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Wirtschaft: Er verliert nach der Wahl

In vielen Sachfragen sind selbst Republikaner unzufrieden mit Präsident Bush

Die zweite Amtszeit von US-Präsident George W. Bush ist zwar erst drei Monate alt, doch eine Lawine von sozialen und ökonomischen Problemen spaltet die republikanische Basis. Für Differenzen sorgen vor allem Fragen der sozialen Sicherheit, der Einwanderung, der Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern und die durch den Fall der Koma-Patientin Terry Schiavo zur Aktualität gelangte Sterbehilfedebatte.

Nachdem Bush die letzten Wahlen noch durch die Unterstützung von 90 Prozent des republikanischen Lagers gewonnen hatte, spricht sich nun ein bedeutender Anteil seiner Stammwähler gegen seine Initiativen aus. Das hat eine repräsentative Telefonumfrage ergeben, die im Auftrag des Wall Street Journal und NBC News durchgeführt wurde. Ein Drittel der Republikaner sagt inzwischen, dass die Demokraten im Kongress „zu weit gehende“ Schritte der Bush-Regierung verhindern sollten.

Der Schiavo-Fall ist ein neuer Anlass für Streit: Bush und die republikanischen Parteiführer im Kongress setzten zwar einiges in Bewegung, um die Chancen für die Wiederaufnahme der künstlichen Ernährung von Schiavo zu erhöhen. Immerhin waren 39 Prozent der Republikaner der Meinung, die Beendigung der künstlichen Ernährung sei das Richtige gewesen – während 48 Prozent es für das Falsche hielten. Für 22 Prozent der Befragten hat Bush durch die Angelegenheit an Ansehen verloren, und sogar 41 Prozent sehen das Ansehen des Kongresses beschädigt.

„Diese Geschichte spaltet unsere Partei“, sagt der Republikaner Bill McInturff, der die Studie zusammen mit dem Demokraten Peter Hart durchführen ließ. Die Meinungsverschiedenheiten zu anderen Fragen, meint McInturff, werden es Bush „schwer, aber nicht unmöglich“ machen, die ehrgeizige Agenda seiner zweiten Amtsperiode zu verwirklichen.

Vorerst werden die Zweifel an der Basis die Durchsetzung von Bushs Regierungsprogramm zwar nicht gefährden. Denn die republikanischen Spitzen von Senat und Kongress sind weiterhin auf seiner Seite. Die Unsicherheiten zeigen aber, warum es Bush bislang nicht gelungen ist, eine breite Unterstützung für seine Initiativen wie der Reform der Sozialversicherung zu finden. Sie sind auch eine Erklärung für die erfolglosen Versuche der republikanischen Parlamentsführer, Einigkeit bei Fragen wie Steuern, Staatsausgaben und Staatsverschuldung zu erzielen.

Ein verlässlicher Zuspruch von der republikanischen Basis gehörte zur Grundstrategie von Bushs Politik während seiner ersten Amtszeit. Dies sicherte auch seine Wiederwahl im Jahr 2004. Um etwa Steuersenkungen oder andere Ziele durchzusetzen, vertraute er erfolgreich auf die solide Unterstützung aus dem konservativen Lager. Zusammen mit einigen Stimmen von unabhängigen Abgeordneten und demokratischen Abweichlern reichte dies noch immer für eine arbeitsfähige Mehrheit.

Insgesamt hat sich daran noch nichts geändert. Denn die Umfrage zeigt auch, dass sich Bush als Person weiterhin auf einen ungebremsten Zuspruch seiner Wählerschaft stützen kann. Bei den Zufriedenheitswerten rangiert er seit einem Jahr stabil. Bezogen auf alle Wahlberechtigten fiel seine Zustimmungsrate seit Februar nur leicht von 50 auf 48 Prozent. Und überzeugende 87 Prozent der Republikaner sind mit seiner Leistung zufrieden, 88 Prozent äußerten sich positiv über seine Persönlichkeit.

Es sind vielmehr die speziellen Sachfragen, bei denen die Partei in unterschiedliche Richtungen treibt. Zur Reform der sozialen Sicherungssysteme, einem der Schwerpunkte in Bushs Regierungsprogramm, meinen etwa 32 Prozent der Republikaner, es sei eine „schlechte Idee“, wenn Arbeitnehmer von ihrer Lohnsteuer Aktien kaufen könnten. Trotz seiner landesweiten Tour, auf der Bush um Unterstützung für seine Projekte warb, hat sich der Zuspruch für diese Programme seit Januar nicht verbessert. Insgesamt ist die Ablehnung in dieser Zeit von 50 auf 55 Prozent gestiegen. Bei der sozialen Sicherheit „verfestigen sich die Meinungen derzeit in eine Richtung, die Bushs Arbeit schwerer machen wird“, sagt McInturff.

Starken Gegenwind spürt Bush auch bei seinen Vorschlägen zur Einwanderungspolitik. Sein Plan, illegalen Einwanderern in Ausnahmefällen ein Aufenthaltsrecht zu verschaffen, stößt im eigenen Lager auf eine 50-prozentige Ablehnung, während 54 Prozent der Demokraten gegen den Vorschlag sind.

Eine 64-prozentige Mehrheit unter den Republikanern lehnt Gesetze ab, mit denen die Rechte der Familien in Situationen wie dem Schiavo-Fall geregelt werden. Doch dies ist genau das, was einige Republikaner im Kongress durchsetzen wollen. Außerdem sprachen sich 50 Prozent der republikanischen Basis gegen Aktivitäten des amerikanischen Bundesgesetzgebers in Bereichen aus, die soziale und moralische Konflikte betreffen. Selbst über die bisherigen Steuersenkungen sagt jeder vierte Republikaner, dass sich diese nicht ausgezahlt hätten, weil sie das Haushaltsdefizit erhöht haben und Einschnitte in Regierungsprogramme erforderlich machten.

An zweiter Stelle gleich nach dem Schiavo-Fall standen in den letzten Wochen die steigenden Benzinpreise im Fokus der Öffentlichkeit. Angesichts der damit verbundenen Mehrbelastungen halten 53 Prozent der Befragten die Wirtschaftspolitik der Bush-Regierung für verfehlt – im Januar gab es erst 47 Prozent Ablehnung. Auch insgesamt hat sich die Stimmung der Amerikaner in den letzten Wochen leicht verdunkelt: Nur noch 34 Prozent sehen das Land „auf dem richtigen Weg“, während es für 51 Prozent „in die falsche Richtung“ unterwegs ist. „Wir sind inmitten der Tücken von Bushs zweitem Regierungsprogramm“, sagt Umfrageleiter McInturff.

John Harwood

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