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Drei Stunden bevor sich die Parteichefs zum Energiegipfel im Bundeskanzleramt trafen, demonstrierten noch einmal ein paar Hundert Leute für den Kohleausstieg.

© Soeren Stache/dpa

Energiewende: Energiegipfel inmitten der griechischen Chaostage

Bei einem Gipfel im Kanzleramt wollen die Parteichefs die Blockaden der Energiewende auflösen. Da geht es um die Braunkohle und um die Stromnetze.

Berlin - Die Streitpunkte sind zahlreich. Es gab also gute Gründe, den seit Wochen angekündigten Energiegipfel im Kanzleramt am Mittwochabend tatsächlich mit der Energiewende zu verbringen. Doch die Parteichefs der Regierungskoalition Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD), Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), Kanzleramtsminister Peter Altmaier und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) dürften wohl auch über die Chaostage in Griechenland gesprochen haben. Das Treffen war bei Redaktionschluss noch nicht beendet.

Gabriel ging mit der Hoffnung in das Treffen, endlich eine Einigung bei den wichtigsten offenen Streitpunkten zu erzielen: die Zukunft der Braunkohle und das deutsche Klimaziel, den Ausbau des Höchstspannungs-Stromnetzes, den künftigen Strommarkt sowie die Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), bei der gleichzeitig Wärme und Strom erzeugt wird. Zudem sollte der Streit um die Unterbringung der Castoren mit Atommüll aus der Wiederaufarbeitung im Ausland eine Rolle spielen. Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) will bis zu neun Castoren in Bayern unterbringen. Doch auch da verweigerte Horst Seehofer bisher jede Mitarbeit. Und nun ist auch noch bekannt geworden, dass Bayern vorhat, von 2018 an die abgebrannten Brennelemente aus dem Forschungsreaktor Garching bei München in 17 Transporten bis 2036 ins zentrale Zwischenlager Ahaus in Nordrhein-Westfalen zu bringen.

Am Mittwochnachmittag hatten die Umweltverbände vor dem Kanzleramt demonstriert. Mit Protestkundgebungen und einer Menschenkette warben sie noch einmal für die vom Wirtschaftsministerium im Frühjahr vorgeschlagene Klimaabgabe. Damit würden alte Kohlekraftwerke, wenn sie mehr als einen Freibetrag Kohlendioxid (CO2) produziert haben, dazu gezwungen, zusätzliche CO2-Zertifikate des europäischen Emissionshandels zu kaufen, die dann stillgelegt würden. Mit diesem Instrument könnten die 22 Millionen Tonnen CO2, die bis 2020 im Stromsektor zusätzlich eingespart werden sollen, erreicht werden.

Alternativ liegt das Konzept einer Klima-Reserve auf dem Tisch. Gabriel hat dieses Modell mit dem Düsseldorfer Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) und dem Chef der Gewerkschaft IG BCE, Michael Vassiliadis, erarbeitet. Dabei würden 2,7 Gigawatt Braunkohleleistung in die für die Reform des Strommarktes ohnehin geplante „Kapazitätsreserve“ eingestellt, diese sollen vier Jahre lang finanziert werden, bis die Anlagen dann stillgelegt würden. Claudia Kemfert, Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), hat mit zwei Kollegen errechnet, dass dieses Modell lediglich einen Klimabeitrag von zwei bis drei Millionen Tonnen CO2 leisten würde.

Der Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter, sagte: „Die Kanzlerin hat ihren Vize wochenlang im Regen stehen lassen, damit Koalitionäre, Kohleindustrie und Gewerkschaften ihn mürbe kneten.“ Vassiliadis wiederum hatte gemeinsam mit der Industrie vor „Strukturbrüchen“ mit hohen Jobverlusten gewarnt. Um die zu vermeiden, müssten nach Berechnungen des Wirtschaftsministeriums mindestens 1,16 Milliarden Euro für die zusätzlichen Klimaschutzanstrengungen aus dem Bundeshaushalt finanziert werden. Zudem müssten die Stromkunden einmalig ein bis zwei Milliarden und jährlich weitere 230 Millionen Euro für die Reserve aufbringen. Dazu käme eine Erhöhung der KWK-Umlage um 0,5 auf 0,75 Cent pro Kilowattstunde Strom. Und der Strompreis an der Börse würde sich um rund 0,15 Cent pro Kilowattstunde erhöhen. Der Klimabeitrag würde zwar ebenfalls zu einem leicht höheren Strompreis an der Börse führen, würde aber im Etat keine Kosten verursachen.

Besonders erbittert ist aber insbesondere die Stuttgarter Landesregierung über die Weigerung von Horst Seehofer, den Ausbau des Stromnetzes zu akzeptieren. Das ärgert SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil. Er sagte vor dem Treffen: „Da muss Horst Seehofer sich heute bewegen. Das wäre sonst ein Anschlag auf das Gelingen der Energiewende.“ Dagmar Dehmer

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