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EU-Industriekommissar Antonio Tajani: "Unsere Wirtschaft muss klare Werte haben"

EU-Industriekommissar Antonio Tajani spricht mit dem Tagesspiegel über die Lehren der Finanzkrise und nötige Reformen.

Herr Tajani, wie kommt die EU aus der Krise?

Es gibt keine andere Lösung für diese Krise, als sie durch Wachstum zu überwinden. Die kleinen und mittelständischen Unternehmen sind unsere Chance auf eine bessere Zukunft nach der Krise. Sie können helfen, in den nächsten Jahren höheres Wachstum und neue Jobs zu schaffen, weil sie flexibel, innovativ und damit international wettbewerbsfähig sind.

Wie wollen Sie sicherstellen, dass die Unternehmen auch erfolgreich sind?

Innovationen machen den guten Unternehmer aus. Das Ziel der EU-Kommission ist es deshalb, die Innovationsfähigkeit der Unternehmen zu fördern. Wir arbeiten gerade an einer Strategie für die künftige europäische Innovationspolitik. Außerdem müssen mehr Europäer den Sprung in die Selbstständigkeit wagen, auch sie bringen neue Ideen und beleben das Geschäft. Wir brauchen mehr Unternehmergeist. Der muss schon in der Schule gefördert werden.

Aus welchen Branchen sollen die Innovationen kommen?

Alle Branchen mit Schlüssel- oder Zukunftstechnologien sind wichtig. Aber ich glaube auch, dass zum Beispiel der Tourismus für junge Unternehmer ein interessantes Geschäftsfeld ist. Und grüne Technologien sind ein sehr wichtiger Sektor – selbst China investiert derzeit verstärkt in diesen Bereich. Wir müssen aufpassen, dass wir da konkurrenzfähig bleiben.

Sie sind Vater von zwei Kindern. Welchen Einfluss hat die Krise auf junge Menschen?

Sie wird dazu führen, dass sie einen anderen Lebensstil entwickeln. Wir Europäer haben über unsere Verhältnisse gelebt. Es ist wichtig, dass die junge Generation versteht, wie wir aus den Erfahrungen der globalen Krise die richtigen Lektionen lernen.

Die jungen Menschen sollen jetzt kürzertreten, um die Milliardenschulden der älteren Generationen zu tragen?

Leider hat die junge Generation in vielen Mitgliedstaaten keine Rücklagen, auf die sie zurückgreifen kann. Darauf muss die Gesellschaft reagieren. Und wir brauchen Reformen des Finanzsektors. Wir brauchen eine reale Ökonomie und keine, die auf Spekulationen beruht.

Wie wollen Sie diese Ziele erreichen?

Wir brauchen eine gemeinsame europäische Wirtschafts- und Sozialpolitik, eine Wirtschaft mit klaren Regeln und Werten – einen europäischen New Deal. Es ist wie beim Fußball: Dort gibt es auch Regeln. Eine ist, dass sich die Spieler innerhalb des Spielfeldes bewegen müssen.

Wer ist der Schiedsrichter? Wer kontrolliert die Einhaltung der Regeln?

Die Europäische Kommission mit Unterstützung der Mitgliedstaaten.

Stecken in dieser Krise auch Chancen?

Die chinesischen Schriftzeichen für Krise enthalten auch das Wort Chance – die Krise bietet Möglichkeiten. Ich denke, das gilt auch für Europa. Nach dieser Krise werden wir uns verändert haben. Es wird mehr Regeln für die Wirtschaft und den Finanzsektor geben. Darum müssen wir jetzt überall in Europa Zugeständnisse machen.

Das Interview führten Sarah Kramer und Ulrike Thiele.

Der Italiener Tajani (56) ist Jurist. Er war Journalist und hat die rechtskonservative Partei Forza Italia mitgegründet. Zeitweise war er Pressesprecher von Premierminister Silvio Berlusconi.

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