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Energieversorger: Vattenfall schluckt "lekker Strom"

Mit dem Kauf des niederländischen Konkurrenten Nuon baut Vattenfall seine Macht in Berlin aus.

Berlin - Der Energieversorger Vattenfall setzt seinen Expansionskurs in Europa fort und gewinnt mit einem Schlag hunderttausende deutsche Kunden zurück. Der schwedische Staatskonzern kündigte am Montag in Amsterdam an, den Stromversorger Nuon für insgesamt 8,5 Milliarden Euro übernehmen zu wollen. Nach dem Einstieg mit zunächst 49 Prozent sollen alle Anteile in den kommenden sechs Jahren in schwedische Hände übergehen. „Wir benötigen weiter profitables Wachstum. Der Markt in den Benelux-Ländern ist höchst attraktiv und Nuon ein noch fehlendes Juwel für uns“, sagte Vattenfall-Konzernchef Lars G. Josefsson bei der Vorstellung der Pläne.

Bereits nach dem Erwerb des 49-prozentigen Anteils werde Vattenfall die operative Kontrolle über Nuon gewinnen, hieß es. Verwaltungsrat und Aufsichtsrat von Nuon hätten den Anteilseignern einstimmig empfohlen, das Angebot anzunehmen. Sofern auch die Kartellbehörden zustimmen, soll die Transaktion Ende des zweiten Quartals, also im Sommer 2009, abgeschlossen sein.

Nach Branchenschätzungen dürfte Vattenfall mit dem Einstieg auf der Rangliste der größten europäischen Stromversorger von Platz neun auf Platz sechs vorrücken – hinter dem deutschen Eon-Konzern, Suez/Gaz de France, EDF, Enel und RWE aus Essen. Letztgenannter hatte vor einem Monat angekündigt, das Geschäft mit der Stromproduktion und -versorgung vom niederländischen Versorger Essent für 9,3 Milliarden Euro zu übernehmen. Hintergrund ist ein Gesetz in den Niederlanden, das die Versorger dazu zwingt, Produktion und Vertrieb von dem Betrieb der Stromnetze zu trennen. Daher wird Vattenfall auch nicht Nuons Netz übernehmen.

Vor allem für den deutschen Strommarkt dürfte der Zusammenschluss weitreichende Folgen haben, wegen der besonderen Marktsituation hierzulande. Vattenfall stieg mit der Übernahme der Hamburger HEW (2002) und der Berliner Bewag (2003) zum drittgrößten deutschen Stromversorger auf. Aber den etablierten Wettbewerbern gelang es in den vergangenen Jahren über Tochtergesellschaften, die weniger Service aber billigere Tarife anbieten, Vattenfall viele Kunden abzujagen: E wie Einfach (Eon), Eprimo (RWE) und Yello (EnBW) fanden mehr Akzeptanz als Vattenfalls „Easy“-Angebot. Die meisten abtrünnigen Vattenfall-Kunden wechselten aber zum niederländischen Nuon-Konzern, der mit seinem „lekker Strom“ 270 000 Kunden gewann und so in Berlin seinen Marktanteil auf rund zehn Prozent ausbauen konnte. Vattenfall kaufe mit Nuon diese Ex-Kunden nun zurück, sagte Michael Schäfer, Verbraucherschutzexperte der Berliner Grünen im Abgeordnetenhaus. Berlin verliere den größten Energieanbieter, der von den großen vier Energieversorgern unabhängig sei.

Die Übernahme hat überdies Einfluss auf das Gefüge am Gasmarkt in der Hauptstadt, da Vattenfall knapp 32 Prozent an dem Berliner Regionalversorger Gasag hält und Nuon auch hier mit einem Marktanteil von fünf Prozent bisher der größte Konkurrent war. „Trotz der Übernahme werden wir alle Tarife vorerst unverändert weiter anbieten“, sagte Nuon-Sprecherin Heike Klumpe dem Tagesspiegel. Auch für die 250 Mitarbeiter in Deutschland, 150 davon in Berlin, werde sich nichts ändern. Was langfristig passieren werde, könne man allerdings noch nicht sagen.

Nicht zuletzt das Auftreten von Nuon hatte dafür gesorgt, dass die Tarife für Strom und Gas auf dem Berliner Markt im Bundesvergleich sehr günstig waren. Laut einer aktuellen Berechnung des Verbraucherportals Check24 sind die Strompreise in Berlin in den vergangenen 18 Monaten so wenig gestiegen wie in keinem anderen Bundesland, nämlich lediglich um 4,8 Prozent oder 34 Euro im Jahr. Berliner Haushaltskunden zahlten mit durchschnittlich 733 Euro im Jahr (bei 3500 Kilowattstunden Verbrauch) so wenig wie in keinem anderen Bundesland, teilte das Unternehmen mit.

Die Landesregierung sieht diesen strukturellen Vorteil schwinden. Sollte Vattenfall seinen größten Konkurrenten wirklich übernehmen, würde es „extrem schwierig“ für den Wettbewerb auf dem Strommarkt in Berlin, sagte Berlins Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) dem Tagesspiegel. „Wenn das zum Tragen kommt, werden die oligopolen Strukturen gestärkt werden. Aus der Sicht der Verbraucher ist das keine gute Entscheidung.“ Auch der Bund der Energieverbraucher nannte die Nuon-Übernahme „bedenklich“.

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