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Wirtschaft: Erzieher fürchten Konkurrenz von Arbeitslosen

Gewerkschaften und Verbände wehren sich gegen den Plan, Langzeitarbeitslose für Arbeiten in Schulen und Heimen heranzuziehen

Berlin - Die Pläne der Bundesregierung, Stellen für Langzeitarbeitslose in Kindergärten und Schulen zu schaffen, werden von Erzieher- und Lehrerverbänden entschieden abgelehnt. „Die Schulen dürfen nicht zum Versuchsfeld für die Hartz-Reform werden“, sagte der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes (DL), Josef Kraus, dem Tagesspiegel. Er warnte vor einer „fortschreitenden Entprofessionalisierung“ im Erziehungsbereich. Die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordert, dass die Pläne von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) auf keinen Fall umgesetzt werden dürfen. Schließlich käme auch niemand auf die Idee, fehlende Ärzte durch arbeitslose Ingenieure zu ersetzen, hieß es bei der GEW.

Wirtschaftsminister Clement will im kommenden Jahr 6,35 Milliarden Euro ausgeben, um die rund drei Millionen Arbeitslosengeld-II-Empfänger wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Mit dem Geld sollen auch neue Stellen geschaffen werden: So sollen Langzeitarbeitslose zu gemeinnütziger Arbeit in den Kommunen verpflichtet werden. Für einen Zuverdienst von bis zu 300 Euro zum Arbeitslosengeld II sollen sie Aufgaben in Kindergärten, Schulen oder Heimen übernehmen.

„Ich habe ja Verständnis dafür, dass alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden sollen, um diese Menschen wieder in Arbeit zu bringen“, sagt DL-Präsident Kraus. „Aber nicht auf Kosten von Kindern und Eltern.“ Langzeitarbeitslose könnten in Schulen Hausmeistertätigkeiten oder die Reinigung der Außenanlagen übernehmen. „Für die Betreuung von Kindern sind sie kaum geeignet“, findet Kraus.

„Wenn der Einsatz von Langzeitarbeitslosen alles ist, was die Regierung zur Verbesserung unseres Bildungssystems zu bieten hat, dann gute Nacht“, schimpft Günther Buck vom Bundesfachverband Jugendsozialarbeit des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). In Kindergärten, Grundschulen und vor allem Hauptschulen werde Fachpersonal benötigt. „Da können wir keine Personen reinstecken, die im Zweifelsfalle gar nicht da reinwollen und von ihren Qualifikationen auch gar nicht da reinpassen“, sagt Buck. Zudem fürchtet er einen Verdrängungswettbewerb. Schon jetzt gebe es viele Auszubildende im Erziehungsbereich, die keinen Praktikumsplatz finden. Praktika aber sind Bestandteil der Ausbildung. „Wenn die Auszubildenden jetzt auch noch mit Langzeitarbeitslosen in Konkurrenz treten müssen, wird die Situation noch schwieriger“, sagt Buck.

Die GEW warnt vor einem Verdrängungswettbewerb, wenn Clements Beschäftigungspläne umgesetzt würden. Vor allem in Ostdeutschland gebe es überhaupt keinen Bedarf an solchen „Mini-Betreuerinnen“, sagt die GEWVorsitzende Eva Maria Stange. „Es sei denn, die Kommunen und Träger entlassen ihr Stammpersonal und beschäftigen es dann zu Minikonditionen wieder.“ Schließlich würden die Kommunen dann billigere Erzieherinnen über die Bundesagentur für Arbeit bezahlt bekommen.

Nicht nur im Erziehungsbereich, sondern auch in anderen Branchen macht man sich wegen Clements Jobplänen für Langzeitarbeitslose große Sorgen. Allen voran die Garten- und Landschaftsbauer, deren drittgrößter Arbeitgeber die Kommunen sind, haben Angst davor, dass ihnen Langzeitarbeitslose Aufträge abjagen. „Das Problem der Wettbewerbsverzerrung gibt es in unserer Branche schon seit Jahren durch den Einsatz von ABM-Kräften im Bereich der öffentlichen Grünpflege“, sagt Romana Hoffmann, Justiziarin beim Zentralverband Gartenbau (ZVG). Clements Pläne würden die Situation weiter verschärfen.

Deswegen fordert der ZVG wirtschaftszweigbezogene Grenzen für die Subventionierung des zweiten Arbeitsmarktes. Denn schon jetzt arbeiten fast 20 Prozent der Arbeitslosen und Sozialhilfeempfänger, die „Hilfe zur Arbeit“ bekommen, im Grünbereich. In einigen Regionen in Ostdeutschland stünden einem regulären Mitarbeiter im Garten- und Landschaftsbau 20 Arbeitskräfte aus dem zweiten Arbeitsmarkt gegenüber. „Durch Hartz IV wird diese Zahl wohl weiter steigen“, sagt Herbert Hüsgen vom Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau.

Dagmar Rosenfeld

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