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Außer Popcorn, Nachos, und Getränken geht nicht mehr viel, sagt Christian Gisy über das Umsatzpotenzial im Kino.

© promo

Der Cinemaxx-Chef im Interview: „Es sieht mau aus mit dem deutschen Film“

Christian Gisy findet die Ticketpreise fürs Kino völlig in Ordnung. Den Cinemaxx-Chef treiben die Filmpiraten um und er ärgert sich über die deutsche Filmförderung.

Christian Gisy (47) ist seit 2009 Chef der Cinemaxx-Kinos. Im Vorstand sitzt der Diplom- Volkswirt und Ex-Wirtschaftsprüfer seit 2006. Gisy, Sohn eines Diplomaten, absolvierte eine internationale Schulausbildung in Afrika und Europa und schloss sein Studium in Bonn ab. Er war unter anderem bei der WestLB und für den Musiksender Viva tätig. Cinemaxx, 1977 gegründet, bespielt 33 Kinocenter mit 285 Leinwänden und etwa 73 000 Plätzen in Deutschland und Dänemark. Eigentümer des (noch) börsennotierten Unternehmens ist die britische Kinogruppe Vue, die von zwei kanadischen Pensionsfonds übernommen wurde.

Herr Gisy, wie oft waren Sie im vergangenen Jahr im Kino?

Ich habe etwa 120 Filme gesehen. Schätzungsweise 25 Mal war ich privat im Kino, den Rest durfte ich mir beruflich anschauen.

Alle drei Tage ein Film.

Im Durchschnitt, ja. Es kommt aber auch vor, dass ich an einem Tag vier Filme sehe. Das ist das Schöne an meinem Beruf.

Und ins Kino gehen Sie mit Kind und Kegel und einer Menge Popcorn?

Wir sind zu viert und nehmen das ganze Programm. Meine Frau isst bevorzugt Nachos und trinkt dazu ein Bierchen. Popcorn gibt es natürlich auch.

Dann entsprechen Sie ja dem Idealbild der Cinemaxx-Zielgruppe. Vier Eintrittskarten und reichlich Verpflegung – da ist man schnell bei 60 oder 70 Euro. Das kann sich manche Familie nicht mehr leisten.

Ist das tatsächlich so? Familien gehen auch in den Tierpark, auf den Rummel, ins Erlebnisbad. Wissen Sie, was da ausgegeben wird? Wenn eine vierköpfige Familie sonntags zu uns kommt, bezahlen die Eltern den Kindertarif, das sind bei 2-D-Filmen sechs Euro, bei 3-D-Filmen acht bis neun Euro.

Zehn Euro, so haben Sie einmal gesagt, wäre ein fairer Eintrittspreis. Sind Sie Ihrem Ziel 2013 näher gekommen?

Kombiniert aus 2-D- und 3-D-Filmen lag unser durchschnittlicher Ticketpreis bei etwas über neun Euro. Das ist auch absolut gerechtfertigt. Kino ist in seiner Wertigkeit in der Vergangenheit nicht angemessen bepreist worden. Der Kinobetrieb ist mit hohen Fixkosten verbunden. Das muss sich irgendwie auch in den Preisen widerspiegeln.

Popcorn wirft am meisten Gewinn ab?

Popcorn hat eine ordentliche Marge, aber Nachos und Getränke sind auch nicht weit davon entfernt.

Der Versuch der Multiplexe, aus ihren Kinos Gastronomiebetriebe zu machen, ist gescheitert. Warum funktioniert das nicht?

Wir haben viel ausprobiert, mussten aber feststellen, dass der Markt buchstäblich gesättigt ist. Jenseits von Popcorn, Nachos, Softdrinks und Bier geht nicht mehr viel. Wir verkaufen noch Currywurst, auch unsere Bistros laufen ordentlich. Aber das reicht nicht ansatzweise an die vier Umsatzträger heran.

Ein knappes Drittel Ihres Umsatzes machen Sie mit Snacks und Getränken. Mehr geht nicht?

Das Verhältnis dürfte stabil bleiben. Aber wir werden weiter versuchen, den Menschen, die schon eine Kinokarte haben, Bedürfnisse aufzuzeigen, von denen sie gar nicht wussten, dass sie sie haben.

Zum Beispiel in einem extrabreiten Sessel versinken, die Beine hochlegen, ein Glas Sekt trinken. Kinos wie die Astor Film Lounge oder der neue Zoopalast setzen auf Luxus und hohe Preise – mit Erfolg. Hat Cinemaxx hier Nachholbedarf?

Das Segment funktioniert, aber es ist sehr klein. Ich schätze, es macht nur etwa ein halbes bis ein Prozent aller Kinobesuche aus.

Porsche verkauft auch nicht viele Autos und verdient trotzdem prächtig.

Um diese Rendite zu erreichen, müssten die Preise dieser Luxuskinos noch höher sein. Ich weiß zum Beispiel nicht, wie sich der neue Zoopalast rechnen soll. Dort wurden die hochwertigsten Materialien verbaut. Und wenn Sie wissen, was das in einem so großen Haus kostet, dann dürfte es lange dauern, bis sich die Investition rentiert.

Auch Cinemaxx hat in Essen und Mülheim Firstclass-Säle mit besonderer Ausstattung. Warum gibt es noch keinen in Berlin?

Die Frage ist berechtigt. Wir denken gerade darüber nach, das Konzept auch in anderen Städten auszurollen. Es muss das richtige Haus sein, am richtigen Standort, das Catering darf nicht zu lange Wege haben. Am Potsdamer Platz, wo wir 19 Säle und eine Lounge haben, könnte man sich so etwas vorstellen.

Würden Sie in Berlin oder anderswo noch Kinos kaufen?

Wenn es ein gut laufendes Haus wäre, würden wir das sicher nehmen.

Die Kinokarte soll es künftig nur noch elektronisch geben. Wann kann man bei Cinemaxx mit dem Smartphone einchecken?

Wir testen Hard- und Software gerade. Schon heute kann man sich das Ticket zu Hause kaufen. Wir stehen kurz davor, dass es in allen Häusern möglich sein wird, mit einem Barcode ins Kino zu gehen, der direkt aufs Handy geschickt wird.

Der Anfang vom Kino ohne Personal?

Cinemaxx wird niemals seelenlos sein. Der Kinobesucher will Menschen treffen, keine Maschinen. Kino wie Easyjet oder Ryanair – das funktioniert nicht. Die Billigflieger braucht man, Kino gönnt man sich.

Oder man gönnt sich einen 3-D-Fernseher fürs Heimkino im Wohnzimmer. Die TV-Geräte werden immer größer, besser und billiger. Macht Ihnen das keine Sorgen?

Ich bin ein unverbesserlicher Optimist. Ich habe zu Hause auch einen großen Fernseher und gehe trotzdem nicht seltener ins Kino. Man kann das nicht vergleichen. Mit 400 anderen einen Film zu erleben, den Sound, das große Bild, hineinzutauchen in eine Geschichte, das ist etwas ganz anderes als mit drei, vier Leuten im Wohnzimmer zu sitzen. Es gibt sicher Filme, die auch gut ins Wohnzimmer passen. Aber wollen Sie sich eine 3-D-Brille dabei aufsetzen? Die Konkurrenz des Heimkinos ist nicht unser größtes Problem.

Sondern?

Piraterie. Oder die begrenzten Budgets von Jugendlichen im Zeitalter von Smartphones und Internet. Das sind Themen, die mich umtreiben.

Oder der deutsche Film. Vor dem Verfassungsgericht haben die Multiplexe eine krachende Niederlage erlebt. Sie müssen weiter in die deutsche Filmförderung einzahlen. Zeigen Sie jetzt mehr deutsche Filme?

Alle großen Kinoketten haben in der Vergangenheit deutsche Produktionen gezeigt. Das werden wir auch in der Zukunft tun, nicht mehr und nicht weniger. Das, was aus unserer Sicht erfolgreich ist, zeigen wir. Das andere nicht.

Wie viel kostet Cinemaxx der Beitrag zur Filmförderung?

Wir zahlen für das Unternehmen und treuhänderisch für die Verleiher jedes Jahr 3,5 Millionen Euro ein.

Das ist verkraftbar bei einem Umsatz von mehr als 200 Millionen Euro.

Das ist nicht wenig. Aber ich habe gar kein Problem damit, diese 3,5 Millionen Euro zu bezahlen. Ich bin nur gegen ein intransparentes System der Filmförderung, das die Kinos im Vergleich zu Videotheken, TV-Sendern und Onlinediensten überproportional finanziell belastet, ohne dass sie ein entscheidendes Mitspracherecht hätten. Schauen Sie sich mal an, welcher Unsinn da gefördert wird.

Die deutsche Produktion „Fack ju Göhte“ war mit 5,5 Millionen Zuschauern der erfolgreichste Film 2013 – gefördert mit 2,6 Millionen Euro.

Ich wäre glücklich, wenn sehr viel mehr solcher Filme gefördert würden. Wenn Sie aber „Fack ju Göhte“ oder „Kokowääh 2“ aus den Besucherzahlen 2013 herausrechnen, sieht es mau aus mit dem deutschen Film. Es gibt starke und schwache Jahre. Deutschen Produzenten gelingt es nicht, konstant kommerziell erfolgreiche Filme auf den Markt zu bringen.

Es muss also viel zu lachen geben, ordentlich krachen, Herz und Schmerz – dann würden Sie die Filmförderung gerne zahlen?

Wenn all das dazu führt, dass die Leute in unsere Kinos kommen – ja.

2012 zählten deutsche Kinos zusammen 135 Millionen Besucher. Wie war 2013?

Die Zahlen der Filmförderung liegen noch nicht vor. Aber wir können glücklich sein, wenn es 2013 rund 125 bis 128 Millionen Besucher waren.

Zum ersten Mal wurde 2012 mehr als eine Milliarde Euro Umsatz erzielt. Ist das Niveau zu halten, oder gibt es sogar Potenzial nach oben?

Das wird sehr spannend. Ich denke, die Branche wird trotz sinkender Besucherzahlen nicht weit von diesem Niveau weg sein. Die Ticketpreise sind 2013 weiter gestiegen, die Umsätze jenseits der Eintrittstickets sind stabil.

Also auch bei Cinemaxx?

Wir haben trotz etwas weniger Besuchern als 2012 mehr Umsatz gemacht und mehr verdient. Mehr kann ich dazu noch nicht sagen. Ich denke aber, wir werden uns etwas besser als der Gesamtmarkt geschlagen haben.

Dieses Jahr finden Olympische Winterspiele und die Fußball-WM statt. Das wird kein gutes Kinojahr.

Olympische Spiele bereiten uns keine Sorgen. Fußball-Großereignisse hingegen sehr, weil währenddessen 50 bis 60 Prozent weniger Menschen ins Kino gehen. Wir werden zur WM wieder kostenlos Fußball-Übertragungen anbieten und freuen uns, wenn sich die Besucher noch ein Bier kaufen. Daraus ein Geschäftsmodell zu machen, ist leider unmöglich, weil Fifa und Uefa gigantische Lizenzgebühren verlangen. Ähnlich ist es bei der Formel Eins, die ich gerne ins Kino holen würde. Genauso Boxen.

Im Cinemaxx am Potsdamer Platz findet jeden Sonntag ein Gottesdienst statt. Lässt sich das ausbauen?

Der Vertrag mit der Kirche hat einen profanen Hintergrund. Wir haben uns unsere Kosten angesehen, unsere auslastungsschwachen Zeiten und gefragt, wie können wir das kompensieren. Wir setzen mit diesem Geschäft, also mit alternativen Inhalten wie Konzertübertragungen, Shows, Betriebsversammlungen und anderem, im Jahr vier Millionen Euro um.

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