zum Hauptinhalt

Wirtschaft: „Einige Kassen arbeiten unseriös“

DAK-Chef zur Gesundheitsreform

HERBERT REBSCHER

ist Vorstandsmitglied der Deutschen AngestelltenKrankenkasse DAK, eines der größten Institute mit fünf Millionen Mitgliedern.

Foto: Mike Wolff

Herr Rebscher, warum verzichten die Kassen nicht auf die Praxisgebühr?

Das geht nicht. Die Praxisgebühr war eine politische Entscheidung. Die Einnahmen und die ganze Gesundheitsreform sind Basis der Kassen-Haushalte und der angepeilten Beitragssenkungen für dieses Jahr. Wer die Gebühr abschaffen will, muss einen Vorschlag zur Gegenfinanzierung machen – steigende Beiträge kann niemand wollen. Die Diskussion um die Gebühr ist übrigens aufgebauscht – in der Praxis gibt es viel weniger Probleme oder Klagen von den Patienten. Das bestätigen auch Ärztefunktionäre.

Trotzdem finden viele Sozialdemokraten die Gebühr unsozial.

Ich sehe nicht, dass es für das Zurückdrehen der Reform eine Mehrheit gäbe. Dazu ist die Zustimmung der Opposition nötig. Die Diskussion in der SPD muss jetztaufhören, sonst werden die Menschen weiter verunsichert.

Ärzte, Apotheker oder Pharmafirmen sind bei der Reform gut weggekommen. Kann man sie nicht stärker be- und die Patienten entlasten?

Alle Gruppen im Gesundheitswesen sind belastet – nicht zu knapp. Die Patienten sind besonders belastet. Aber die Praxisgebühr ist gerechter als höhere Zuzahlungen für Menschen, die auf Arzneien angewiesen sind.

Bislang sind die Beiträge im Schnitt nur wenig gesunken, von 14,32 auf 14,27 Prozent. Sind für ein weiteres Absinken neue Reformen nötig?

In diesem Jahr rechne ich damit, dass der Beitrag auf 14 Prozent sinken wird. Die DAK wird jeden Spielraum nutzen, ihren Beitrag weiter zu senken. Ansatz könnten die Entlastungen beim Zahnersatz und beim Krankengeld sein, wenn die Patienten demnächst den Arbeitgeberanteil mittragen müssen. 2003 lag das Kassen-Defizit bei drei Milliarden Euro – das müssen viele erst erwirtschaften. Es kann sein, dass einige Kassen mit den Beiträgen runtergehen, obwohl sie es sich betriebswirtschaftlich gar nicht leisten können.

Wieso?

Einige Kassen arbeiten unseriös: Sie senken für ein paar Monate den Beitragssatz, um junge, gesunde Versicherte anzulocken, und heben ihn dann wieder an. Das hat mit fairem Wettbewerb und Wirtschaftlichkeit nichts zu tun, das ist Zockerei. Die Konkurrenz der Kassen hat mittlerweile ruinöse Züge angenommen.

Besteht die Gefahr, dass einige Kassen nicht überleben?

Womöglich. Das Problem ist, dass durch ungerechten Wettbewerb die großen Versorgerkassen mit ihrer gemischten Versichertenstruktur junge, gesunde Mitglieder verlieren. Die Folge sind ungleich verteilte Finanzen. Das ganze Solidarsystem gerät aus den Fugen, wenn sich große Kassen um die Versorgung Kranker kümmern und Billigkassen mit Dumpingpreisen gesunde Versicherte ködern, die keine Leistung beanspruchen.

Wissen Sie einen Ausweg?

Es muss Wettbewerb um Qualität geben, nicht nur über den Beitragssatz oder Bonusprogramme. Eine gute Kasse bietet eine bessere Versorgung zu einem guten Preis. Und der Finanzausgleich unter den Kassen muss so geändert werden, dass sich die Rosinenpickerei nicht mehr lohnt.

Das Gespräch führte Carsten Brönstrup.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false