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EU-Kommission: Neues Spar-Ultimatum für Deutschland

Die EU-Kommission hat das Defizit-Strafverfahren gegen Deutschland in Richtung von Sanktionen verschärft. Die Bundesregierung muss innerhalb von vier Monaten mitteilen, wie sie das überhöhte Staatsdefizit bekämpfen will.

Brüssel - Mit der Verschärfung des Defizit-Strafverfahrens stellt die EU-Kommission der Bundesregierung ein neues Spar- Ultimatum. Bis zum 14. Juli muss Berlin milliardenschwere Schritte zur Sanierung der Staatsfinanzen auf den Weg bringen, um das Defizit wie versprochen bis Ende 2007 wieder unter die Marke von drei Prozent zu drücken.

Offener Streit wie noch vor gut zwei Jahren ist mit der Kommissions-Entscheidung vom Mittwoch nicht verbunden: Die schwarz- rote Bundesregierung ist einverstanden. Sie sicherte zu, die noch ausstehende Billigung im EU-Finanzministerrat nicht zu behindern.

EU-Währungskommissar Joaquín Almunia äußerte sich zuversichtlich, dass Deutschland das Sparziel 2007 erreicht. Er lobte dabei das «klare Engagement» der neuen Bundesregierung. Mit einem erwarteten Wachstum von 1,5 Prozent 2006 ziehe die deutsche Wirtschaft wieder an. Zur weiteren Gesundung der Staatsfinanzen müssten jedoch die Sozialsysteme weiter reformiert werden. «Niemand, auch nicht die größte Volkswirtschaft der EU, ist von den Regeln des neuen Stabilitätspaktes freigestellt.»

Deutschland verstößt 2006 im fünften Jahr in Folge gegen den Euro- Stabilitätspakt. Die deutsche Neuverschuldung betrug im vergangenen Jahr 3,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts; dieser Wert soll im laufenden Jahr stabil bleiben. Im kommenden Jahr sind dann 2,5 Prozent geplant. In der Bußprozedur hielt Berlin frühere Sparzusagen nicht ein.

Die EU-Finanzminister müssen den Beschluss der Kommission am 14. März noch mit Zwei-Drittel-Mehrheit billigen. Ab dann gilt eine Frist von vier Monaten zur Umsetzung der Sparschritte, also bis 14. Juli. Bei dem Ministertreffen wird nicht mit Problemen gerechnet. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück teilte mit, Berlin wolle den Pakt mit einem vorbildlichen Verhalten unterstützen. «Das Defizitziel schon 2006 erreichen zu wollen, wäre aus unserer Sicht nur mit Konsolidierungsschritten erreichbar gewesen, die den konjunkturellen Aufschwung gefährdet hätten.» Steinbrück will im Juli der Kommission seinen Haushaltsentwurf 2007 übermitteln und damit seine Zusagen untermauern.

Almunia rechtfertigte sein Vorgehen, trotz positiver Konjunktur- Signale die bisher ruhende Prozedur zu verschärfen. Nur Griechenland ist auf dieser Stufe angelangt. «Das ist wichtig für die Glaubwürdigkeit des Paktes.» Die nun erreichte Stufe ist die letzte vor der Verhängung von Sanktionen. Diese können bis hin zu Geldbußen reichen. Der Maximalbetrag für Deutschland beträgt rund zehn Milliarden Euro. Almunia will die Prozedur jedoch schon im Juli wieder vorläufig aussetzen, falls er von den Sparschritten Berlins überzeugt ist. Haushaltsberichte seien aber weiterhin fällig.

In der Anwendung des vor einem Jahr in wesentlichen Teilen gelockerten Stabilitätspaktes haben sich die Zeiten grundsätzlich gewandelt. Noch im November 2003 hatte es zwischen Steinbrücks Amtsvorgänger Hans Eichel und der Kommission einen langen Konflikt um die Verschärfung der Strafprozedur gegeben. Die Finanzminister legten das Verfahren auf Eis. Es schloss sich ein Rechtsstreit an, den der Europäische Gerichtshof aber nicht klar entschied. «Kommission und Finanzministerrat haben daraus viel gelernt», lautet die lapidare Bilanz Almunias. Obwohl sich die Kommission mit der Verschärfung letztlich durchsetzte, vermied es Almunia, als Sieger aufzutreten.

Almunia kam Steinbrück in einem wichtigen Punkt entgegen. Da Berlin es im laufenden Jahr nicht schafft, dass um Konjunktureinflüsse bereinigte Defizit um 0,5 Punkte zu senken, werden die Jahre 2006 und 2007 zusammen betrachtet. In dieser Periode muss die Senkung einen ganzen Punkt betragen. Steinbrück sicherte zu, das einzuhalten.

Die Kommission hatte zudem Polen im Blick und forderte die Warschauer Regierung zu stärkeren Sparmaßnahmen auf. Das Defizit werden 2007 nicht unter die 3-Prozent-Grenze fallen. Warschau war 2004 aufgefordert worden, sein Defizit bis zum kommenden Jahr unter Kontrolle zu bringen. Das Defizit werde 2007 voraussichtlich bei 4,1 Prozent liegen. Almunia sagte, vermutlich werde Polen eine neue Frist für die Einhaltung der Defizitgrenze gesetzt. Falls ein glaubwürdiger Sparkurs eingeschlagen sei, sollte Polen auch ein Ziel für den Beitritt zu Eurozone nennen. (Von Christian Böhmer, dpa)

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