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Wirtschaft: EU bremst Steuerflucht

Die EU-Finanzminister einigen sich in Luxemburg auf eine einheitliche Zinssteuer – Italien gibt seine Blockade auf

Brüssel/Berlin (fw/msb). Die europäischen Finanzminister haben sich am Dienstag bei ihrem Treffen in Luxemburg auf eine einheitliche Zinsbesteuerung geeinigt. Mit einer gemeinsamen Regelung wollen die EUStaaten die Steuerflucht in Europa eindämmen. Die Einigung wurde durch einen Kompromiss mit Italien möglich: Rom akzeptierte, dass die italienischen Bauern millionenschwere Strafzahlungen wegen Überproduktion innerhalb von 14 Jahren zinsfrei zurückzahlen. Rom streckt die Summe vor. Zuvor hatte der Premierminister Silvio Berlusconi eine Frist von 30 Jahren gefordert und mit dem Veto bei der völlig sachfremden Zinsrichtlinie Druck ausgeübt.

Vor dem Inkrafttreten der Richtlinie im Jahre 2005 werde Finanzminister Hans Eichel (SPD) keine Abgeltungssteuer in Deutschland einführen, sagte sein Sprecher am Dienstag. Am Montag hatte Eichel die geplante nationale Abgeltungssteuer auf Zinserträge gekippt und angekündigt, auf eine EU-weite Regelung warten zu wollen.

Die Abgeltungssteuer war eigentlich an die Amnestie für Steuersünder gekoppelt. Die Amnestie erlaubt Steuerhinterziehern, ihr im Ausland verstecktes Geld im ersten Halbjahr 2004 straffrei zu deklarieren. SPD-Linke hatten aber bei der Abgeltungssteuer kritisiert, dass Großverdiener mit einer Besteuerung von 25 Prozent bevorteilt würden. Bisher werden Zinseinnahmen dem persönlichen Steuersatz unterworfen. Die 25-prozentige Abgeltungssteuer sollte ein zusätzlicher Anreiz sein, das Geld nach Deutschland zurückzuholen.

Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Michael Rogowski, forderte die Bundesregierung am Dienstag auf, schnell zu handeln. „Die Zinsabgeltungssteuer und die Amnestie sind zwei siamesische Zwillinge, die sich nicht voneinander trennen lassen“, sagte Rogowski dem Tagesspiegel. Eichel müsse schnellstmöglich einen konkreten Termin für das Inkrafttreten der Abgeltungssteuer in Deutschland nennen, sagte der BDI-Präsident. Ansonsten brauche er nicht darauf zu hoffen, dass die Gelder zurückfließen.

Mit der EU-weiten Zinssteuervereinbarung haben sich die Länder auf den Austausch von Informationen über die Zinserträge von ausländischen Anlegern geeinigt. Ab 2005 sollen sie Kontrollmitteilungen an an die Heimatfinanzämter der Anleger schicken. Für Belgien, Luxemburg und Österreich gibt es eine Sonderregel: Sie dürfen auf die Kontrollmitteilungen verzichten, müssen aber ab 2005 eine Quellensteuer in Höhe von 15 Prozent, ab 2008 eine Quellensteuer von 20 Prozent und ab 2011 eine Steuer von 35 Prozent erheben. Der größte Teil davon soll an das Herkunftsland des Kapitals abgetreten werden. Nächstes Jahr müssen allerdings zunächst alle EU-Regierungen einstimmig feststellen, dass in Drittstaaten wie der Schweiz Regelungen eingeführt werden, die als gleichwertig gelten. Denn die Sorge, dass diese Drittstaaten zu Steuerfluchtburgen für Kapital aus den EU-Mitgliedstaaten werden, hatte einen Kompromiss lange verhindert.

Als diese Lösung, auf die man sich im Januar geeinigt hatte, im März offiziell verabschiedet werden sollte, war der italienische Premier Berlusconi jedoch auf die Bremse getreten. Er hatte sein Ja zur Zinssteuer an Zugeständnisse in einem völlig anderen Bereich gebunden, nämlich den Milchquoten. Italiens Bauern lassen ihre Kühe sehr viel mehr Milch produzieren, als es die EU-Quotenregelung erlaubt. Dafür müssen sie hohe Geldbußen entrichten, insgesamt 1,4 Milliarden Euro für die vergangenen acht Jahre. Um die 24 000 betroffenen Milchproduzenten zu schonen, hatte die Regierung die Strafe übernommen und damit einen Subventionstatbestand geschaffen, der nach EU-Wettbewerbsregeln verboten ist. Jetzt schulden die Bauern der EU noch 650 Millionen Euro.

Defizitverfahren gegen Frankreich

Die Finanzminister haben am Dienstag auch ein offizielles Defizit-Strafverfahren (siehe Lexikon auf Seite 16) gegen Frankreich eröffnet. Damit ist Frankreich das dritte Land nach Portugal und Deutschland, das seine Haushaltspolitik gegenüber den EU-Partnerstaaten rechtfertigen muss. Paris soll seine Neuverschuldung bis 2004 unter die Grenze von drei Prozent senken. Die Minister verlangen von Paris zudem, das Defizit auch in diesem Jahr „bedeutend stärker“ zu reduzieren als bislang vorgesehen. Frankreich hat bis zum 3. Oktober Zeit, konkrete Schritte einzuleiten. 2002 hatte Frankreich ein Defizit von 3,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes.

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