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Energie: Gasag muss mit Klagewelle rechnen

Der Berliner Gasversorger Gasag prüft derzeit, ob und wie er mehr als 300.000 Sondervertragskunden Geld zurückerstattet. Hintergrund ist ein Urteil des Bundesgerichtshof. Rechtsexperten und Verbraucherschützer empfehlen eine freiwillige Rückzahlung.

Berlin - Der Berliner Gasversorger Gasag muss womöglich mehr als 300 000 Sondervertragskunden Geld zurückzahlen, das er unter Anwendung einer unzulässigen Tarifklausel eingenommen hat. Davon sind Rechtsexperten und Verbraucherschützer überzeugt, nachdem sie die jetzt veröffentlichte Begründung eines Urteils des Bundesgerichtshofes (BGH) studiert haben, das vor gut drei Wochen gegen die Gasag erlassen worden war.

Anders als in ersten Einschätzungen direkt nach Verkündung des Urteilsspruches Mitte Juli, gehen die Experten jetzt davon aus, dass der Versorger nicht nur rund 50 000 Kunden entgegenkommen muss, die zwei Tariferhöhungen im Oktober 2005 und Januar 2006 ausdrücklich nur unter Vorbehalt gezahlt haben. Mehr als 300 000 Sondervertragskunden könnten einen Anspruch haben – das sind zumeist Privatleute, die nicht nur mit Gas kochen, sondern auch heizen. Diese haben im Zuge der vom BGH beanstandeten Tariferhöhung durchschnittlich 100 bis 200 Euro mehr an die Gasag gezahlt.

Kurt Markert, der elf Jahre die Energieabteilung beim Bundeskartellamt geleitet hat und heute als Honorarprofessor am Fachbereich Rechtswissenschaft der FU Berlin tätig ist, rät der Gasag, die Kunden „freiwillig und angemessen“ zu entschädigen. „Tut sie es nicht, hätten ihre Kunden sehr gute Chancen, das Geld auf dem Rechtswege zu erstreiten“, sagte Markert am Freitag. Er stützt sich im Kern auf die vom BGH nun festgestellte Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel, wie sie in den Sonderverträgen der Gasag bis Anfang 2007 verwendet worden ist (Aktenzeichen: VIII ZR 225/07).

Aus der Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel folge – so der Experte –, dass der Versorger sich „ungerechtfertigt bereichert“ habe und deshalb diesen Kunden zur Rückgewähr verpflichtet sei. „Zur Rückforderung von überbezahlten Geldleistungen sind nicht nur die Kunden berechtigt, die der Preiserhöhung durch Klage oder durch Zahlung nur unter Vorbehalt rechtzeitig widersprochen haben, sondern auch alle anderen betroffenen Kunden“, lautet Markerts Fazit.

Dass es so sein könnte, fürchtet man offenbar auch bei der Gasag, wo man die Urteilsbegründung noch intensiv studiert. Schließlich geht es schätzungsweise um 30 bis 50 Millionen Euro, sollten alle betroffenen Kunden Geld zurückbekommen. Führende Gasag-Manager sind am Donnerstag daher schon zu einem ersten Sondierungsgespräch in die Berliner Verbraucherzentrale gekommen, um mit den Verbraucherschützern die Möglichkeiten eines Kompromisses auszuloten. Gasag-Sprecher Klaus Haschker wollte am Freitag nicht skizzieren, wie so ein Kompromiss aussehen könnte. „Innerhalb der nächsten zwei Wochen wollen wir die Prüfung des Urteils abgeschlossen haben und eine Lösung vorlegen“, sagte er dem Tagesspiegel.

Die Lösung könnte auch lauten, dass die Gasag nichts tut. „In dem Fall muss die Gasag aber mit einer Klagewelle rechnen“, sagte Bernd Ruschinzik, Jurist bei der Verbraucherzentrale. Sollte die Gasag ihren Kunden nicht weit genug entgegenkommen, prüft sein Haus bereits, eine Einziehungsklage anzustrengen. Dabei würde die Verbraucherzentrale Unterlagen von hunderten Gasag-Kunden sammeln, die ihre Ansprüche an die Verbraucherschützer abtreten. Die Experten würden ausgewählte Fälle erneut vor Gericht bringen. „In einem ganz ähnlichen Fall hat die Verbraucherzentrale in NRW erst im Mai den Versorger RWE erfolgreich in die Schranken gewiesen“, sagte Ruschinzik.

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