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Öl aus Afrika. Für die Förderung von Gas und Öl (wie hier in Angola) kassieren die Konzerne Milliarden. Bei den Menschen kommt davon allerdings kaum etwas an.

© AFP

Entwicklungsländer: Wenn Ölreichtum zum Fluch wird

Die EU-Kommission will die Korruption im Rohstoffgeschäft einschränken. Doch der Gesetzentwurf wird immer mehr verwässert - zulasten der rohstoffreichen Staaten in der Dritten Welt.

Es war ein Hilfeschrei: Mitte August veröffentlichte die „New York Times“ einen Aufruf des Libyers Najwa al-Beshti, in dem er sowohl die USA als auch die Europäische Union anfleht, ihren historischen Fehler nicht zu wiederholen. Al-Beshti war im Regime des gestürzten und getöteten Diktators Muammar al-Gaddafi hoher Funktionär in der Ölgesellschaft des Landes. Allerdings stellte er als Leiter der für Vertragsabschlüsse zuständigen Abteilung unangenehme Fragen zu versickerten Öleinnahmen und wurde vom Geheimdienst bedroht. Jetzt hat er von seiner Sorge geschrieben, dass es auch in einem demokratischen Libyen mit der Offenheit nicht weit her sein könnte – woran westliche Unternehmen ihren Anteil hätten: „Lobbyisten der Ölindustrie nutzen ihren Einfluss in Washington und Brüssel, um neue Transparenzregeln zu untergraben, die den Aufstieg neuer Tyrannen verhindern könnten.“ Es sei absolut zwingend, dass die Regeln jetzt verabschiedet würden.

Die Rede ist von zwei Gesetzen: Das amerikanische ist kurz nach Erscheinen tatsächlich in Kraft getreten, die EURichtlinie nach einer Abstimmung im zuständigen Ausschuss des Europaparlaments in dieser Woche in der entscheidenden Phase. Beide verlangen von Unternehmen, die im Rohstoffsektor oder in der Forstwirtschaft tätig sind, dass sie Daten zu ihrem Engagement speziell in Entwicklungsländern vorlegen: Was verdienen sie dort? Was zahlen sie an Steuern? Was überweisen Konzerne den Regierungen für Schürfrechte oder an Lizenzgebühren? Von Bedeutung ist das, weil das Geld der ausländischen Rohstoffunternehmen sich für korrupte Regime geradezu anbietet, um es in dunkle Kanäle oder die eigenen Taschen zu leiten. In Angola etwa zeigte eine Fallstudie der Organisation „Global Witness“ im Frühjahr, dass der britische Ölkonzern BP Millionen an vermeintliche Sozialprojekte der staatlichen Ölgesellschaft zahlte, um den Zuschlag für eine Konzession zu bekommen. In der Praxis kam aber nie Geld bei den Menschen an.

Für viele Entwicklungsländer ist ihr Rohstoffreichtum zum Fluch geworden. „Trotz Milliardeneinnahmen aus der Öl- und Gasförderung sowie aus dem Bergwerksbetrieb bleiben die Bürger von mehr als 50 ressourcenreichen Staaten in Armut gefangen“, heißt es bei der Initiative „Publish What You Pay“ mehrerer Nichtregierungsorganisationen. Hinter der Forderung „Veröffentliche, was du zahlst“ steht die Annahme, dass es jede veröffentlichte Summe schwerer macht, Staatseinnahmen den Menschen im Land vorzuenthalten.

Das funktioniert auch schon in der Praxis. Der sogenannten Extractive Industries Transparency Initiative, abgekürzt EITI, haben sich weltweit 69 Unternehmen angeschlossen, darunter Branchengrößen wie Shell, BP oder der deutsche Energieversorger RWE. Die Initiative stand auch Pate, als die EU-Kommission ihren Gesetzesvorschlag präsentierte. Warum hat dann der Libyer Najwa al-Beshti überhaupt so eindringlich werben müssen? Grund war seine Sorge, dass die Vorschläge im Kampf der Interessenvertreter bis zur Unkenntlichkeit verändert werden.

Die im Ministerrat versammelten Mitgliedstaaten haben den Gesetzentwurf der EU-Kommission bereits im Juni an wichtigen Stellen abgeschwächt. So sollen Unternehmen nichts berichten müssen, wenn Steuern, Lizenzgebühren oder sonstige Zahlungen an eine Regierung nicht mehr als 500 000 Euro betragen. Die bereits vom zuständigen Kommissar Michel Barnier eingebrachte Ausnahme, wenn die Offenlegung solcher Daten in einem bestimmten Land unter Strafe steht, haben die Regierungen sogar noch verstärkt. Nach Ansicht der grünen Europaabgeordneten Franziska Brantner aus Freiburg lädt diese Passage korrupte Regierungen zur Verabschiedung entsprechender Gesetze geradezu ein: „Dann sind genau die Diktaturen aus dem Schneider, um die es eigentlich geht.“

Größter Knackpunkt in der Auseinandersetzung ist die Frage, wie detailliert der Unternehmensbericht ausfallen muss. Die Regierungen wollen, dass die Firmen ihre Zahlungen pro Land auflisten. Im Kommissionsvorschlag ist dagegen davon die Rede, dass „Projekt für Projekt“ aufgelistet werden soll, was wohin geflossen ist. „Um wirklich etwas erreichen zu wollen“, sagt Brantner, „muss man über die Einnahmen aus jedem einzelnen Ölfeld Bescheid wissen.“ Gesamtsummen für ein Land böten noch zu viele Möglichkeiten, um mit den Zahlen zu tricksen. Sie wirft der Bundesregierung vor, dafür verantwortlich zu sein, dass der Kommissionsentwurf verwässert wurde.

Das ist umstritten. „Deutschland hat in den Verhandlungen keine herausgehobene Rolle gespielt“, sagt ein EU-Diplomat. Doch auch der CDU-Abgeordnete Klaus-Heiner Lehne, in dieser Frage der Verhandlungsführer des Europaparlaments, spricht davon, dass „die Bundesregierung bei diesem Thema sehr hartleibig“ agiere. Eine indirekte Bestätigung dafür kommt auch von der deutschen Wirtschaft, die befürchtet, „dass diese Regeln zur Offenlegung, wie sie derzeit in der EU diskutiert werden, Wettbewerbsnachteile bedeuten gegenüber Unternehmen aus den Ländern, die ihre Geschäftszahlen nicht offenlegen müssen“. So sagt das Matthias Wachter vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI): „Wir begrüßen deshalb die Unterstützung der Bundesregierung in dieser Frage.“

Den Fluch des Rohstoffreichtums besiegen – das wollen angeblich alle. Bei der reinen Stärkung freiwilliger Initiativen wie der EITI, die die deutsche Wirtschaft favorisiert, wird es nicht bleiben. Tatsächlich stellt nur sie den benötigten Abgleich der Zahlen von Unternehmen und Regierungen sicher, auf die ein EU-Gesetz natürlich keinen Einfluss hat. So läuft es eventuell auf eine Kombination freiwilliger Regierungsangaben und verpflichtenden Unternehmensangaben hinaus. Dabei geht es nur noch darum, ob das EU-Gesetz schwächer oder stärker ausfällt.

Najwa al-Beshti plädiert für Letzteres: „Indem wir Ölgesellschaften der Öffentlichkeit gegenüber auskunftspflichtig machen“, schrieb der Libyer in seinem Hilferuf, „kann das Öl zu einer Kraft transparenten und offenen Handels werden – statt der Korruption und Repression.“

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