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Wirtschaft: Enron belastet auch europäische Konzerne

Seit der Milliardenpleite des US-Energiehändlers Enron suchen nervöse Investoren nach Schwachstellen in den Bilanzen. Anfang der Woche traf es den italienischen Traditionskonzern Fiat: Allein das nebulöse Gerücht, der Auto- und Industriekonzern verstecke womöglich böse Überraschungen in seiner Bilanz, reichte für einen Tagesverlust von zeitweise fast vier Prozent.

Seit der Milliardenpleite des US-Energiehändlers Enron suchen nervöse Investoren nach Schwachstellen in den Bilanzen. Anfang der Woche traf es den italienischen Traditionskonzern Fiat: Allein das nebulöse Gerücht, der Auto- und Industriekonzern verstecke womöglich böse Überraschungen in seiner Bilanz, reichte für einen Tagesverlust von zeitweise fast vier Prozent. Inzwischen erholte sich der Titel wieder. Die ersten Opfer der Jagd auf Firmen mit Bilanzproblemen tauchten in den USA auf. Dort litten vor allem die Meister der kreativen Buchführung wie Tyco International, International Business Machines (IBM) und Qwest. Doch auch europäische Unternehmen geraten ins Fadenkreuz der Bilanzjäger. So schickten verunsicherte Investoren die Kurse von Elan, France Télécom und Preussag zeitweise auf Talfahrt.

"Enron wird die Börsen noch lange beschäftigen", sagt Anlagestratege James Montier von der Dresdner-Bank-Tochter Kleinwort Wasserstein. Die virtuose, aber auch kriminelle Bilanzakrobatik, mit der Enron jahrelang Schulden versteckte, habe das Vertrauen in Bilanzen insgesamt erschüttert. "Ohne verlässliche Zahlen kann man aber eine Aktie nicht bewerten, Investoren verlieren jede Orientierung", sagt Montier. Das mache den Fall Enron so brisant. Ben Funnell von der Investmentbank Morgan Stanley bestätigt: "Ohne Enron würden die verbesserten Fundamentaldaten weit stärker auf die Börsen durchschlagen." Sein Tipp für die Suche nach Bilanzsündern: Firmen mit hohen Schulden, niedrigem Cash Flow und hohen potenziellen Risiken hätten besonders große Anreize, ihre Zahlenwerke aufzupolieren.

Genau diese Kennzahlen hat Stefan Rausch, Leiter der Research-Abteilung von Helaba Trust, untersucht. Er filterte unter Europas Standardwerten diejenigen mit angespannter Finanzlage heraus. Das Ergebnis: "Insgesamt weisen insbesondere Unternehmen aus den Bereichen Telekommunikation (Deutsche Telekom, France Télécom) oder Technologie (Alcatel) unterdurchschnittliche Bilanzrelationen auf", heißt es in Rauschs Studie. Aber auch dem Handelskonzern Ahold und dem Nahrungsmittelhersteller Unilever sei die "recht dynamische Expansion der letzten Jahre anzumerken". Im Klartext: Diese Firmen haben so gut wie kein Fettpolster für schlechte Zeiten.

Zwar hat Rausch keine Anzeichen für illegalen Bilanzbetrug wie bei Enron entdeckt. "Allerdings haben viele Firmen versucht, sich durch die Verwendung so genannter Pro-Forma-Zahlen positiver darzustellen als angemessen", sagt er. Die in den USA weit verbreiteten Pro-Forma-Zahlen unterliegen keiner Regulierung und Überprüfung. Die Firmen behaupten, sie gäben ein besseres Bild als die offiziellen Abschlüsse. Dresdner Experte Montier kritisiert indes, Pro-Forma-Zahlen zeigten oft nur die "Finanzlage, wie das Unternehmen sie sich wünscht". In den USA wiesen die im technologielastigen Index Nasdaq-100 notierten Firmen pro forma Gewinne von 32 Milliarden Dollar aus. Nach offiziellen US-Bilanzregeln (US-GAAP) wurden daraus jedoch Verluste von 68 Milliarden Dollar.

In Deutschland bieten konservative Bilanzgrundsätze einen gewissen Schutz vor bösen Überraschungen, sagt Anlagestratege Rolf Elgeti von der Commerzbank. Hier habe es wegen der hohen Unternehmenssteuern sogar Anreize gegeben, Gewinn vor den Finanzbehörden zu verheimlichen. Das gelte aber nicht für die Deutsche Telekom und die Deutsche Post. Dort seien im Vorfeld der Börsengänge Vermögenswerte wie der Immobilienbesitz der Telekom zu hoch in die Bilanz eingetragen worden.

Unter Verdacht steht insbesondere France Télécom. Der Konzern wuchs in den vergangenen Jahren aggressiv über Zukäufe. Die Expansion brachte nicht nur Schulden von 64,9 Milliarden Euro - nach Unternehmensangaben von Mitte 2001. Hinzu kommen Pflichten gegenüber Vertragspartnern, die nach einer Analystenstudie von Crédit Suisse First Boston "nicht adäquat offen gelegt zu sein scheinen". Dieser Darstellung widerspricht France Télécom allerdings entschieden. Jedenfalls verpflichtete sich der Konzern beim Kauf des Mobilcom-Anteils von 28,5 Prozent, unter bestimmten Bedingungen weitere 33 Prozent von Mobilcom-Chef Gerhard Schmid zu erwerben. Über den Inhalt der geheimen Vereinbarung streiten Schmid und die Franzosen derzeit heftig. Französische Aktionärsvertreter fordern daher die Veröffentlichung der Vereinbarung, damit endlich die Risiken für die Aktionäre offen gelegt werden.

pga, tmo, wsj, HB

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