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Abgespeist. Verbraucherschützer kritisieren, dass im Früchte-Tee von Hipp so viel Zucker steckt, und dass das alkoholfreie Bier von Clausthaler tatsächlich 0,45 Prozent Alkohol enthält.

© dapd

Verbraucherschützer vergeben Negativpreis: Etikettenschwindel

Die Organisation Foodwatch kritisiert Täuschung bei Lebensmitteln und kürt die "dreisteste Werbelüge". Die Hersteller wehren sich gegen die Vorwürfe.

Berlin - Eine Erdbeere, Kirschen, eine Scheibe Mandarine und ein aufgeschnittener Apfel zieren die Verpackung des Kinder-Früchtetees von Hipp. „Mit natürlichen Fruchtextrakten“, steht neben dem Obstensemble. Erst der Blick auf die Nährwerttabelle offenbart, dass der Tee zweieinhalb Stücke Würfelzucker pro 200Milliliter-Tasse enthält.

Die Verbraucherorganisation Foodwatch hat daher den Babynahrungshersteller Hipp am Dienstag für seine Instant-Tees „Früchte“, „Waldfrüchte“ und „Apfel-Melisse“ mit dem „Goldenen Windbeutel“ ausgezeichnet – der Negativpreis für die „dreisteste Werbelüge“ des Jahres. Knapp 130 000 Verbraucher hatten online über fünf Produkte abgestimmt, 44 000 wählten die Hipp-Tees auf Platz eins.

Hipp bewerbe die Früchte- Tees trotz ihres Zuckergehaltes als für Kleinkinder ab dem zwölften Monat geeignet, teilte Foodwatch mit. Tatsächlich seien sie aber nur „Zuckergranulat mit Wasser aufgegossen“, erklärte Oliver Huizinga von der Verbraucherorganisation. Experten empfählen, Kinder ausschließlich ungesüßte Tees trinken zu lassen. „Eltern ein solches Produkt für Kleinkinder zu empfehlen, ist unverantwortlich und passt in keiner Weise zu dem so oft betonten Anspruch von Hipp, ,kindgerechte’ und ,gesunde’ Produkte anzubieten.“

Das Unternehmen Hipp wies den Vorwurf der Verbrauchertäuschung zurück und weigerte sich, den Negativpreis anzunehmen. Auf der Verpackung werde „transparent“ und „deutlich erkennbar der Zuckergehalt der Produkte angegeben“, hieß es in der Stellungnahme der Firma. Zudem entsprächen die Tees der Diätverordnung, die alle Kinderlebensmittel mit einer Alterskennzeichnung einhalten müssten. „Die Zuckermenge in den Instant-Tees entspricht der in einer Saftschorle“, sagte eine Sprecherin.

Dennoch hatte der Hersteller schon im Vorfeld auf die Kritik von Foodwatch reagiert. Hipp erklärte im Mai, künftig auf den Begriff „Durstlöscher“ bei den Instant-Tees zu verzichten. Zudem biete das Unternehmen schon seit April Kinder-Tees mit dem zahnschonenden Zuckerersatzstoff Isomaltulose an.

Auf Platz zwei in dem Ranking landete die Viva Vital Hackfleisch-Zubereitung des Discounters Netto. Sie wird mit dem Slogan „30 Prozent weniger Fett im Vergleich zu gemischtem Hackfleisch“ beworben. Der Hersteller erreiche die Fettreduktion durch das Strecken des Fleischs mit Wasser und Mehl, kritisiert Foodwatch. Das seien „30 Prozent weniger Fleisch“. Auch Netto verwies wie Hipp auf die korrekte Kennzeichnung: Es handele sich wie deklariert um eine Fleischzubereitung, nicht um reines Hackfleisch. Die Verbraucher wählten die Margarine Becel Proactiv von Unilever auf Rang drei, vor alkoholfreiem Clausthaler-Bier von Radeberger und „Landlust Mirabelle & Birne“-Tee von Teekanne. Im Bier steckten trotz der Deklaration „alkoholfrei“ 0,45 Prozent Alkohol, kritisiert Foodwatch. Das ist gesetzlich geduldet: Die Kennzeichnung stehe im Einklang mit dem Lebensmittelrecht, erklärte Radeberger. „Legal ist noch lange nicht legitim“, hält Foodwatch dagegen.

Der Geschäftsführer der Organisation, Thilo Bode, forderte die Politik auf, den Markt für Kinderprodukte zu regulieren. „Es dürfen nur noch Produkte, die wirklich geeignet für Kinder sind, als solche beworben werden“, sagte er, und griff Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) an. Täuschung sei im Lebensmittelrecht zwar verboten, in der Praxis aber fehle es an Transparenz. „Ilse Aigner hat das Problem erkannt, aber sie handelt nicht“, sagte Bode. Das Ministerium wollte sich auf Anfrage zu dem Thema nicht äußern.

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