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Energiewende: Stromnetzausbau soll bis zu 52 Milliarden kosten

Deutschland stellt immer mehr Windräder und Solaranlagen auf. Damit es nicht zum Kollaps der Stromnetze kommt, müssen diese ausgebaut werden. Mit den nötigen neuen Kabeln könnte man die Erde bis zu fünf Mal umrunden. Das wird teuer.

In Berlin ist am Dienstag ein für viele Bürger eher unerfreuliches Kapitel der Energiewende präsentiert worden: der Ausbau des Stromnetzes. Dabei ging es nicht, wie meistens, um den Bau großer Höchstspannungsleitungstrassen, die den Strom aus Offshore-Windparks vom Meer nach Süddeutschland transportieren sollen. Es ging um den Ausbau der engmaschigeren Verteilnetze auf den unteren Spannungsebenen, die bis in jedes Wohnhaus reichen (siehe Grafik). Ihr Ausbau gilt als nötig, sollten auch weiterhin Windräder und Solaranlagen auf diesen unteren Netzebenen angeschlossen werden. Nur dann könnte ihr Strom auch stabil verteilt und für große Industriebetriebe nutzbar gemacht werden.

Um die nötige Stabilität zu erreichen, wäre bis zum Jahr 2030 der Bau von 135 000 bis 193 000 Kilometern neuer Leitungen nötig. Damit könnte man die Erde am Äquator fast vier beziehungsweise fünf Mal umrunden. Zudem müssten rund 25 000 Kilometer Stromkabel umgebaut werden. Das geht aus einer neuen Studie der Deutschen Energieagentur (Dena) hervor, die hauptsächlich vom Bund, aber auch von deutschen Finanzinstituten finanziert wird. Die Dena sorgte schon bei der Vorlage früherer Netzausbaustudien für Debatten: Leidenschaftliche Befürworter der erneuerbaren Energien werfen der Agentur Panikmache vor. Industrie- und Verbraucherverbände begrüßten dagegen bisher, dass jemand die möglichen Kosten, die auf Bürger und Unternehmen zukommen, abschätzt.

Nun kommt die Dena zu dem Schluss, dass der Aus- und Umbau der Stromverteilnetze bis 2030 27,5 Milliarden Euro kosten wird, sofern man den aktuellen Netzausbauplan der Bundesregierung zugrunde legt. Dena-Chef Stephan Kohler riet gestern ausdrücklich dazu, diesen Plan auch zu verfolgen. Allerdings haben seine Mitarbeiter im Auftrag eines Dutzend regionaler Stromnetzbetreiber auch errechnet, wie teuer es würde, wenn die Bundesländer ihre ehrgeizigeren Ziele zum Ausbau der erneuerbaren Energien realisieren würden. Dann würden gar 42,5 Milliarden Euro für den Verteilnetzausbau nötig. In einem ungünstigsten Szenario, bei dem ein intelligentes Stromnetz gebaut wird und Stromspeicher uneffektiv eingesetzt werden, könnten die Kosten für den Netzausbau sogar um 90 Prozent höher als im Regierungsplan vorgesehen liegen: bei 52 Milliarden Euro.

In einem Versuch, Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, sagte Kohler, er würde diese Zahlen „nicht zu hoch hängen“, schließlich seien die Kosten, die über die Strompreise umgelegt werden würden, ja über 18 Jahre verteilt. Außerdem gehe er davon aus, dass die Leitungen hauptsächlich unterirdisch verlegt werden, was teurer sei, aber weniger Widerstand bei der Bevölkerung erzeugen dürfte. Mit den Worten „Wir wollen doch ein modernes Land werden“ warb Kohler für die Erdkabelverlegung.

Wie erwartet, musste der Dena-Chef auch gestern nicht lange auf Reaktionen aus allen Lagern warten. „Es ist nicht seriös, die Kosten der Weiterentwicklung und Optimierung des Verteilnetzes derart zu dramatisieren, wie die Dena es in ihrer Studie tut“, erklärte Oliver Krischer, Sprecher für Energiewirtschaft der Grünen-Bundestagsfraktion. Die Dena verschweige, dass die Netzbetreiber in den vergangenen zehn Jahren kaum modernisiert haben. Beifall gab es dagegen vom Energiewirtschaftsverband BDEW, der den Ausbau der Verteilnetze zur „nächsten Priorität“ erklärte. Auch der Stadtwerkeverband der kommunalen Unternehmen VKU sah sich bestätigt. Bauen müssen die Netze am Ende schließlich die Mitgliedsunternehmen.

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