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Gegenwind – hier an der Müritz. Deutschlands Energieinstitute glauben, die Bundesregierung ist nicht ehrgeizig genug.

© dpa

Erneuerbare Energien: Forscher sind von Regierungskonzept enttäuscht

Eine nachhaltige Energieversorgung bis 2050 ist möglich, glauben Deutschlands führende Forscher auf diesem Gebiet. Von der Bundesregierung hätten sie sich mehr Mut gewünscht.

Berlin - Deutschlands führende Forscher auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien sind enttäuscht von dem Ende September verabschiedeten Energiekonzept der Bundesregierung. „Zu zaghaft, zu kurz gesprungen“, sagte Wolfgang Eberhard, Professor und Geschäftsführer des Helmholtz-Zentrums Berlin für Materialien und Energie, am Montag auf einer Pressekonferenz in Berlin-Friedrichshain im Beisein von vier weiteren Institutsleitern. Anlass war die Gründung des Forschungsverbundes Erneuerbare Energien (FVEE) vor 20 Jahren, damals noch als Forschungsverbund Sonnenenergie. Die Organisation vertritt mit elf Instituten und 1800 Mitarbeitern rund 80 Prozent der außeruniversitären Forschungskapazität in Deutschland auf dem Gebiet.

Auf ihrer Jubiläumstagung, die am heutigen Dienstag fortgesetzt wird, diskutieren die Forscher unter anderem die Frage, unter welchen Bedingungen eine nachhaltige Versorgung mit Energie möglich ist – nicht nur bei der Strom-, sondern auch bei der Wärmeversorgung und im Verkehr. Ein Ergebnis, das der Verbund in einer gemeinsamen Studie festgehalten und im Sommer der Regierung vorgelegt hat, lautet: Eine solche Energieversorgung ist bis zum Jahr 2050 möglich und bezahlbar.

Die Regierung hat ihrem Langzeitkonzept allerdings ein Gutachten zugrunde gelegt, das von drei Instituten errechnet worden ist, die den Erneuerbaren eher kritisch gegenüberstehen. Daher geht die Regierung nun davon aus, dass im Jahr 2050 nur rund 60 Prozent des Stroms mit Wind, Sonne, Biomasse und Geothermie erzeugt werden. 40 Prozent des Stroms würden in 40 Jahren immer noch mit fossilen Brennstoffen erzeugt werden.

„Das wäre nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch unvernünftig“, sagte Frithjof Staiß, Professor und Vorstand des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) in Stuttgart. Schon heute gebe Deutschland rund 60 Milliarden Euro jährlich für Energieimporte aus, dieser Betrag könnte sich bei steigenden Energiepreisen bis 2050 verdoppeln. Überhaupt seien die Kosten für Rohstoffe viel schwieriger vorherzusagen als die für den Ausbau der erneuerbaren Energien. „Die können wir sehr gut darstellen.“ Derzeit würden weltweit rund 130 Milliarden Euro pro Jahr in Techniken zur regenerativen Energieerzeugung investiert. Der Anteil der deutschen Unternehmen daran liege etwa bei einem Viertel, schätzt Staiß. Mittlerweile beschäftige der Sektor schon rund 340 000 Menschen in Deutschland. „In Zukunft könnten es doppelt so viele sein“, sagte er.

Die Forscher wiesen aber auch auf technische Hürden auf dem Weg zu einer völlig nachhaltigen Wirtschaft und Gesellschaft hin. „Schwierig wird es vor allem beim Verkehr“, erklärte Professor Jürgen Schmid, Chef des Fraunhofer Institutes für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES). So sei es zwar möglich, dass 2050 praktisch alle Pkw hierzulande Elektroautos seien. Bei dem Schwerlastverkehr, bei Schiffen und Flugzeugen sei es aber schwierig. Auch die Frage der Stromspeicher sei noch nicht ausreichend erforscht. Er verwies auf Wasserstoff und Methan, das chemisch mit überschüssigem Windstrom erzeugt wird, als technisch mögliche Lösung.

Die Forscher kritisierten allesamt auch die beschlossene Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken und glauben nicht, dass ihre Institute davon profitieren werden. Dabei hatten Kanzlerin und ihre Minister mehrfach betont, dass mit den Zusatzgewinnen der Atomkonzerne vor allem auch erneuerbare Energien erforscht werden sollen. Vieles von dem Geld dürfte für die CO2-Speichertechnik CCS ausgegeben werden, sagten die Forscher.

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