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Ernergieversorger: Wilde Szenen bei Vattenfall

Aufsichtsratschef Josefsson baut den Vorstand der deutschen Vattenfall um. Der bisherige Chef des polnischen Ablegers, Tuomo Hatakka, wird den Deutschland-Chef Hans-Jürgen Cramer ersetzen.

Berlin – Lars Göran Josefsson hatte Zeit mitgebracht. Der Chef der Vattenfall AB war zum Personalgespräch aus Stockholm angereist, um in Berlin-Mitte die Vorstände der Vattenfall Europe AG einzuvernehmen. Was der freundliche Mann am Mittwoch den hiesigen Chefs mitzuteilen hatte, war wenig verheißungsvoll: Der Vorstand der deutschen Vattenfall wird umgebaut und verkleinert. Den Hut auf hat künftig Tuomo Hatakka, bislang Chef der polnischen Vattenfall, und ihm zur Seite stehen ein Finanzvorstand, ein Verantwortlicher für das operative Geschäft und ein Arbeitsdirektor. Reinhardt Hassa, bisher Vorstand für Erzeugung, rückt ins zweite Glied.

Hans-Jürgen Cramer stand am Mittwoch nicht auf der Liste von Josefsson. Den Namen des bisherigen Vorstandschefs hatte der Schwede schon vorher gestrichen: Cramer scheidet Mitte nächsten Jahres aus und wird bis dahin den neuen Chef Hatakka einarbeiten. Noch im Juli hatte sich Josefsson zu Cramer bekannt: „Er hat mein volles Vertrauen und bleibt fest eingesetzt“, sagte der Chef des schwedischen Staatskonzerns damals.

In schwierigen Verhandlungen haben sich die beiden in den letzten Wochen nun auf das Ausscheiden Cramers verständigt. Der 56-Jährige konnte sich mit seiner Forderung nach Auszahlung des Vertrags nicht durchsetzen und musste „erhebliche Abstriche“ akzeptieren, ist zu hören. Zuletzt bekam Cramer ein Jahresgehalt von 840 000 Euro.

Immerhin hat sich Josefsson mit Cramer relativ geschmeidig geeinigt. Vor ein paar Monaten, als es um die Ausstiegsbedingungen von Cramers Vorgänger Klaus Rauscher ging, spielten sich dagegen Szenen in der Chausseestraße ab, die jedes Reality-TV geschmückt hätten. Unterwegs zum Auto verhandelte Josefsson mit Rauscher, den Aufhebungsvertrag in den Händen. Als er die Höhe des erlaubten Zusatzverdienstes sah, wollte Josefsson davonfahren, doch die Rauscher-Leute sorgten dafür, dass die Schranke unten blieb. „Unterschreib’ endlich“, soll Rauscher gebrüllt haben, und nach dem Zureden von Aufsichtsräten tat der Schwede das dann auch. Ein Augenzeuge, Aufsichtsrat Karl-Ludwig Kley, Chef des Pharmakonzerns Merck und zuvor unter anderem Finanzvorstand der Lufthansa, beklagte sich später in einem vierseitigen Brief bei Josefsson über das Spektakel in der Tiefgarage, das sich die Herren vielleicht in der Moskauer Unterwelt vorstellen mochten, nicht aber in Berlin-Mitte, in einem der angesehensten Unternehmen der Energiebranche. Überhaupt war der Rücktritt Rauschers nicht sehr glücklich und beschäftigt das Unternehmen noch immer.

Rauschers Verdienste beim Zusammenwachsen der Unternehmen HEW (Hamburg), Bewag (Berlin) und der ostdeutschen Veag und Laubag sind unbestritten, die 20 000 Mitarbeiter große Firma verdient prächtig. Rauscher legte großen Wert auf die Unabhängigkeit dieser neuen Kraft von der schwedischen Mutter, dem Staatskonzern Vattenfall AB. Die deutsche Gesellschaft erwirtschaftet mit Abstand den größten Gewinn der Vattenfall-Konzerngesellschaften, doch die Schweden haben nicht viel davon. Vom gut 500 Millionen Euro großen Bilanzgewinn 2006 schüttete die von Rauscher geführte Vattenfall Europe gerade mal knapp 75 Millionen Euro an Dividende aus, davon rund 73 Millionen an den schwedischen Staatskonzern, der gut 97 Prozent der Aktien besitzt. Für jede der insgesamt 202 209 746 Vattenfall Europe-Aktien gab es 37 Cent.

In die Gewinnrücklagen stellte Rauscher dagegen 426 Millionen Euro. Diese Rücklagen umfassen inzwischen so viele Milliarden, dass die deutsche Tochter ihrer Mutter in Stockholm Milliarden leiht – zu den üblichen Zinssätzen. Rauschers Maßstab als Unternehmenschef: Was in Deutschland verdient wird, soll auch hier investiert werden. Josefsson ärgerte sich zusehends über das selbstbewusste, aus seiner Sicht wohl eigenmächtige Verhalten Rauschers, der als Vorstandsvorsitzender zwar nicht weisungsgebunden ist, aber doch die Ansicht des Aufsichtsratsvorsitzenden berücksichtigen sollte.

Die Beziehung der beiden wichtigsten Personen im Vattenfall-Konzern ging dann wegen Angela Merkel in die Brüche. Ende 2006 hatte die Kanzlerin den Schweden zu ihrem Klimaberater ernannt. Ein paar Monate später, im Zusammenhang mit dem Energiegipfel, kritisierte Rauscher die Politik der Regierung, und Merkel beschwerte sich anschließend bei ihrem Berater Josefsson über dessen kritischen Angestellten Rauscher. Der Schwede soll „ausgeflippt“ sein, wie ein Eingeweihter zu berichten weiß.

Die Atompannen in Brunsbüttel und Krümmel waren dann in diesem Frühsommer eine wunderbare Gelegenheit, um Rauscher loszuwerden. Doch der wollte nicht aufgeben. Josefsson legte ihm schließlich eine Presseerklärung vor, in der Rauscher seinen Rücktritt erklärte. In drei Stunden, so Josefsson angeblich zu Rauscher, würde die in Stockholm veröffentlicht. Da gab der Vorstandschef auf, und Josefsson erklärte später dem Aufsichtsrat, Rauscher habe ihm den Rücktritt angeboten. Wenig später wählte der Vorstand auf Josefssons Betreiben Cramer zu seinem Sprecher.

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