe“ kennenlernen. Firmen denken um - auch wegen des Fachkräftemangels.

Allein unter Männern: Wenn Victoria Wirgailis bei der Arbeit schraubt und bohrt, dann ist sie die einzige Frau unter Kollegen. „Da muss man sich durchsetzen können“, sagt die 21-Jährige. Wirgailis macht in Berlin eine Ausbildung zur Orthopädietechnikerin, ein Handwerksberuf, den in Deutschland meist Männer lernen. Das Team fertigt unter anderem Prothesen, die Arbeit erfordert technisches Geschick. Eher nichts für junge Frauen? „Prinzessin war ich nie“, sagt Wirgailis. „Und Frauen können das genauso gut – sie kommen nur seltener darauf so einen Beruf zu wählen.“

Hier setzt der Girls’ Day an. Bundesweit öffnen heute technische Betriebe und Forschungszentren ihre Türen für Mädchen der Schulklassen fünf bis zehn. Die Schülerinnen sollen Berufe kennenlernen, in denen der Frauenanteil unter 40 Prozent liegt, zum Beispiel das Bäckerhandwerk und die IT. Rund 7 500 Teilnehmerinnen erwarten die Veranstalter in der Hauptstadt, in ganz Deutschland haben sich mehr als 100 000 Mädchen angemeldet. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist Schirmherrin. Die promovierte Physikerin widmete dem Girls’ Day auch ihre wöchentliche Videobotschaft. Zum Auftakt im Kanzleramt versicherte Merkel den Berliner Schülerinnen: „Für die Wirtschaft wird es schwieriger, guten Nachwuchs zu finden. Ihr seid gefragt!“

Auch Wirgailis Ausbildungsbetrieb nimmt teil. Geschäftsleiterin Heike Tschorr setzt auf mehr Frauen im Haus: „Das ist wichtig für die Chemie im Team“, findet die studierte Juristin. „Das Verhältnis muss nicht 50:50 sein, aber eine gesunde Mischung.“ Oft kämen Frauen mit weniger technischen Vorkenntnissen, doch lernten schnell. „Schnell heißt es: Das kann ich auch!“

"Das kann ich auch"

Den Girls’ Day gibt es seit 2001, etwa 1,5 Millionen Mädchen haben sich schon beteiligt. Unterstützt wird der Tag von Bundesministerien, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden. Das Thema Geschlechterbalance ist für die Wirtschaft relevant, es geht um ungenutzte Potenziale. „In Deutschland gibt es immer noch Männer- und Frauenberufe“, sagt Berlins Handwerkskammer-Präsident Stephan Schwarz. „Das kann nicht so bleiben in Zeiten des Fachkräftemangels.“ Im Handwerk ist nur ein Viertel der Stellen von Frauen besetzt, dazu zählen allerdings auch „Frauenberufe“ wie Friseurinnen.

Mädchen müssten verstärkt an die Bandbreite der Berufe herangeführt werden, betont Berlins Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen, Dilek Kolat (SPD). „In den Familien finden Mädchen oft nur Vorbilder für den sozialen Bereich.“ Kolat möchte die Berufsorientierung an Berliner Schulen ausweiten und das Pflichtpraktikum in der neunten Klasse um ein optionales Praktikum in der zehnten Klasse zu ergänzen. Mehr Praxisbezug in den Schulen scheint nötig: In Berlin kündigen mehr als ein Drittel aller Lehrlinge nach weniger als einem Jahr ihren Ausbildungsvertrag.

Den Berliner Schulen fehlt es an Praxisbezug

Die Auszubildende Wirgailis hat selbst einmal am Girls' Day teilgenommen. Eine tolle Initiative, findet sie, doch sei ein Tagespraktikum eigentlich zu kurz. Immerhin: Knapp ein Drittel der beteiligten Unternehmen erhalten nach dem Girls' Day Bewerbungen für Praktikums- und Ausbildungsplätze von Teilnehmerinnen. Parallel zum Girls’ Day dürfen seit einigen Jahren auch Jungen Einblick in Berufe nehmen, die mehr Frauen ausüben, unter anderem in Pflege und Erziehung. Noch ist der Boys’ Day weniger prominent. Das Interesse aber sei groß, heißt es aus den Schulen.

Lea Frehse

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