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Wirtschaft: Eins bedingt das andere

IWF und Weltbank wollen im Gegenzug für Kredite liberale Reformen

Von Michael Schmidt

Heidemarie Wieczorek-Zeul sah’s mit Genugtuung. Ein Paradigmenwechsel sei das, sagte die Entwicklungsministerin Anfang der Woche in New York, wenn die Weltbank jetzt mehr Chancengleichheit für die Armen fordere. In der Tat haben Umweltschutzorganisationen und globalisierungskritische Gruppen die Förderpraxis der Weltbank – wie auch des Internationalen Währungsfonds IWF – in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder angegriffen.

Im Zentrum der Kritik stehen die so genannten Strukturanpassungsprogramme (SAP). In den 80er Jahren gerieten die Entwicklungsländer in eine Verschuldungskrise. Durch den Ölpreisschock. Und durch eine Politik, die gepumptes Geld nicht investierte, sondern verkonsumierte. Damals standen IWF und Weltbank bereit, um auszuhelfen – aber nur unter Bedingungen: Reduzierung der Staatsausgaben, Privatisierungen von Unternehmen, Öffnung der Märkte, Deregulierung des Arbeitsmarktes. Die SAP zwangen die Entwicklungsländer auf einen neoliberalen Kurs.

Kritiker erwähnen gerne die sozialen Unruhen, die in vielen afrikanischen Ländern durch den liberalen Kurs erst entstanden sind. Auch der wirtschaftliche Erfolg ist zweifelhaft: „Afrikas Wirtschaften wachsen heute sicherlich nicht schneller als vor 20 Jahren“, sagt zum Beispiel Stephan Klasen, Direktor des Göttinger Ibero-Amerika-Instituts für Wirtschaftsforschung. Der Schuldenstand von SAP-Teilnehmerländern sei zum Teil sogar gestiegen. Im Falle Argentiniens, das sich lange an die vom IWF geforderte Haushaltsdisziplin hielt, hätten die Haushaltskürzungen in Zeiten der einsetzenden Rezession die folgende Staatskrise deutlich forciert, die Arbeitslosigkeit in die Höhe getrieben, Unruhen begünstigt.

In den 90er Jahren wurde die Kritik auch von Seiten der Geberländer aufgenommen. Prominentestes Beispiel: der Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften und Chefvolkswirt der Weltbank 1997 bis 2000, Joseph Stiglitz: „Wer trifft denn die Entscheidungen?“, fragt Stiglitz. Eine Antwort: Die Industriestaaten. Denn die Stimmenverteilung in IWF und Weltbank richtet sich nach den Beiträgen der Mitgliedsländer zur Finanzierung der Organisationen. Größter Anteilseigner sind die USA, die gemeinsam mit der EU und Japan über eine Mehrheit von über 50 Prozent verfügen. Die zweite Antwort: Die Spitze des IWF, die Finanzminister und Zentralbankchefs. „Wenn es nur darum ginge, Verrechnungsverfahren zu verbessern, würde das niemand anfechten“, sagt Stiglitz. „Aber die Entscheidungen des IWF haben unmittelbare Auswirkungen auf die Arbeitslosenquote, die Umwelt, und auf das Gesundheitswesen.“

So habe das Eingreifen des IWF in Thailand zu Budgetkürzungen und Arbeitslosigkeit geführt. Die Regierung musste die Ausgaben für Aids-Vorbeugungsmaßnahmen reduzieren – die Zahl der Aids-Fälle stieg wieder. Stiglitz zufolge will der IMF oft Einfluss auf politische Themen nehmen, die jenseits seiner eigentlichen Mission stehen.

Stiglitz’ Klage über „exzessive Bedingungen“ scheint zumindest erhört worden zu sein – bei der Weltbank heißt es, das Thema solle auch auf der Agenda der Herbsttagung der Weltbank und des IWF kommendes Wochenende stehen, man wolle über eine Verringerung der Bedingungen sprechen.

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