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Gut vernetzt. Wer sich in sozialen Medien präsentiert, macht in seiner Community auf sich und seine Themen aufmerksam.

© Kacper Pempel/Reuters

Wissenschaft geht online: Erst forschen, dann twittern

Was Wissenschaftler davon haben, sich bei Facebook & Co zu präsentieren, wie ihre Arbeitgeber sie dabei unterstützen und warum es Sinn macht, mit Bloggen einzusteigen.

Arnd Pollmann pflegt seine persönliche Webseite, er twittert und schreibt auf Facebook – der Einsatz sozialer Medien ist für den Philosophen Alltag. So postet der Professor für Ethik und Sozialphilosophie an der Alice Salomon Hochschule (ASH) Berlin zum Beispiel auf Twitter Zeitungsbeiträge zum Online-Studium in Corona-Zeiten, er kommentiert Interviews mit Donald Trump oder retweetet Tweets der eigenen Hochschulkommunikation zur Promotionsförderung.

„Twitter ist für mich ein Medium, mit dem ich sehr schnell Statements und Kommentare verschicken kann, und das mich gleichzeitig informiert, was andere so machen“, sagt Pollmann. Anfang August wies er etwa per Twitter auf das Demokratieprojekt „Abdelkratie“ der Bundeszentrale für politische Bildung hin, an dem er teilnahm. „Früher hätte ich dafür eine Sammelmail geschrieben, heute reicht dafür ein Tweet“, sagt er. Sein Anspruch, egal ob Twitter, Facebook oder Webseite: „Mit dem, was ich mache, will ich gelesen und verstanden werden. Nur für Fachjournale Texte zu produzieren, die 20 Kolleginnen und Kollegen lesen, reicht mir nicht aus.“

Die ASH-Sprecherin Christiane Schwausch würde sich freuen, wenn mehr Forschende der Hochschule so proaktiv wären und ihre Arbeit über die sozialen Netzwerke in die Öffentlichkeit bringen. „Wir wünschen uns eine generelle Stärkung des öffentlichen Diskurses durch wissenschaftlich fundierte Beiträge“, sagt sie. Das sei gerade für Themen wie soziale Arbeit, Gesundheit, Erziehung und Bildung wichtig, die an der ASH stark vertreten seien und einen hohen gesellschaftlichen Wert hätten. „Ein Mehr an Kommunikation könnte auch ein Mehr an öffentlicher Wahrnehmung bedeuten und Veränderung schaffen“, sagt sie. Vielen Wissenschaftlern fehle es aber an der Zeit, sich neben Forschung, Lehre und Projektmanagement noch um soziale Medien zu kümmern.

Zeigen, wofür man steht

Dabei hat eine eigene Webseite für Wissenschaftler einige Vorteile: „Damit haben sie die Möglichkeit, im vollen Umfang das zu zeigen, was mit ihrer Person zu tun hat“, sagt Susanne Geu, Expertin für digitale Wissenschaftskommunikation. Auf der Webseite ihres Instituts hätten sie oft zu wenig Platz dazu. Ein weiterer Pluspunkt: Weil viele Stellen an Hochschulen befristet sind, gehen bei häufigen Jobwechseln auch die Inhalte der Webseite verloren – eine persönliche Internetseite könnte damit zur Konstante werden.

Für Arnd Pollmann ist die eigene Onlinepräsenz auch aus einem anderen Grund enorm wichtig. „Ich agiere ja nicht immer als Professor im Namen meiner Hochschule, sondern bin auch Wissenschaftler und Publizist.“ Die persönliche Webseite sei sein zentraler Ort, wo er alles von sich präsentiere – Bücher, Essays, Radiobeiträge, Rezensionen oder auch Beiträge etwa für Sammelbände oder Zeitschriften. Allerdings sagt er auch: „Die Menschen schauen immer seltener regelmäßig auf Webseiten.“ Deshalb müsse man parallel die sozialen Netzwerke nutzen und von dort auf aktuelle Beiträge auf die Webseite verlinken. Um eigene Inhalte zu präsentieren, empfiehlt sich ein eigener Wissenschaftsblog. „Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kennen sich aus mit dem Schreiben, sie können in einem Blog Dinge präzise darlegen, und es geht nicht so hektisch zu wie bei Twitter“, sagt Susanne Geu. Zudem gebe es wissenschaftliche Blog-Portale wie SciLogs, Scienceblogs oder speziell für Geistes- und Sozialwissenschaftler De.Hypotheses.org. Der Vorteil dieser Portale ist, dass man dort seinen eigenen Blog anlegen kann und schneller von der Community gefunden wird.

Per Twitter kommt man leichter in Kontakt

Noch leichter ist der Einstieg in die sozialen Medien aus Sicht der Kommunikationsexpertin über Twitter, da der zeitliche Aufwand geringer sei. Hinzu kommt: „Viele Wissenschaftler sind dort schon unterwegs, das lockt andere Wissenschaftler an“, sagt sie. Dadurch hat man eine größere Reichweite. Bei Twitter kann man sich zudem schnell über Sachverhalte austauschen. Und man erreicht dort wissenschaftliche Koryphäen, die womöglich gar nicht antworten würden, wenn man sie per E-Mail anschreibt. Geu rät: „Kontaktiert man sie direkt über Twitter, ist die Chance deutlich größer.“

Chancen bergen aber auch Risiken. Wissenschaftler sorgen sich, über Twitter oder Facebook in einen Shitstorm zu geraten. Auch deshalb haben Hochschulen Social Media-Guidelines verfasst, die ihren Wissenschaftlern ein Rüstzeug an die Hand geben, was bei Twitter & Co zu beachten ist. Die Humboldt-Universität zu Berlin hat darin zum Beispiel beschrieben, wie transparent man agieren, wie man mit kritischen Kommentaren umgehen soll oder welche rechtlichen Grundlagen zu beachten sind. „Wir haben die Richtlinie veröffentlicht, weil wir zahlreiche Anfragen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie von Mitarbeitern aus der Verwaltung erhalten haben“, sagt HU-Sprecher Hans-Christoph Keller. Die Guidelines sollen auch helfen, damit Diskussionen im Netz nicht aus dem Ruder laufen. So sah sich das Präsidium der Uni im Oktober 2019 dazu veranlasst, in einer öffentlichen Stellungnahme auf einen „offenen respektvollen Meinungsaustausch“ hinzuweisen, nachdem sich ein HU-Professor und zwei Studentinnen auf Twitter und Facebook heftig beharkt hatten. Die freie Meinungsäußerung erfahre dort ihre Grenze, wo es um beleidigende, diffamierende Äußerungen und Behauptungen gehe, erklärte die Hochschule.

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