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Dicke Pleite. Eine halbe Milliarde Euro haben Kunden bei Teldafax verloren. Jetzt müssen sich die Manager verantworten.

© picture alliance / dpa

Energie: Teldafax-Chefs vor Gericht

750.000 Gläubiger des Energiehändlers können auf Gerechtigkeit hoffen – aber wohl nicht auf ihr Geld.

Mit fast einem Jahr Verspätung geht die strafrechtliche Aufarbeitung einer der größten Pleiten der deutschen Nachkriegsgeschichte in die entscheidende Phase. Am heutigen Montag beginnt vor dem Landgericht Bonn die Hauptverhandlung gegen die ehemaligen Chefs des insolventen Energiehändlers Teldafax aus Troisdorf bei Köln. Die Staatsanwaltschaft wirft den ehemaligen Chefs Klaus Bath, Gernot Koch und Michael Josten gewerbsmäßigen Betrug in 241 Fällen, Bankrott in vier Fällen sowie Insolvenzverschleppung vor.

Nach Ansicht der Ankläger war die Holding der Teldafax-Töchter, die mit aggressiven Billig-Tarifen für Strom und Gas den Markt aufmischten, bereits Mitte 2009 zahlungsunfähig und überschuldet. Doch die Teldafax-Spitze dementierte bis zuletzt alle Berichte über eine Schieflage, sammelte weiter Geld bei Kunden ein. Erst im April 2011 stellte sie den Insolvenzantrag. Seither warten 750.000 Gläubiger, der überwiegende Teil davon Energieverbraucher, auf zu viel gezahltes Geld oder versprochene Bonuszahlungen.

Kaum Chance für Teilrückzahlung an Kunden

Insgesamt geht es um rund eine halbe Milliarde Euro. Gemessen an der Zahl der Geschädigten galt Teldafax als der bisher größte Pleitefall – bis April 2013. Da folgte der Berliner Konkurrent Flexstrom, der ein ähnliches Geschäftsmodell verfolgte. Nach der Flexstrom- Pleite warten sogar rund 835.000 Gläubiger auf Geld.

Während der Flexstrom-Insolvenzverwalter den ehemaligen Kunden immerhin eine Teilrückzahlung ab dem Jahr 2017 in Aussicht stellt, ist bei Teldafax angeblich nicht sehr viel zu holen. „Wir werden das Verfahren mit Interesse beobachten, für die Ansprüche der Gläubiger hat es aber wohl keine größere Bedeutung“, sagte ein Sprecher des Insolvenzverwalters Biner Bähr dem Tagesspiegel.

Doppelt geschädigte Kunden

Bähr hatte in den vergangenen zweieinhalb Jahren durchaus aggressiv Geld gesucht. So ließ er sogar bei einigen ehemaligen Teldafax-Kunden ausstehende Zahlungen eintreiben, obwohl diese ihrerseits noch Ansprüche hatten. Die fühlen sich doppelt geschädigt. Immerhin 16 Millionen Euro holte Bähr vom Fußballbundesligisten Bayer Leverkusen zurück. Der Verein hatte das Geld für das Trikotsponsoring bekommen, als ihm schon klar gewesen sein müsste, dass die Firma pleite ist, argumentierte Bähr.

Die Pleiten von Teldafax und Flexstrom haben Verbraucher vorsichtig werden lassen – und auch die Tarifvergleichsportale wie Toptarif und Verivox. Letzteren wurde vorgeworfen, nicht gut genug Licht in den Tarifdschungel zu bringen, was es den beiden Energiehändlern ermöglichte, mit Billigangeboten für Strom und Gas ganz oben auf ihren Listen zu landen, etwa, weil sie den Kunden eine Bonuszahlung nach einer gewissen Vertragslaufzeit einräumten. Die wurden mitunter aber nur verspätet, nur teilweise oder gar nicht gezahlt. Beide Unternehmen gewährten zudem kräftige Rabatte bei Vorkasse, was am Ende vielen Kunden zum Verhängnis wurde.

Vorkassemodell auf dem Rückzug

„Boni sind auch heute nicht grundsätzlich schlecht“, sagt Verivox-Sprecherin Dagmar Ginzel. Allerdings rate sie Wechselwilligen, in den Portalen die Bewertungen der anderen Kunden zu lesen. „Das macht man doch auch beim Online-Kauf eines DVD-Players so. Das schützt vor Negativerfahrungen“, sagt Ginzel.

Auch bei der Bundesnetzagentur, die für die Regulierung der mehreren hundert Stromanbieter und -händler hierzulande zuständig ist, hat man Veränderungen im Markt seit den beiden Megapleiten beobachtet. „Das Vorkassemodell, bei dem der Kunde auf einen Schlag viele hundert Euro zahlt, spielt heute keine große Rolle mehr“, erklärt Netzagentursprecher Fiete Wulff. Kundenbeschwerden bezögen sich heute zum Beispiel auf dauerhaft überhöhte Abschläge. „Das ist das Vorkassemodell 2.0.“ Aber auch nicht gezahlte Boni und intransparente Regeln in den Tarifen gäben immer noch häufig genug Anlass für Beschwerden.

Keine ähnlichen Pleiten in Sicht

Im vergangenen Jahr hatte die Netzagentur ein Zwangsgeld gegen den Anbieter Care Energy verhängt. Deren Manager konnten mit Kampfpreisen auftreten, da sie meinten, spezielle Entgelte nicht zahlen zu müssen. Schließlich seien sie Stromdienstleister, keine Händler. Mit dieser Spitzfindigkeit kamen sie nicht durch.

Derzeit ermittelt die Bundesnetzagentur gegen das Unternehmen Immergrün, das wie die Almado Energy zum Unternehmen 365 AG mit Sitz in Köln gehört, bestätigt Behördensprecher Wulff. 365 vertreibt auch unter der Marke „Meisterstrom“. Laut Schlichtungsstelle Energie gehört dieser Energieanbieter zu den wenigen Unternehmen, die allein für einen Großteil der dort vorgebrachten Beschwerden verantwortlich sind. Die 365-Gruppe beliefert mehr als 260 000 Strom- und Gaskunden bundesweit. Eine finanzielle Schieflage wie bei Teldafax oder Flexstrom zeichne sich aber derzeit nirgendwo im Markt ab, sagt Netzagentur-Sprecher Wulff.

Verhandlungen bis August

Das ist gut für die Gerichte, die mit Großpleiten an ihre Grenzen stoßen. So standen die drei ehemaligen Teldafax-Köpfe bereits vor einem Jahr vor Gericht. Der Prozess platzte aber am zweiten Verhandlungstag aus Verfahrensgründen. Das Landgericht hatte eine Hilfsstrafkammer eingesetzt, was es so nicht hätte tun dürfen. Nun beginnt alles noch mal von vorn. Man habe die Anklageschrift nicht verändert, teilt die Staatsanwaltschaft mit. Angesetzt sind 34 Hauptverhandlungstage bis zum 11. August.

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