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Qual der Wahl. Bis 2009 lieferte jeder Handy-Hersteller seine Geräte mit eigenem Ladestecker aus. Wer als Nutzer die Marke wechselte, musste mit dem alten Telefon gleich auch das Ladegerät entsorgen. Dann einigten sich die Unternehmen auf einen Standard. Foto: dpa

© picture alliance / dpa

Wirtschaft: Eines für alle

Handy-Hersteller könnten zu uneinheitlichen Ladegeräten zurückkehren. EU-Kommission prüft Gesetz.

Berlin/Brüssel - Es war einer der seltenen Fälle, in denen die Europäische Union uneingeschränktes Lob erntete: Unter Vermittlung der EU-Kommission hatten sich die neun führenden Hersteller im Jahr 2009 darauf geeinigt, in Europa nur noch Handys mit einheitlichem Ladekabel auf den Markt zu bringen. Inzwischen trifft das bei 90 Prozent der Geräte zu. Verbraucher haben seither weniger Ärger, wenn kein eigenes Netzteil zur Hand ist. Umweltschützer freuen sich über weniger Müll, da der Mobilfunk geschätzt 50 000 Tonnen Steckerschrott im Jahr produziert. Nun aber könnte es mit dieser kleinen EU-Erfolgsgeschichte bald vorbei sein.

Die freiwillige Selbstverpflichtung der Hersteller hatte nämlich, was damals unter den Tisch fiel, ein Verfallsdatum: Ende Dezember lief sie aus. Der zuständige EU-Kommissar Antonio Tajani bat um Verlängerung – und bekam von den Herstellern eine Abfuhr. „Ich bedauere diese Haltung zutiefst“, sagte der Italiener kürzlich in einem Interview. Die EU-Kommission hat daher den ersten Schritt zu einem Gesetzgebungsverfahren eingeleitet, an dessen Ende die Pflicht zum Einheitsstecker stehen könnte: Die Beamten klären vorab, welche Staaten was vorschreiben. Zudem wird geprüft, ob es den Standard nicht auch für andere mobile Endgeräte wie Digitalkameras, Tablet-PCs, Musik-Player oder Navigationsgeräte geben soll.

Für den Verbraucher ist es nicht leicht einzusehen, warum die Hersteller sich so schwertun mit der Einigung auf ein einheitliches Ladegerät – schließlich kauft niemand ein Smartphone oder Handy, nur weil es einen coolen Stecker hat. Doch wer in diesen Tagen versucht, bei Samsung, Nokia oder Apple zu erfahren, warum sie die Selbstverpflichtung nicht verlängern wollen, hat wenig Glück.

Bei Samsung kann nur die Zentrale in Südkorea Auskunft geben, doch die schweigt. Bei Nokia gibt es immerhin ein kurzes Statement auf Englisch: Die freiwillige Selbstverpflichtung auf ein einheitliches Ladegerät habe einen guten Dienst bei der Harmonisierung des Marktes rund um Ladegeräte geleistet, heißt es darin. Nokia unterstütze diese Anstrengungen im Interesse der Verbraucher und sei in Gesprächen mit der Kommission über eine Verlängerung der Selbstverpflichtung. Von Apple kommt nur der Verweis auf eine Internetseite der EU zum Thema. Dazu der Hinweis, dass Apple die Selbstverpflichtung erfülle, auch wenn Apple-Geräte nur mittels Adapter an den sonst in der Industrie verwendeten Mikro-USB-Anschluss passen.

Deutlich gesprächiger als die Unternehmen ist ihr Verband Digital-Europe in Brüssel. Dort sieht man keine Notwendigkeit für ein neues Abkommen – und für ein Gesetz schon gar nicht. Kein Hersteller würde nun auf die Idee kommen, die für die aktuelle Generation der Geräte erreichte Harmonisierung wieder zu ändern. Daher gebe es auch keinen Grund für eine neue Selbstverpflichtung. Der derzeitige technische Geltungsbereich dieser Vereinbarung werde aber bereits in ein oder zwei Jahren an seine technischen Grenzen stoßen. Bereits heute würden Ladekabel nicht nur zum Aufladen des Akkus genutzt. Vielmehr ließen sich mit ihrer Hilfe Daten synchronisieren oder Video- und Audiodaten übertragen. Aus dem Ladekabel sei längst ein Multifunktionskabel geworden. Wichtiger sei es daher, an gemeinsamen Normen zu arbeiten. Daran hätten auch die Hersteller ein Interesse. Ein Gesetz würde nach Auffassung des Digital-Verbands dagegen Innovationen nur behindern und so die Kunden in Europa benachteiligen.

Das Argument stößt in politischen Kreisen auf wenig Verständnis. „Es ist ja nicht so, dass sich bis Ende 2012 auf dem Handymarkt nichts getan hätte“, heißt es in der EU-Kommission. Tajani vermutet vielmehr eine Abkehr von der mühsam zustande gekommenen Übereinkunft von vor vier Jahren. „Möglicherweise wollen die Anbieter auch beim Netzteil wieder gegeneinander in den Wettbewerb ziehen und wieder getrennte Systeme anbieten“, sagt sein Sprecher.

Möglicherweise hat die Drohung mit einem Gesetz aber auch schon ausgereicht. Bei Digital-Europe erfährt man, dass die Hersteller eine gemeinsame Stellungnahme vorbereiten. Sie soll der Kommission in den kommenden Wochen vorgelegt werden. Auch in Tajanis Abteilung heißt es, man warte auf einen Brief der acht größten Hersteller. Darin sollen sie „versichern, dass sie nicht hinter den aktuellen Stand zurückgehen“. Noch ist er nicht da.

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