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Dann gehen die Lichter aus. Oder auch nicht. Ob das Stromnetz zusammenbricht, weil es zu wenig Atomstrom gibt, ist umstritten. Wenn doch, helfen nur noch Kerzen.

© ddp

Energie: Regierung fürchtet Blackout

Stromkonzerne und Regierung befürchten Engpässe im Winter, sollten die derzeit wegen des Moratoriums abgeschalteten Atomkraftwerke nicht wieder ans Netz gehen. Doch nicht alle Fachleute teilen diese Meinung.

Berlin - Der Sonne sei dank. Ausgerechnet der Solarstrom, von Kritikern als zu teuer und zu ineffizient gebrandmarkt, ist nach Einschätzung der vier bundesweiten Stromnetzbetreiber dafür verantwortlich, dass es trotz des Atom-Moratoriums bisher nicht zu größeren Stromausfällen gekommen ist. Außerdem habe es ein ausreichend großes Importangebot gegeben, schreiben die Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz, Amprion, EnBW und Tennet in einer gemeinsamen Erklärung.

Derzeit sind nur noch vier von 17 deutschen Atomkraftwerken am Netz. Sieben sind wegen des Moratoriums nach der Atomkatastrophe von Fukushima abgeschaltet worden, die anderen sind wegen Wartungsarbeiten vom Netz.

Für den Winter befürchten die vier Unternehmen aber das Schlimmste. Sollten die derzeit wegen des Moratoriums abgeschalteten Atomkraftwerke nicht wieder ans Netz gehen, argumentieren die vier Unternehmen, könnten „in Süddeutschland an einigen sehr kalten Wintertagen mit geringer Windeinspeisung circa 2000 Megawatt an gesicherter Erzeugungsleistung fehlen“. Diese Sorge vor Stromausfällen im Winter müssten ernst genommen werden, sagte Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) am Montag in Berlin. Das Umweltministerium von Norbert Röttgen (CDU) betonte, die Lage im Netz sei schwierig, aber beherrschbar.

Auch nach ersten Einschätzungen der Bundesnetzagentur vom April ist lediglich im Winter mit möglichen Engpässen im Stromnetz zu rechnen. Allerdings kann Felix Matthes vom Öko-Institut die Bedenken nicht nachvollziehen. Er hat in einer Studie für die Umweltstiftung WWF untersucht, über wie viel Reservekapazität „oberhalb der Höchstlast“ Deutschland verfügt. Und da „gibt es noch erhebliche Kapazitäten“, stellt Matthes fest. Zudem stünden die meisten „Kaltreserverkraftwerke überwiegend in Süddeutschland“. Derzeit liege der Strombedarf rund 10 000 Megawatt unter der Höchstlast, die an wenigen Tagen über einen Zeitraum von wenigen Stunden imWinter erreicht werde.

Uwe Leprich von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Saarbrücken kritisiert den Brandbrief der Netzbetreiber. „Es gibt keine allgemein zugänglichen Daten“, die es ermöglichen würden, die Warnungen nachzuvollziehen. Zudem sei Amprion noch immer im Besitz des zweitgrößten deutschen Energiekonzerns RWE und EnBW hat seine Netzgesellschaft ebenfalls nicht verkauft. Die „Interessen sind teilweise noch verknüpft“, sagt Leprich. Der Professor rechnet jedenfalls nicht damit, dass es im Winter großflächige Stromausfälle geben wird, wenn es dabei bleibt, dass die sieben ältesten Atomkraftwerke dauerhaft abgeschaltet bleiben. Auch die Bundesnetzagentur hatte in ihrem ersten Gutachten zur Netzstabilität nach dem Moratorium lediglich davor gewarnt, noch weitere Atomkraftwerke schnell vom Netz zu nehmen.

Die Netzunternehmen argumentieren, dass im Winter weniger Solarstrom zur Verfügung stehe und dass in dieser Zeit des höchsten Stromverbrauchs in Europa auch die europäischen Nachbarn Probleme hätten, Netzinstabilitäten durch Exporte auszugleichen. In dem Schreiben deuten sie an, dass sie sich größere Eingriffsmöglichkeiten in den Kraftwerkspark wünschen. Sie bemängeln, dass ihnen die Kraftwerksdaten für Anlagen in den Netzen unterhalb der Höchstspannungsebenen, fehlten.

Die Forschungsstelle für Energiewirtschaft hat in einem Gutachten für die Firma Entelios ermittelt, dass es auch Möglichkeiten gäbe, das Netz von der Nachfrageseite her zu stabilisieren. Dabei geht es um die Möglichkeit, beispielsweise Kühlhäuser dann vom Netz zu nehmen, wenn besonders viel Strom gebraucht wird, und wieder anzuschließen, wenn die Nachfrage gering ist. Nach der Studie gäbe es in einem Zeitraum bis zu einer Stunde ein Potenzial von 2000 Megawatt, das in solchen Lastspitzen vom Netz genommen werden könnte. Entelios bietet solche Dienstleistungen schon an, obwohl es bisher dafür kaum Marktanreize gibt.

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