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Wirtschaft: EU warnt vor Debakel bei Welthandelsrunde

Keine Einigung über Agrarzölle in Sicht

Brüssel - Die Europäische Union wird im Streit um den Abbau von Zollschranken auf der Welthandelskonferenz in Hongkong keinen neuen Kompromissvorschlag vorlegen. „Dafür ist es jetzt zu spät“, sagte EU-Handelskommissar Peter Mandelson dem Handelsblatt. Drei Wochen vor Beginn des entscheidenden Gipfeltreffens wies Mandelson den USA die Verantwortung für das drohende Scheitern der Handelsrunde zu: „Ich wünschte, die Vereinigten Staaten würden einer Senkung der Zölle auf Industriegüter und Dienstleistungen die gleiche Aufmerksamkeit widmen wie der Landwirtschaft.“ Zugleich warnten Wirtschaftsverbände aus mehreren Ländern in einer konzertierten Aktion vor einem Scheitern der Verhandlungen im Dezember in Brüssel.

Mandelson sagte, wenn die EU über ihr Angebot, die Agrarzölle um durchschnittlich 46 Prozent zu senken, hinausginge, „würde die Doha- Runde noch weiter aus dem Gleichgewicht geraten“. Die USA fordern von der EU, bis zu 90 Prozent der Agrarzölle abzubauen. Die 148 Mitgliedstaaten der Welthandelsorganisation (WTO) hatten 2001 in der Hauptstadt des Wüstenemirats Katar die Verhandlungen zum Abbau von Handelshemmnissen begonnen. Die Gespräche liegen weit hinter dem Zeitplan zurück. Sie müssen Diplomaten zufolge aber 2006 abgeschlossen werden, weil anschließend das Verhandlungsmandat von US-Präsident George W. Bush endet, ohne Einschaltung des Kongresses Handelsverträge abzuschließen.

Mandelson betonte, bei den Gesprächen gebe es ein fundamentales Missverständnis. „Wir stecken nicht wegen eines Mangels an Angeboten in der Landwirtschaft fest. Wir haben zu wenig Angebote für den Abbau von Industriezöllen und für die Dienstleistungsmärkte auf dem Tisch.“ Neben den USA kritisierte der EU-Handelskommissar vor allem Brasilien als Wortführer der mächtigen G-20- Gruppe aufstrebender Schwellenländer. Brasilien habe bisher keinen konkreten Vorschlag zum Abbau seiner Industriezölle gemacht. „Ohne ernsthafte Angebote, die Zölle auf Industriegüter und Dienstleistungen abzubauen, gibt es keine ernsthaften Verhandlungen.“ Der Asien-Pazifik-Gipfel (Apec) am Wochenende in Südkorea kritisierte dagegen erneut die EU wegen ihrer abgeschotteten Agrarmärkte.

Das drohende Scheitern des am 13. Dezember beginnenden Hongkonger Gipfels alarmiert auch die Wirtschaft. Wirtschaftsverbände von 21 Ländern, die zusammen 65 Prozent des globalen Handels repräsentieren, richten jetzt einen dramatischen Appell an die 148 WTO-Mitglieder, die Welthandelsrunde zu retten. „Wir fordern die politischen Führungen auf, mehr Vision, Ehrgeiz und Verantwortung für ein gehaltvolles Resultat der Handelsverhandlungen zu demonstrieren“, heißt es in dem Appell, der dem Handelsblatt vorliegt und heute veröffentlicht werden soll. Die Verbände fordern, dass handelsverzerrende Subventionen und protektionistische Schranken weltweit eliminiert werden. Dadurch sollte vor allem den ärmsten Ländern mehr Flexibilität gegeben werden.

Tatsächlich würde einer Studie der Weltbank zufolge ein Erfolg der Doha- Runde global Wohlstandsgewinne von 300 Milliarden Dollar pro Jahr bringen. Von einem ausgewogenem Handelsabkommen würden vor allem Exportnationen profitieren – und als weltgrößter Exporteur vor allem Deutschland. Das würde sich auch auf die Verbraucherpreise in den Supermärkten auswirken. So ist etwa Zucker aus der EU weltweit nicht konkurrenzfähig – während die Herstellung in der EU 480 Dollar pro Tonne kostet, kommen Produzenten in Afrika auf 250 Dollar, Brasilien mittlerweile sogar auf etwa 160 Dollar.

Sollte die Doha-Runde scheitern, befürchtet die Wirtschaft einen schweren Schlag für die WTO als Institution. Nur sie könne einen verlässlichen Rechtsrahmen setzen, auf den sich die Wirtschaft verlassen kann. Die Verbände wollen daher alles daran setzen, 2006 doch zu einem Ergebnis zu kommen. huh/cr (HB)

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