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Wirtschaft: Enttäuschte Volksaktionäre

Papiere privatisierter Staatskonzerne haben den Deutschen die Lust an der Börse schon öfter verdorben

Es war wie ein Rausch. Menschen, die noch nie zuvor eine Aktie besessen hatten, rannten den Banken die Türen ein, um an die Papiere der Deutschen Telekom zu kommen. Damals, im Herbst 1996, vermittelten ihnen der ehemalige Staatskonzern und der werbende Schauspieler Manfred Krug etwas, was ihnen bisher bei Aktien gefehlt hatte: Sicherheit. Eine Million Anleger waren dabei, weitere zwei Millionen wollten die „Volksaktie“ haben, bekamen aber keine mehr ab. Der Traum vom schnellen und sicheren Geld schien sich zu erfüllen. Zu umgerechnet 14,32 Euro war die T-Aktie ausgegeben worden. Anfang 2000 notierte sie bei mehr als 100 Euro.

Kurz darauf stürzte die Aktie ab. Die institutionellen Anleger verkauften, viele Privatanleger verpassten den Absprung. „Die Kleinanleger haben nicht rechtzeitig Kasse gemacht“, sagt Reinhild Keitel von der Schutzvereinigung der Kapitalanleger (SdK). Im November 2002 war die T-Aktie nur noch 8,42 Euro wert. Seitdem hoffen die Aktionäre, dass sich der Kurs noch einmal erholt. Doch seit Jahren dümpelt er vor sich hin. Noch schlimmer traf es die Anleger, die beim zweiten und dritten Börsengang der Telekom, 1999 und 2000, zu extrem hohen Kursen eingestiegen sind. Viele versuchen nun, sich ihr verlorenes Geld über die Gerichte wieder zu holen.

„Die T-Aktie hat das Vertrauen der Anleger stärker beschädigt als der Absturz des Neuen Markts“, sagt Aktionärsschützerin Keitel. Sie warnt davor, die als Volksaktien gepriesenen Papiere ehemaliger Staatskonzerne als besonders solides Investment zu betrachten. „Eine Aktie ist immer ein Risikopapier, da hilft es nicht, wenn man es zur Volksaktie stilisiert.“

Tatsächlich haben die vielen deutschen „Volksaktien“ den Anlegern meist wenig Freude bereitet. Die im Jahr 2000 von den Gottschalk-Brüdern verkaufte „Aktie Gelb“ der Deutschen Post, die zwei Jahre später den Wert halbiert hatte, ist nur das letzte Beispiel dafür. Das erste war die Aktie der Preussag (heute Tui), die 1959 in die Kleinanlegerdepots stürmte und dort meist viel zu lange liegen blieb, um von den Anfangsgewinnen zu profitieren.

Noch mehr Aufsehen erregte zwei Jahre später die Teilprivatisierung des Volkswagen-Konzerns. Sie löste einen Ansturm auf die Bankschalter aus. Hausfrauen, Rentner, Angestellte – alle waren dabei. Sozialrabatte sorgten dafür, dass fast niemand den vollen Preis von 350 Mark zahlte. Mit dem VW-Werk, dessen Käfer-Modelle das Straßenbild der jungen Republik prägten, solle das „wohl attraktivste Bundesvermögen“ in breit gestreuten Privatbesitz gehen, erklärte Wirtschaftsminister Ludwig Erhard. Der Kurs der Aktie explodierte, verdreifachte sich – und stürzte ab. Bereits Ende 1965 notierte die Aktie unter dem Ausgabepreis. Neun Jahre danach hatte sich der Kurs halbiert. Wer 1961 zum Höchstpreis gekauft hatte, sah seinen Einstandskurs erst 25 Jahre später wieder.

Stefan Kaiser

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