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Wirtschaft: Elf Aquitaine werden neben der CDU-Spendenaffäre noch andere Verwicklungen nachgesagt

Frankreichs Manager des Jahres 1999, Totalfina-Chef Thierry Desmarest, wird eben dieses Erfolgsjahr noch so manch schlaflose Nacht bereiten. Desmarest, ein umgänglicher und nüchterner Typ, der sich ungern in den Vordergrund stellt und daher unter Kollegen "Monsieur Passe-par-tout" genannt wird, hatte erst vor einem Jahr seinen Ölkonzern Total mit dem belgischen Wettbewerber Petrofina vereinigt.

Frankreichs Manager des Jahres 1999, Totalfina-Chef Thierry Desmarest, wird eben dieses Erfolgsjahr noch so manch schlaflose Nacht bereiten. Desmarest, ein umgänglicher und nüchterner Typ, der sich ungern in den Vordergrund stellt und daher unter Kollegen "Monsieur Passe-par-tout" genannt wird, hatte erst vor einem Jahr seinen Ölkonzern Total mit dem belgischen Wettbewerber Petrofina vereinigt. Der Deal war gerade rechtswirksam, da stürzte sich Desmarest in den Kräfte zehrenden Kampf um den Kauf von Elf Aquitaine.

Im Getümmel um Akquisitionen und Havarien hat er jedoch vermutlich Entscheidendes übersehen. Der Sumpf von politischer Einflussnahme und Korruption bei dem im Herbst erworbenen, einst staatlichen Ölkonzern Elf Aquitaine ist womöglich noch lange nicht trockengelegt - wie die mutmaßliche Verwicklung des Ölriesen in die CDU-Spendenaffäre einmal mehr zu belegen scheint. Die Politik hat bei Elf schon immer eine entscheidende Rolle gespielt. Als Staatsbetrieb sollte der Konzern nach der Gründung in den sechziger Jahren die Rohstoffinteressen Frankreichs in seinen ehemaligen afrikanischen Kolonien gegen die Konkurrenz der angelsächsischen Multis wahrnehmen - eine Aufgabe, die mit unternehmerischen Mitteln kaum zu bewältigen war. Weshalb die Politik im Hintergrund stets die Fäden zog.

Die engen Kontakte zwischen politischer Macht und unternehmerischer Leitung, mit denen es bei der Privatisierung von Elf 1994 für immer ein Ende haben sollte, waren die Basis für ein System, dem das Wort "Filz" nicht gerecht würde. Stets achtete der Staat darauf, dass an der Elf-Spitze Manager standen, die vorrangig das Wohl Frankreichs im Auge hatten: Was gut sein soll für die Firma Elf, muss auch gut sein für die Grande Nation. Daraus entwickelte sich ein Staat im Staate, der die Gesetze oft nach eigenem Gutdünken interpretierte und sich stets mit einem Schleier der Geheimhaltung umgab.

Das ist bis heute sichtbar - vor allem auch in der leidigen Übernahme der Leuna-Raffinerie, die in der CDU-Spendenaffäre noch eine entscheidende Rolle spielen könnte. Auch wenn die französische Justizministerin Elizabeth Guigou, früher eine enge Beraterin Francois Mitterrands, gestern erklärte, dass eine angebliche Wahlkampfhilfe des Konzerns an Ex-Kanzler Helmut Kohl "höchst unwahrscheinlich" sei.

Einem ARD/France-2-Report zufolge soll nach Aussagen eines engen Mitarbeiters des früheren Präsidenten Mitterrand, dessen Identität die Sender allerdings strengstens geheim halten, der Präsident selbst bei Elf den Geldfluss in Richtung Deutschland in Gang gesetzt haben. Von 30 Millionen Mark ist die Rede. "Hat Mitterrand Kohl finanziert?" titelt erschreckt sogar der "Figaro", der zu Lebzeiten des sozialistischen Staatschefs diesem nicht sonderlich gewogen war. Auch in Frankreich beginnt derzeit ein Denkmal mächtig zu wanken, das in den letzten Jahren so manche Erschütterung beinahe unbeschadet überstanden hat.

Das müsste nicht die Sorge des neuen Konzernchefs Thierry Desmarest sein, wäre nicht seine Akquisition Elf tief verstrickt in diese und andere Affären. Und das, obwohl der anlässlich der Übernahme inzwischen geschasste Elf-Sanierer Philippe Jaffré, der mittlerweile als verschwiegener Unternehmensberater in Paris tätig ist, bei seinem Amtsantritt 1993 hoch und heilig versprochen hatte, das Unternehmen aus dem Dunstkreis der Politik herauszulösen - wobei er keine glückliche Hand bewiesen hat.

Im August 1993 hatte Jaffré, ein Vertrauter des damaligen konservativen Premiers Edouard Balladur, den persönlich in zahlreiche Affären verwickelten Le Floch-Prigent an der Spitze von Elf abgelöst. Jaffré, der auch bei seinen engsten Mitarbeitern als verschlossen und kalt galt, machte sich als "Monsieur Shareholder-Value" einen Namen - und bei den alten Seilschaften in seinem Unternehmen viele Feinde.

Im November desselben Jahres entdeckte der Rechnungshof, dass Elf von 1988 bis 1993 durch "riskante Investments" 2,5 Milliarden Franc verloren hatte. Jaffré hetzte seinem Vorgänger die Staatsanwälte auf den Hals. Ab 1996 schließlich ermittelte die Pariser Richterin Eva Joly gegen Jaffrés Vorgänger Le Floch-Prigent wegen Veruntreuung und Bilanzfälschung. Fortan stach die Justiz in immer neue Wespennester - eines von vielen hieß Leuna.

Dabei hatte Jaffré das 1992 vereinbarte Raffinerieprojekt, das ihm sein Vorgänger hinterlassen hatte, von Beginn an mit spitzen Fingern angefasst. "Nicht rentabel" soll sein Verdikt gelautet haben. Jaffré versuchte, aus dem Vertrag auszusteigen. Ein Brief des damaligen Bundeskanzlers Kohl an Premier Balladur mag dazu beigetragen haben, dass Jaffré sein Urteil revidierte und sich mit einer Zusage der Treuhand zufrieden gab, Elf später zu Marktpreisen ein Drittel der Leuna-Trägerfirma Mider abzunehmen.

Wer Jaffrés Saubermann-Programm beobachtete, musste sich allerdings auch fragen, warum er die Schlüsselfigur in Sachen Leuna auf Seiten des Konzerns in ihrer Funktion beließ. Elfs alter Leuna-Unterhändler Hubert Le Blanc Bellevaux behielt unter Jaffré seinen Zugang zur Konzernspitze, wie die "Libération" süffisant vermerkt. Le Blanc Bellevaux hat sich beim Leuna-Vertrag für Elf um das Kleingedruckte gekümmert und dabei zweifellos die Bekanntschaft des ehemaligen CDU-Schatzmeisters Walther Leisler Kiep gemacht. Der trat damals für den Versicherungsmakler Gradmann & Holler auf, wurde aber, da ist sich das Blatt sicher, bei Elf als Berater des Kanzlers eingeordnet.

Warum Jaffré seinen Konzern zwar formell von der Politik trennte, deren Diener aber nicht konsequent von der Lohnliste strich - auf diese Frage muss Elf-Käufer Desmarest, Jaffrés Nachfolger, schleunigst eine Antwort finden. Sonst könnte die Sanierung von Elf am Ende zum zweiten Male auf halbem Wege in einer der vielen alten Affären stecken bleiben. Nach sechs Jahren Sanierungsarbeit hatte Jaffré im Februar 1999 die affärenreiche Vergangenheit von Elf schon einmal abschließen wollen.

Vergeblich. Nur zwei Monate später, im April, vertraute die Ex-Frau von Le Floch-Prigent der Öffentlichkeit an, sie habe von Elf aus der Schweiz 18 Millionen Franc zur Begleichung der Kosten ihrer Scheidung erhalten. Im Oktober kam im Zuge von Schweizer Ermittlungen ans Licht, dass zwischen 1990 und 1997 rund 600 Millionen Franc von Konten des "Monsieur Afrique" bei Elf, André Tarallo, an afrikanische Staatsoberhäupter geflossen sind. Und jetzt sorgt die CDUSpendenaffäre mit dem Leuna-Deal wieder für negative Schlagzeilen.

Andreas Bohne

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